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22.08.09 / Interessenkonflikte programmiert / Warum lassen sich deutsche Ministerien von Londoner Kanzleien helfen? − Aufträge ohne Ausschreibung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-09 vom 22. August 2009

Interessenkonflikte programmiert
Warum lassen sich deutsche Ministerien von Londoner Kanzleien helfen? − Aufträge ohne Ausschreibung

Mehrere Bundesministerien haben teilweise ohne Ausschreibung millionenschwere Beratungsaufträge an Anwaltskanzleien vergeben. Die Kanzleien haben offenbar sogar an der Formulierung von Gesetzen mitgewirkt.

Das SPD-geführte Finanzministerium soll 2008 14,3 Millionen Euro, das SPD-geführte Außenministerium 1,3 Millionen Euro und das zuerst in die Kritik geratene Wirtschaftsministerium (CSU, damals noch unter Michael Glos) 620000 Euro für „Sachverständige“ ausgegeben haben. Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) sprach als erste von der angeb-lichen Verschwendung von Steuergeldern durch Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), nicht wissend, dass die von ihren Parteifreunden geführten Ressorts deutlich häufiger „Steuergelder verschwenden“ als der neue Politik-Star der Union.

Schnell ging es in der aufgeregten Debatte fast nur noch darum, wer wie viel Steuergelder „verschwendet“ habe, dabei wirft die Praxis der Ministerien, Außenstehende mit dem Verfassen von Gesetzen oder Gutachten zu beauftragen, viel tiefergehende Fragen auf.

Die favorisierten Anwaltskanzleien der Ministerien heißen Freshfields Bruckhaus Deringer, White & Case, Hengeler Mueller und eben Linklaters. Schon während der aktuellen Debatte wurde offenbar, dass manche der Spezialisten im Wirtschaftsrecht Klienten aus der Wirtschaft vertreten oder kürzlich vertreten haben, die von den vorformulierten Gesetzen direkt betroffen sind. So soll die vom Bundesinnenministerium für das Enteignungsgesetz zur Hypo Real Estate (HRE) beauftragte Kanzlei Hengeler und Müller zuvor den US-Investor Christopher Flowers anwaltlich beraten haben. Flowers gehörte zu den HRE-Aktionären, die sich am meisten gegen die Enteignung gewehrt hatten.

Neben jenen nicht genügend vor Auftragsvergabe geprüften Interessenkonflikten fällt jedoch ebenfalls ins Auge, dass die Ministerien überwiegend immer dieselben vier Großkanzleien beauftragen, so dass diese fast eine Monopolstellung inne haben. Auch erscheint es merkwürdig, dass drei der vier Favoriten einen angelsächsischen Hintergrund haben. Linklaters, Freshfields Bruck-haus Deringer, White & Case sind Limited Liability Partnership (LLP), eine Rechtsform von Personengesellschaften nach englischem/amerikanischem Recht. Ihr Firmenhauptsitz ist jeweils London. Alle drei gehören zum sogenannten Magic Circle, der jene fünf Anwaltskanzleien bezeichneten, die in England führend sind.

„Aktuell geht es ja um die Folgen der Finanzkrise. Da überrascht es mich nicht, wenn die Bundesregierung auch Großkanzleien aus der Finanzmetropole London beauftragt. Zumal sie die Kanzleien nicht selbst bezahlen muss. Dafür hat sie ja den Steuerzahler …“, merkt Dr. Karl Heinz Däke, Präsident des Bundes der Steuerzahler, süffisant an. Wie viele Klienten jener Großkanzleien mit zu den Verursachern der aktuellen Finanzkrise gehören, bedürfte einer Untersuchung, wenn denn die Absicht bestünde, jegliche Interessenkonflikte auszuschalten. Zwar haben alle drei angelsächsischen Kanzleien auch einen deutschen Hintergrund − die Engländer fusionierten im Laufe der Jahre mit deutschen Konkurrenten −, und manche haben einige deutsche Partner (Linklaters hat beispielsweise weltweit 540 Partner und 2400 Anwälte), trotzdem sind sie überwiegend britisch. Deutsche Ministerien beauftragen also in intransparenter Auftragsvergabe ausländische Großkanzleien, schanzen ihnen Millionen an deutschen Steuergeldner zu, stärken ihre Marktmacht und ermöglichen ihnen eine Beinahe-Monopolstellung. Kritiker halten diese einseitige wirtschaftliche Bevorzugung für äußerst bedenklich, umso mehr, wenn englische Anwaltskanzleien deutsche Gesetze vorformulieren.

Und es handelt sich hier nicht um eine Praxis, die ausschließlich die Gesetzgebung betrifft. Bereits in den ersten Monaten des Jahres hatten sich verschiedene Wirtschaftsprüfungsunternehmen aber auch Bundestagsabgeordnete beschwert, dass bei der Vergabe der Rettungsbürgschaften für Unternehmen sich die Bundesregierung ausschließlich auf Gutachten der Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers (PwC) verlässt. Auch dieses Unternehmen hat einen angelsächsischen Hintergrund. Zwar ist PwC Deutschland eine unabhängige Aktiengesellschaft, deren Vorgänger-Firma seit gut 60 Jahren die Anträge von Hermes-Bürgschaften für den Staat prüft, doch arbeitet sie im Verbund mit PwC International. Auch bei PwC wurde bereits im Juni ein Interessenkonflikt aufgedeckt. Denn PwC hatte für seinen Klienten, die Heidelberger Druckmaschinen AG, Hilfe aus dem „Wirtschaftsfonds Deutschland“ befürwortet. Zwar wurde im Juni beschlossen, ab sofort auch andere Wirtschaftsprüfer für den Rettungsfonds zu beauftragen, doch bisher ist dies noch nicht geschehen. „Zur Zeit wird eine Ausschreibung von Teilaufgaben der Mandatarleistungen vorbereitet“, antwortete das Wirtschaftsministerium auf Anfrage der PAZ. In der Zwischenzeit dürfen PwC und der Lenkungsausschuss, bestehend aus je einem Staatssekretär aus dem Wirtschafts-, Finanz- und Justizministerium sowie Kanzleramt – allein über Millionen-Bürgschaften aus dem Fonds entscheiden. Auch die Opposition weiß nicht, ab wann das Monopol von PwC beendet sein wird. „Das Bundesfinanzministerium verweigert hierzu jede Auskunft gegenüber dem Parlament. Es weigerte sich sogar die Höhe des Honorars dem Haushaltsausschuss mitzuteilen. Die FDP wird nun den Bundesrechnungshof in der nächsten Sitzung des Haushaltsausschusses um Prüfung bitten“, so Frank Schäffler, der für die FDP im Finanzausschuss sitzt, gegenüber der PAZ.

Rebecca Bellano

Foto: Ungewollt im Rampenlicht: Die Affäre um die Beschäftigung der Kanzlei Linklaters stieß eine längst überfällige Debatte an. Nicht nur Anwälte, auch Wirtschaftsprüfer werden oft ohne richtige Ausschreibung beauftragt.


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