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22.08.09 / Bewegung in der Kurden-Frage / Neue Initiativen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-09 vom 22. August 2009

Bewegung in der Kurden-Frage
Neue Initiativen von PKK-Gründer Öcalan und der türkischen Regierung

Zwei Ereignisse ließen am Wochenende – genau 25 Jahre nach Beginn des Kurdenaufstands in der Türkei – Hoffnungen aufkommen: Die Anwälte des auf der Gefängnisinsel Imrali einsitzenden PKK-Gründers Abdullah Öcalan gaben bekannt, dass dieser einen „Fahrplan“ zur Konfliktbeilegung ausgearbeitet habe, und die türkische Regierung kündigte ihrerseits eine Initiative zur Lösung des Kurden-Problems an. Noch ist es zu früh, die konkreten Absichten und Aussichten einzuschätzen. Wohl aber lässt sich sagen, was zu dieser Entwicklung beigetragen hat.

Wichtigster Faktor ist, dass im Nordirak ein kurdischer Staat entstanden ist – mit allen Attributen eines Staates außer der internationalen Anerkennung. Die Wirtschaft gedeiht dank der Erdöleinnahmen und einer guten Sicherheitslage, und nur in der multiethnischen Region Kirkuk, deren Zugehörigkeit durch ein Referendum geklärt werden soll, gibt es Anschläge.

Eine formelle Unabhängigkeit kann die Regierung in der „Hauptstadt“ Erbil nicht anstreben, denn das würde die Türkei zum Eingreifen veranlassen, und man will das Erreichte nicht gefährden. Solidarität mit den anderen Kurden ist da nachrangig. Das aber rückt eine Sezession der türkischen Kurdengebiete in unerreichbare Ferne – was Ankara mehr Spielraum gibt und die PKK zu Zugeständnissen zwingt. Die irakischen Kurden sind die einzigen, die vom US-Einmarsch profitieren konnten. Und sie sind dankbar: Im Nordirak befinden sich wichtige Basen von CIA und Mossad für Spionage und Subversion im Iran. Aber auch hinter der neuen türkischen Initiative stehen die USA, denn das Kurden-Problem ist ein Haupthindernis für die von den USA gewünschte EU-Aufnahme der Türkei.

Ein weiterer Faktor ist die Abkühlung zwischen der Türkei und Israel. In der Türkei dominiert heute eine antiisraelische und antijüdische Stimmung. Für eine islamistisch orientierte Bewegung wie die AKP, der Partei des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan, sind ethnische Unterschiede zwangsläufig weniger wichtig als religiöse, weshalb sich Erdogan mit den Kurden leichter tut als die laïzistische Opposition. Zudem hatte sich Erdogan bereits bei dem über türkischen Luftraum geführten israelischen Angriff auf eine mutmaßliche syrische Atom-Anlage im September 2007 hintergangen gesehen. Und der Ausbruch des Gaza-Kriegs löste bei ihm einen regelrechten Wutanfall aus, denn erst einen Tag davor war Israels Ministerpräsident Ehud Olmert zu Gast in Ankara gewesen. Israel hat mittlerweile bekanntgegeben, dass es keine Neuauflage von Erdogans Vermittlung im Konflikt um die von Israel annektierten syrischen Golan-Höhen geben werde.

Beträchtlichen Einfluss auf die Entwicklung hat das Fernsehen. Mehr als ein Dutzend kurdische Satelliten-Kanäle mit unterschiedlichen Ausrichtungen und Zielgruppen, darunter die iranischen Kurden, sind – auch in Europa – über Hotbird und Turksat zu empfangen. Um dem in Dänemark stationierten PKK-nahen ROJ-TV Konkurrenz zu machen, strahlt seit Jahresbeginn sogar der türkische Rundfunk durchgehend ein kurdisches Programm aus.

Das führt zur Frage, wie groß der Einfluss der PKK wirklich ist. Öcalan, der 1999 unter Mithilfe des Mossad aus Kenia in die Türkei verschleppt und dort zunächst zum Tode verurteilt worden war, wird von vielen Kurden „Apo“ – „Onkel“ – genannt. Das belegt, dass er zumindest einige Sympathien genießt, selbst von Kurden, die gewaltsamen Widerstand ablehnen. Man sollte nicht vergessen, warum die PKK – wie andere Befreiungsbewegungen – einst in kommunistisches Fahrwasser geriet: Weil der Kreml darin eine Chance sah, das Nato-Mitglied Türkei zu destabilisieren. Aber das sieht längst anders aus, und die Türkei ist heute ein wichtiger Wirtschaftspartner Russlands.

Die türkische Regierung weigert sich bisher beharrlich, mit der PKK zu verhandeln. Wohl aber spricht sie mit der größten erlaubten Kurden-Partei DTP – die von radikalen türkischen Nationalisten als verlängerter Arm der PKK bezeichnet wird. Indirekt wird dies durch Äußerungen von DTP-Abgeordneten sogar bestätigt: Eine Lösung ohne PKK und Öcalan werde es nicht geben. Doch vielleicht sollten sich die Gesprächsverweigerer einschließlich EU und USA einmal daran erinnern, wie das mit Nelson Mandela war. Und mit etlichen anderen ...          Richard G. Kerschhofer


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