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22.08.09 / Ulla Schmidt – Dienstreise ins Land des Lächelns

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-09 vom 22. August 2009

Gastbeitrag:
Ulla Schmidt – Dienstreise ins Land des Lächelns
von Hans-Jürgen Mahlitz

Nein, den „Orden wider den tierischen Ernst“ hat man ihr noch nicht angetragen – offenbar wird sie selbst in ihrer Heimatstadt für solch karnevalistische Würden nicht hinreichend ernst genommen. Die Aachener Frohnatur Ursula „Ulla“ Schmidt machte sich vollends zur Lachnummer der Nation, als sie sich jüngst während des Spanien­urlaubs ihren Hochsicherheits-Dienstwagen klauen ließ.

Heftig war und ist noch die öffentliche Erregung über das unrühmliche Ende einer Dienstfahrt, die auf einmal keine mehr gewesen sein soll – erst nachträglich, also nachdem sie erwischt worden war, deklarierte Frau Ministerin die 5000-Kilometer-Tour zur eigenfinanzierten Privatreise. Gerade noch rechtzeitig, um vom Bundesrechnungshof den kaum überzeugenden Persilschein zu ergattern. Wie die Nutzung des Dienstwagens in den Jahren zuvor zu bewerten ist, wird derzeit allerdings noch diskutiert.

Immerhin schien damit der Dienstwagen-Skandal um einige Erregungsstufen heruntergefahren. Dem Steuerzahler, in Wahlkampfzeiten gern und von allen Seiten hofiert, war ja kein Schaden entstanden, die Nutzungsvorschriften waren, zumindest formell, eingehalten. Und dass man sich, so man die Möglichkeit dazu hat, auch mal das eine oder andere kleine Privileg gönnt – das soll ja nicht nur bei Politikern, sondern auch „im wirklichen Leben“ vorkommen. Otto Normalverbraucher neigt dazu, solche Mitnahme- und Selbstbedienungsmentalität nicht mehr als skandalös zu empfinden.

So konnte denn Ulla Schmidt mit ein paar Tagen Verspätung ins Wahlkampfteam des SPD-Möchtegern-Kanzlers Frank-Walter Steinmeier nachrücken – und genau das ist der eigentliche Skandal. Offenbar ist die Personalschwäche der deutschen Sozialdemokratie bereits so eklatant, dass die schlechteste Gesundheitsministerin aller Zeiten dem Volk erneut als Kandidatin für dieses wichtige und sensible Ressort zugemutet wird.

Seit nunmehr achteinhalb Jahren nervt die ewig fröhliche Aachenerin Freund und Feind mit aufgesetztem Gute-Laune-Lächeln. In immer kürzeren Zeitabständen verkündet sie strahlend den erfolg­reichen Vollzug ihrer wieder einmal allerneuesten Gesundheitsreform. Und selbst wenn sie sich mal mit Ärzten, mal mit Patienten, mal mit den Kassen und mal mit der Pharmaindustrie anlegt, steht der persönliche Heiterkeitserfolg im Zentrum ihrer Bestrebungen.

Nun könnte man ja sagen: Was soll’s, bei unseren heutigen Politikern haben wir eh nichts zu lachen, längst ist „Schluss mit lustig“ wie ZDF-Moderator Peter Hahne konstatiert, also freuen wir uns doch über Ulla Schmidt als letzten Hort der Fröhlichkeit in diesen traurigen Zeiten! Doch wenn man die politische Bilanz dieser dauerlächelnden Gesundheitsministerin unter die Lupe nimmt, bleibt einem schnell das Lachen im Halse stecken. Während ihrer Amtszeit stiegen die Beitragssätze in der Gesetzlichen Krankenversicherung von durchschnittlich knapp unter 14 Prozent auf nunmehr bundeseinheitlich 15,5 Prozent; zwar gehen sie nun passend zum Wahltermin wieder geringfügig zurück, was jedoch nur durch deutlich höhere Bundeszuschüsse erreicht werden kann. Denn dank Schmidt’schem Reformeifer steuern die Krankenkassen auf ein Rekord-Defizit von 10,5 Milliarden Euro zu.

Derweilen klagen die Patienten über schleichenden Abbau von Leistungen. Die Ärzteschaft fühlt sich spätestens bei Abgabe der Einkommenssteuererklärung als kollektives Opfer der Reform-Ministerin. Und die Pharmaindustrie unseres Landes, das einst voller Stolz als „Apotheke der Welt“ galt, sieht sich − aus eigener Perspektive natürlich zu Unrecht – von der Politik an den Pranger gestellt (wobei die Tatsache, dass deutsche Medikamente nirgends so teuer sind wie in Deutschland, mit dem Hinweis auf hohe Forschungs- und Entwicklungskosten nicht glaubwürdig zu erklären ist).

