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29.8.09 / Berlin umjubelt den Kaiser / Geschichtsfestival »Historiale« versetzt die Hauptstadt für Tage in die Vergangenheit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-09 vom 29. August 2009

Berlin umjubelt den Kaiser
Geschichtsfestival »Historiale« versetzt die Hauptstadt für Tage in die Vergangenheit

Es ist allgemeine Auffassung, dass die Geschichte ein unumkehrbarer, linear verlaufender Prozess sei. Doch gibt es immer wieder Momente, die daran zweifeln lassen – und sei es nur mittels der Fiktion. In beeindruckender Weise zeigt sich das einmal jährlich in Berlin. Anlass hierfür ist die „Historiale“, die – ausgerichtet seit 2006 – als das größte Geschichtsfestival Europas gilt.

In diesem Jahr geht sie über fünf Tage bis zum morgigen Sonntag und ist der Kaiserzeit von 1871 bis 1918 gewidmet. So verwandelten sich die Straßenzüge zwischen Brandenburger Tor und Nikolaiviertel in Flaniermeilen des 19. Jahrhunderts. Zum Höhepunkt fahren gleich alle drei Kaiser (Wilhelm I. und II., Friedrich III.) mit ihren Gattinnen in prunkvollen Kutschen durch das Brandenburger Tor, begleitet von Hofstaat und Husareneskorte. In einer farbenprächtigen Parade geht es zur historischen Wiege Berlins, dem Nikolaiviertel. Hier haben die Macher einen Historischen Markt aufgebaut, an dem sich über 40 Stände von Handwerkern und Museen beteiligten sowie 300 Geschichtsdarsteller, Tänzer und Musiker.

Das Festival fällt auf in einer Zeit, in der der Blick zurück meist auf die vergangenen 80 Jahre verkürzt wird. Dass die heutige Generation mehr wünscht, belegt das Publikumsinteresse. Waren im ersten Jahr unter dem Motto „Napoleon in Berlin“ 30000 Gäste gekommen, belief sich ihre Zahl 2007, als es um „Die preußischen Reformen von 1807-1813“ ging, schon auf 50000. Vergangenes Jahr, zu „160 Jahre Märzrevolution – Europas Jugend nach Berlin“ kamen dann 70000 Besucher. Dieses Jahr nun sind 100000 angepeilt.

Zu den zahllosen Angeboten des Historiale-Festivals gehören neben Filmvorführungen („Der Untertan“, „Majestät brauchen Sonne“) auch Stadt- und Museumsführungen, die den Besuchern die Kaiserzeit nahebringen. Kunsthistoriker und Stadtführer seien dabei „ständige Ansprechpartner“, versichert Historiale-Chef Wieland Giebel von der Buchhandlung „Berlin Story“. Erstmals wurde auch ein Kongress zum diesjährigen Motto ausgerichtet, an dem sich Museumsleiter, Hochschulprofessoren, Historiker und Publizisten beteiligen. Zu den Fragen, die hier erörtert wurden, gehört neben der „Arbeiterbewegung im Deutschen Reich“ und den „Frauenbewegungen der Kaiserzeit“ auch Bismarcks Diplomatie und die Streiche von Kaiser Wilhelm II. während seiner Primanerzeit.

Was bedeutet dieses Spektakel nun für die Gegenwart? Da die Geschichte offen ist, kann an dieser Stelle als mögliche Antwort getrost Philip Prinz von Preußen zitiert werden, ein Ururenkel des letzten deutschen Kaisers. Anlässlich einer Festveranstaltung zum 300. Todestag der Preußen-Königin Sophie Charlotte äußerte der aus der Erbfolge gefallene Hohenzollernspross als „Königliche Hoheit“ sinngemäß, dass die Idee, den Kaiser Wilhelm wiederhaben zu wollen, wohl einer tief verwurzelten Bedürfnis entspräche. Nicht umsonst würde die Nachricht von der Vermählung Prinz Charles’ in den öffentlich-rechtlichen Nachrichten als erste Meldung gebracht, während ähnliche Verlautbarungen von deutschen Politikern allenfalls am Ende der Sendung Erwähnung fänden. Peter Westphal


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