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22.08.09 / Letzte Reserven bald verbraucht / Mancher Mittelständler wird die nächsten Monate nicht überstehen – Umfrage einer Beratungsfirma

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-09 vom 22. August 2009

Letzte Reserven bald verbraucht
Mancher Mittelständler wird die nächsten Monate nicht überstehen – Umfrage einer Beratungsfirma

Die Erholung der Wirtschaft kommt. Doch sie wird schwach ausfallen und ihr könnte schon im  Winter die nächste Delle folgen. Viele Mittelständler werden da auf der Strecke bleiben, warnen die Unternehmensberater von Ernst & Young.

Ungeachtet der kaum erwarteten Stabilisierung der deutschen Wirtschaft im zweiten Vierteljahr schallen schon wieder Alarmrufe durchs Land. Sie kommen von einer großen Zahl mittelständischer Unternehmen, für die die konjunkturelle Erholung schlicht zu spät kommen könnte: Ihnen geht vorher das Geld aus.

Mit rabiaten Sparmaßnahmen, Kurzarbeit und sogar dem Einsatz von Privatvermögen haben Inhaber mittelständischer Unternehmen ihre Läden bislang durch die Krise gesteuert. In einer Umfrage der Unternehmensberatung „Ernst & Young“ unter 700 Klein- und Mittelbetrieben gaben 15 Prozent an, dass sie in Gefahr gerieten, wenn die Krise sich noch länger als sechs Monate hinzieht, dabei sind zwei Prozent, die meinen, nicht einmal mehr zwei Monate ohne Existenzprobleme überstehen zu können.

Dass die Selbstsicherheit vieler Unternehmen gelitten hat, belegt auch ihre Antwort auf die Frage, in welcher Verfassung ihr Betrieb wohl aus der Krise herauskommen werde. Im Januar meinten noch 42 Prozent, sie würden gestärkt daraus hervorgehen. Aktuell erwarten dies nur noch 35 Prozent. Der Anteil derer, die glauben, geschwächt aus dieser Krise hervorzugehen, wuchs im selben Zeitraum hingegen von 21 auf 26 Prozent an.

Allein zwischen Januar und Juli haben sich die negativen Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf die kleinen und mittleren Unternehmen dramatisch verschärft. Gaben zu Jahresbeginn nur 33 Prozent an, Rück-gänge im Inlandsgeschäft zu verbuchen, so waren es zuletzt 55 von Hundert. Beim Auslandsgeschäft erhöhte sich der Anteil der Gebeutelten von 17 auf 30 Prozent. Auch die befürchtete „Kreditklemme“ spüren die Mittelständler deutlich stärker: Von 14 auf 37 Prozent stieg der Anteil derer von Januar bis Juli, die es schwieriger finden, bei ihrer Hausbank ein Darlehen zu bekommen, so die Ergebnisse von „Ernst & Young“. Immer häufiger bringen Mittelständler zudem krisenbedingt andere Betriebe in Schwierigkeiten: Rechnungen blieben spürbar länger unbezahlt, beklagten sich die Unternehmen in der Umfrage. Da die Kunden der Klein- und Mittelbetriebe oftmals ihrerseits mittelständische Unternehmen sind, grassiert die Liquiditätsschwäche so von Betrieb zu Betrieb weiter.

Immerhin haben sich die Erwartungen für die Zukunft im Vergleich zum Sommer vergangenen Jahres rasant aufgehellt. Im Juli 2009 sagten 32 Prozent voraus, dass die wirtschaftliche Lage Deutschlands in den kommenden sechs Monaten verbessern werde. Im Juli 2008 blickten nur neun Prozent optimistisch auf das Folgehalbjahr, während 56 Prozent eine Verschlechterung erwarteten – womit sie recht behalten sollten. Der Anteil der Pessimisten hat sich im Juli 2009 auf 27 Prozent mehr als halbiert. In diesen relativ optimistischen Erwartungen spiegelt sich bereits die wirtschaftliche Stabilisierung im zweiten Vierteljahr, als das deutsche Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorquartal um 0,3 Prozent zulegt hatte. Dass der Rück-stand gegenüber dem Vorjahreszeitraum immer noch bei desaströsen 7,1 Prozent lag, darf dabei nicht übersehen werden. Das war der höchste Wert in Friedenszeiten seit 1932, als die deutsche Wirtschaft im Vergleich zum Vorjahr um 7,5 Prozent geschrumpft war.

Mit Hinblick auf die 1930er Jahre warnen Experten denn auch angesichts der jüngsten Aufhellung vor zu viel Euphorie. Damals erreichte die Wirtschaft ihre Talsohle auch erst nach mehreren Zwischenhochs. Indes geht die große Mehrheit der Fachleute heute davon aus, dass 2009 tatsächlich schon der Tiefpunkt war. Allerdings werde die Erholung nach einem belebten Herbstaufschwung erst einmal wieder an Fahrt verlieren.

Was wir jetzt erlebten, sei nämlich die Spätwirkung jener   Schockstarre, die von September 2008 an die Märkte regelrecht zusammenbrechen ließ. In diese Starre waren die Unternehmen mit vollen Lagern gegangen, bestückt in sonnigen Tagen, als man noch darüber stritt, ob sich eine Immobilienkrise überhaupt zur Bankenkrise auswachsen und anschließend gar auf die Realwirtschaft überspringen könnte. Diese hohen Lagerbestände sorgten dafür, dass die Bestellungsmengen in den Keller rasselten. Nun seien die Bestände aber abgebaut und es werde wieder nachbestellt.

Ab Winter 2010 sehen die Fachleute indes Ungemach von anderer Seite. Der Nachholbedarf bei den Bestellungen sei dann abgebaut, gleichzeitig würde wegen zunehmender Firmenpleiten (erstes Halbjahr 2009 plus 14 Prozent gegenüber Vorjahreszeitraum) und auslaufender Kurzarbeit die Arbeitslosigkeit spürbar steigen. Das werde die Nachfrage der Endverbraucher bremsen, was sich in einer konjunkturellen Delle Anfang 2010 niederschlagen werde. Laut „Ernst & Young“ erwartet die Mehrheit der befragten Betriebe eine vollständige Erholung der deutschen Wirtschaft denn auch erst für den Sommer 2011.

Bis dahin sind zwei Szenarien denkbar: Als wahrscheinlich wird erachtet, dass ab diesem Herbst leichte Aufschwünge und seichte Dellen einander abwechseln; dies verhieße einen langsamen, mühevollen und stets gefährdeten Wiederaufstieg. Das weniger wahrscheinliche Szenario sieht weitaus düsterer aus und kalkuliert mit weiteren schweren Einbrüchen. In diesem Falle gerieten nicht nur 15, sondern 65 Prozent der Klein- und Mittelbetriebe in Existenznot.                Hans Heckel

Foto: Gummigranulate aus Altreifen: Die Nachfrage lässt auch hier zu Wünschen übrig.


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