Anfang 2001 war Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) wegen ihres glücklosen Umgangs mit der sogenannten BSE-Krise zurückgetreten; Nachfolgerin wurde die einem breiteren Publikum bis dato unbekannte Ulla Schmidt. Die BSE-Krise war wenig später aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. So war der einzige nachhaltige Schaden, den der Rinderwahnsinn über Deutschland gebracht hat, die Inthronisation der in allen Lebenslagen heiteren Aachenerin. Zum sich abzeichnenden Ende ihrer Dienstzeit hinterlässt sie nur Verlierer. Was sie freilich nicht hindert, nach wie vor sich selber für die größte Reformerin aller Zeiten zu halten.

Ein kurzer Blick zurück lehrt uns da völlig anderes. Die wahre „Mutter aller Gesundheitsreformen“ nämlich ist hochbetagt – Jahrgang 1883. Damals führte Otto von Bismarck im Deutschen Reich die gesetzliche Krankenversicherung für gewerbliche Arbeiter ein. Ein Jahr später ließ er die Unfallversicherung folgen, 1889 rundete er mit der Alters- und Invalidenversicherung seine weltweit vorbildliche Sozialgesetzgebung ab. Wie hoch die Leistung des Eisernen Kanzlers zu bewerten ist, lässt sich ganz aktuell daran ermessen, dass eineinviertel Jahrunderte später US-Präsident Barack Obama mit einem ähnlich ambitionierten Projekt zu scheitern droht.

Bismarcks Sozialsystem, immer wieder behutsam den sich wandelnden Lebensbedingungen angepasst, trug fast ein Jahrhundert lang wesentlich zu sozialem Frieden, Sicherheit und Ludwig Erhards „Wohlstand für alle“ bei. Dann aber geriet das System in eine gefährliche Schieflage – es begann, unfinanzierbar zu werden. 1977 griff der Gesetzgeber massiv ein. Allerdings tönten die Politiker noch nicht von „Gesundheitsreform“, sondern versuchten, unter der prosaischen Bezeichnung „Kostendämpfungsgesetz“ der Defizite Herr zu werden.

Unter anderem wurden erstmals die Ärzte mit einem Arzneimittelbudget gedeckelt. 1982 legte der Bundestag mit einem „Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz“ nach. 1983 folgte ein „Haushaltsbegleitgesetz“, das unter anderem die beitragsfreie Krankenversicherung für Rentner kippte.

1989 schlug die Stunde des Norbert Blüm. Der CDU-Politiker mit der sicheren Rente (seiner eigenen?), als Polit-Clown ein würdiger Vorgänger Ulla Schmidts, führte den Begriff „Gesundheitsreform“ ein. Dahinter verbargen sich höhere Eigenleistungen der Versicherten bei Medikamenten, Krankenhausaufenthalt oder Zahnbehandlung. Da aber auch bei allen folgenden Reformschritten die Einsparungen durch die zwecks ihrer Erzielung installierte Bürokratie aufgefressen wurden, stiegen trotz geringerer Leistungen die Beiträge.

Ulla Schmidt blieb dieser Linie treu, machte das System immer undurchsichtiger und Gesundheit für die Versicherten immer teurer, nicht ohne bei jedem Schritt das exakte Gegenteil anzukündigen. Und wenn nur noch blanker Populismus über die Glaubwürdigkeitslücke hinweghelfen kann, müssen Ärzte und Privatpatienten herhalten, getreu der altsozialistischen Utopie, man könne die Armen reicher machen, indem man die Reichen ärmer macht. Betrachtet man Ulla Schmidts politischen Werdegang, wundert man sich nicht darüber: Die ultralinke Mottenkiste ist ihr aus der Zeit ihrer ersten Bundestagskandidatur vertraut – 1976 trat sie für den maoistischen „Kommunistischen Bund Westdeutschland“ an. Mit so überschaubarem Erfolg, dass sie 1983 beschloß, doch lieber bei der SPD Karriere zu machen. Deren jähes Ende nun droht – durch das sich abzeichnende Wahldebakel der Genossen oder vielleicht doch durch die Dienstwagenaffäre, die nach den jüngsten Enthüllungen wieder an Fahrt gewonnen hat.


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