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29.8.09 / Der Star des »Ring« war Christian Thielemann / Bayreuther Festspiele 2009: Die Töchter Wolfgang Wagners setzten auf Bewährtes – »Magischer Ort«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-09 vom 29. August 2009

Der Star des »Ring« war Christian Thielemann
Bayreuther Festspiele 2009: Die Töchter Wolfgang Wagners setzten auf Bewährtes – »Magischer Ort«

Erstmals in diesem Jahr haben die Töchter Wolfgang Wagners, Katharina und Eva, das Geschehen auf dem grünen Hügel bestimmt. Seit dieser Saison leiten sie gemeinsam die Bayreuther Festspiele, wenn auch nicht mehr auf Lebenszeit wie ihr Vater, aber doch sechs Jahre lang. Katharina tritt schwerpunktmäßig nach außen auf, übernimmt also die Öffentlichkeitsarbeit und führt auch Regie. Eva, die lange Jahre ähnliche Arbeit beim Festival in Aix-en-Provence leistete, schließt Verträge mit Regisseuren, Dirigenten und Sängern ab und leitet die laufende Verwaltung. Beider Konzept ist: Das Bewährte beibehalten, und mit Neuerungen behutsam umgehen. Es wird beim Festspielcharakter Bayreuths bleiben, mit festem Zeitplan im Juli und August wie bisher, und es wird nur das Werk Richard Wagners aufgeführt. Damit bleibt der seit Jahrzehnten weltweit bekannte und geschätzte Rahmen Bayreuths erhalten.

Ansonsten geht man an die Öffentlichkeit: Schon 2008 waren per öffentlicher Übertragung auf Großbildschirmen die Meistersinger zu sehen, 2009 nun Tristan und Isolde. Die Aufnahme durch das Publikum war überwältigend: Beide Male kamen 30000 bis 40000 Besucher. Dazu wurde in diesem Jahr der „Fliegende Holländer“ in einer besonderen Bearbeitung für Kinder vor begeisterten jungen und jüngsten Zuschauern auf einer der Probebühnen des Festspielhauses aufgeführt. Und was beiden Schwestern natürlich ein besonderes Anliegen ist: die künstlerische Qualität in Regie und Musik zu steigern, so dass Bayreuth wieder weltweit richtungsweisend für Wagner-Aufführungen wird.

Bayreuth ist schließlich nicht irgendein Festspielort, es ist ein magischer Ort, der Publikum und Mitwirkende seit weit über 100 Jahren in seinen Bann zieht. Die Geschichten, die Wagner erzählt, passen nicht in das Gewand, das ihnen so manche Regisseure in den letzten sechs, sieben Jahren verpassen wollten.

Es sind gewaltige Geschichten, voller Mythos, die ernst zu nehmen sind, und das Narrenkostüm steht ihnen gar nicht. Hoffen wir, dass der genius loci des Festspielhauses nicht weiter demontiert wird. Entscheidend ist, dass sich das Publikum und nicht nur die Kritik in Bayreuth wohlfühlt. – In „Parsifal“ geht es um den Mythos vom Opfer des einen, der die Last der andern auf sich nimmt: eben die Parallele zum Erlösungsgeschehen des Christentums. Um es vorweg zu nehmen: Stefan Herheims Inszenierung genügt einer Reihe von Anforderungen an die Regie. Sie ist ernsthaft gemeint, schlüssig, ästhetisch und musikalisch. Sein Gesamtkonzept ist auf das Gesamtkunstwerk abgestellt: Es verbindet geschickt die Geschichte Parsifals und seiner Gestalten mit der Geschichte Deutschlands seit der Reichsgründung und mit der Geschichte der Familie Wagner. Das ist neu und originell. Ohne jede Oberlehrerhaftigkeit mit erhobenem Zeigefinger wird uns in ästhetischen Bildern eindrucksvoll diese Dreifachhandlung – Parsifal, Deutschland, Wagner – vor Augen geführt. Man merkt, dass Herheim Musik und Oper kennt und schätzt, im Gegensatz zu dem einen oder andern „Regisseur“, der in Bayreuth während der letzten Jahre „am Werk“ war. Trotz der mannigfaltigen Regieeinfälle waren Handlung und Musik, Orchester wie Gesang, synchron, wie es sein muss und behinderten sich nicht gegenseitig. Eine intellektuelle und ästhetische Produktion. Man muss mitdenken, und man hat etwas fürs Auge, opulent bisweilen und mit viel Bewegung, aber nie mit Aktionismus, was dem an sich statuarischen Werk gut tut!

Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ erzählt die ewige Geschichte vom Untergang und vom Neuanfang, von Menschen und von Göttern. Tankred Dorsts Regiekonzept fügt zu den vom Komponisten vorgegebenen Ebenen die Zeitebene hinzu, um die Aktualität der Werksaussagen deutlich zu machen. Die Umsetzung seiner Einfälle ist häufig allerdings nichtssagend, beiläufig, erläuterungsbedürftig, vor allem wenn Dorsts sonderbare Regieeinfälle über den Zuschauer hereinbrechen: Ein Riesengockel stolziert hinter Gunter her, eine nackte Frau mit Kavalieren erinnert an Manets „Frühstück im Grünen“ – die Gruppe nimmt Hagen fast den Platz zum Agieren weg.

Der Star der Tetralogie ist ohnehin der in Berlin geborene Dirigent Christian Thielemann. Er zeigt, wie Wagner allem eine Stimme verleiht und alles tönen lässt (Nietzsche). Nichts wird zugedeckt, sondern unterstrichen, es ist eine Freude, wie sich Handlung und Musik verweben. Aber wenn es drauf ankommt, dann bricht das Verhängnis in Tönen herein. Der besonders langsame Walkürenritt und der Trauermarsch nach Siegfrieds Tod (bei geschlossenem Vorhang) lassen aufhorchen: Thielemann gehört in die Reihe der großen Wagnerdirigenten. Sein Dirigat ist gleichzeitig von archaischer Gewalt und hoher Transparenz – nichts geht verloren, und nie ist es bloß spektakulär.

Bis 2015 will Thielemann permanent in Bayreuth dirigieren. Dann wird auch eine Neuinszenierung von Tristan und Isolde durch Katharina Wagner auf dem Programm stehen.

Irmgard u. Werner Dremel/PAZ

Foto: Dirigat von archaischer Gewalt: Christian Thielemann begeistert nicht nur in Bayreuth das Publikum.       Bild: Internet


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