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22.08.09 / Schulreform der Freistaaten / Bayern und Sachsen reformieren die Hauptschule – auf unterschiedlichen Wegen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-09 vom 22. August 2009

Schulreform der Freistaaten
Bayern und Sachsen reformieren die Hauptschule – auf unterschiedlichen Wegen

Pisa-Studien, hohe Abbrecher-zahlen und mangelnde Integration von Ausländern haben den Ruf der Hauptschule geschädigt. Selbst Bundesländer, die lange als ihre Verfechter galten, versuchen sich nun in Umgestaltung. Sachsen und Bayern stechen dabei besonders hervor – das eine Land wegen seines frühen Eingreifens, das andere wegen seiner noch vergleichsweise leistungsstarken Hauptschulen.

Sachsen gilt in Sachen Wandel der Hauptschule seit Jahren als Vorbild. Grund dafür ist die besondere demographische Situation des östlichen Freistaates. Seit 1990 hat sich die Schülerzahl mehr als halbiert. Schon früh waren daher massive Veränderungen nötig: Drei Schulformen – dafür gibt es nicht mehr genug Schüler. Manfred Prenzel, deutscher Koordinator der berüchtigten, weil für das hiesige Bildungswesen in Teilbereichen schlecht ausgefallenen Pisa-Tests von 2003 und 2006, lobt Sachsens Schulwesen. „Ganz ausgezeichnete Arbeit“, attestiert der Pädagoge den Sachsen.

Sachsen hat die Hauptschule nicht geopfert, aber organisatorisch in andere Schulen eingegliedert. Die Schulform kam nur für kurze Zeit nach dem Ende der DDR aus dem Westen in das östliche Bundesland – sie bald danach den Notwendigkeiten anzupassen, war kein großer Wandel. Getrennter Unterricht von Haupt- und Realschülern findet mitunter nach wie vor statt, nur eben unter einem Dach. Das mehrgliedrige Schulsystem wird an der Elbe nicht radikal in Frage gestellt. Ein Hauptschulabschluss ohne eigentliche Hauptschule lautet eher das Credo. Flexibilität statt schulmeisterlicher Starrsinn: Rechtzeitige Investitionen schufen ein zweigliedriges System aus Gymnasium und Mittelschule. Sachsens Kultusminister Roland Wöller (CDU) sieht den Pisa-Erfolg seines Landes auch in der Vereinigung von Haupt- und Realschuljahrgang unter dem Dach dieser neuen Mittelschule begründet.

„Das Interessante ist, dass es uns damit gelingt, möglichst viele in einen Bildungsabschluss, einen mittleren Bildungsabschluss zu führen, in den Realschulabschluss“, so Wöller. Will man also die Schulabschlüsse im Schnitt heben, hilft es nichts, den einfachsten (den Hauptschulabschluss) abzuschaffen – so die sächsische Erfahrung.

Diese Ansicht teilt im Prinzip auch Bayern – bisher Bollwerk ausgeprägter Hauptschulen. 80 Millionen Euro jährlicher Investitionen, mehr Ganztagsunterricht, mehr Berufsorientierung, so lauteten 2007 die Eckpunkte dieser Initiative der Landesregierung. Jetzt kommen aus München scheinbar ganz neue Konzepte zur Hauptschule. Schulverbünde sollen nach dem Willen von Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) nun die bundesweit als Auslaufmodell geschmähte Hauptschule ablösen, eine Standortgarantie für jede der 950 bayerischen Hauptschulen lehnt der Minister nun ab.

Bayerns Problem: Durch Ausweitung der Realschule in den 90er Jahren mussten bereits vielerorts Hauptschulen zusammengelegt werden. Strukturelle Zwänge treiben also, ähnlich wie in Sachsen, die Reformen an. Dennoch klingen die neuen Töne anders: Die allgemeine „negative Wahrnehmung“ der Hauptschule bereitet Spaenle Sorgen, dennoch will er anders als in Sachsen kein zweigliedriges System – für Spaenle wäre das ein „Auskehren der Schulstandort-Landschaft“. Pisa liefere, gerade mit Blick auf Sachsen, den Beweis für den eigenen Erfolg, so die Bayern. Dass gerade Kinder nicht-deutscher Herkunft häufiger Hauptschüler werden, treibt Spaenle nach eigenen Angaben zusätzlich um, die Hauptschule zu reformieren. Seine Formel dafür lautet nun mehr Flexibilität. Ein langsames, qualvolles Sterben der Schulform sei zu befürchten, so Kritiker – wo bald Mittelschule draufstehe, sei nur noch Hauptschule drin. Denn die eigentliche Mittelschule gäbe es schon, eben als Realschule. Ob und wenn ja, in welcher Schulform die Hauptschule in Bayern letztlich aufgeht, lässt Spaenle nämlich derzeit offen. Willensfreiheit bei der Schulwahl statt Einheitsschule (so ein Hamburger Volksbegehren), mehr Freiheit bei den Lehrplänen und mehr Vernetzung mit der Wirtschaft kann Bayern jedoch nach wie vor für seine Hauptschulen verbuchen.

Die fehlende endgültige Zielvorgabe Spaenles könnte Bayern letztlich auch zum Vorteil gereichen: Die Schulen entscheiden, wie viel Inhalt und Form der Hauptschule ihrem Bedarf entspricht.          Sverre Gutschmidt


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