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29.8.09 / Das Schicksal der Marienburg / Der größte Backsteinbau Europas wurde vor 700 Jahren politisches Zentrum des Deutschordensstaates

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-09 vom 29. August 2009

Das Schicksal der Marienburg
Der größte Backsteinbau Europas wurde vor 700 Jahren politisches Zentrum des Deutschordensstaates

Von 1309 bis 1454 war die Marienburg Sitz der Hochmeister des Deutschen Ordens und damit Herrschaftszentrum des Deutschordensstaates. In dieser Funktion, aber auch danach, hatte der größte Backsteinbau Europas eine bewegte Geschichte.

Der Deutsche Orden war aus der Verbindung des adligen Rittertums mit monastischen Traditionen entstanden. Er wurde während der Belagerung der im heutigen Nordisrael gelegenen Stadt Akkon von 1189 bis 1191 unter dem Namen „Orden der Ritter des Hospitals St. Marien des Deutschen Hauses oder der Deutschen zu Jerusalem“ gegründet. Die Erhebung zu einem eigentlichen Ritterorden erfolgte 1199. Die zunehmenden Spannungen zwischen den erstarkenden mittelalterlichen Königtümern und den christlichen Orden bedrohten diese und führten 1307 zum Ende des Templerordens. Diese Tatsache bedeutete auch für den Deutschen Orden eine gewisse Bedrohung. Der Orden hatte nach dem Verlust seiner Eroberungen im Heiligen Land im Jahr 1291 seinen Sitz nach Venedig verlegt und musste sich nun neue Betätigungsfelder erschließen. Letztere fand er im Nordosten des Reiches. Es war daher folgerichtig, dass der Hochmeister Siegfried von Feuchtwangen den Hauptsitz des Ordens im September des Jahres 1309 in die Marienburg verlegte, um die in den Ordenskapiteln festgelegte Aufgabe der Missionierung der Heiden vor Ort wahrnehmen zu können.

Als diese Entscheidung fiel, hatte die Marienburg bereits über 30 Jahre bestanden. Denn das Schloss Marienburg war durch Konrad von Thierberg, der von 1273 bis 1279 Landmeister des Deutschen Ordens in Preußen gewesen war, um 1274 in zweijähriger Bauzeit errichtet worden. Einen quadratischen Hof umschlossen vier mehrgeschossige Flügel, in denen sich neben dem Kapitelsaal und der Kapelle die Speise- und Schläfsäle der Ritter befanden.

Da die vorhandene Burg ab 1309 als Hauptsitz des Ordens mit dem für den Hochmeister notwendigen Verwaltungsapparat und als Ausgangspunkt für die weitere Unterwerfung der östlich davon liegenden Ländereien zu klein war, wurden insbesondere in den Jahren 1324 bis 1341 umfangreiche Erweiterungsbauten errichtet. Die an der Südostecke des Hochschlosses gelegene Marienkirche wurde mit einem acht Meter hohen Relief der Jungfrau Maria geschmückt, dessen goldene, blaue und rote Mosaike weithin sichtbar waren. Die Vorburg nordöstlich der Burg wurde noch weiter nach Nordosten verlegt und das Mittelschloss sowie der imposante Palast des Hochmeisters als Anbau an den zur Nogat liegenden Flügel neu errichtet. Dieser repräsentative Profanbau wurde um 1400 fertig und weist neben gotischen Elementen auch italienische und flämische Einflüsse auf. In der dann entstandenen Vorburg befand sich neben Wirtschaftsräumen und Speichern eine Kapelle für die Dienerschaft und weibliches Personal. Zahlreiche Mauern und Gräben, in welche die Nogat umgeleitet wurde, dienten der Verteidigung der Gesamtanlage. An der Burg wurde bis zum Ende des 14. Jahrhunderts gebaut. Die größte Backsteinanlage der Welt entstand.

Seit dem Niedergang des Deutschen Ordens hatte die Marienburg ein wechselvolles Schicksal. 1457 wurde sie von den vom Orden angeworbenen Söldnern an den König von Polen verkauft; der Hochmeister wählte Königsberg zu seiner Residenz. 1466 wurde ganz Westpreußen polnischer Besitz und die Burg Sitz polnischer Starosten. Die Marienburg hatte ihre Hoch-Zeit überschritten. Als Friedrich der Große (1712–1786) sie 1772 mit ganz Westpreußen durch die Erste Polnische Teilung für Preußen erwarb, erwähnte er sie nur noch als historische Reminiszenz. Sie verfiel mit der Zeit und sollte 1803 sogar abgerissen werden.

Der in Tilsit geborene Dichter der Freiheitskriege Max von Schenkendorf (1783–1817) machte gerade noch rechtzeitig durch einen Zeitungsartikel auf den drohenden Kulturfrevel aufmerksam. Auch der Dichter der Romantik Joseph von Eichendorff (1788–1857) setzte sich für die Erhaltung der Marienburg ein. So kam es, dass von 1817 bis 1842 eine gründliche Restauration der Burganlage begann. Karl Friedrich Schinkel (1781–1841), der die Burg 1819 besuchte, unterstützte die Maßnahmen: „Die Schönheit der Verhältnisse, die Kühnheit der Gewölbe in den Remtern, die Originalität und Consequenz der Fassaden … sucht man anderswo überall vergeblich.“ Der Ablauf der Wiederherstellung wurde von Joseph von Eichendorff mit einer schönen Publikation „Die Wiederherstellung des Schlosses der deutschen Ordensritter zu Marienburg“ (Berlin, 1844) dokumentiert. Als am 12. und 13. September 1872 in der teilweise renovierten Burg im Beisein von Kaiser Wilhelm I. (1797–1888) Feierlichkeiten zum „Heimfall“ Westpreußens 100 Jahre zuvor stattfanden, waren der Palast des Hochmeisters und das Mittelschloss noch nicht endgültig restauriert. Immerhin legte der Kaiser den Grundstein für ein monumentales Denkmal Friedrich des Großen von dem Königsberger Bildhauer Rudolf Siemering (1835–1905), das vor dem Haupteingang der Burg errichtet und 1877 enthüllt wurde. Es ist seit Kriegsende verschollen.

Im Zweiten Weltkrieg wurden weite Teile – insbesondere der Turm des Hochschlosses und die Marienkirche – zerstört. Im Mittelschloss gab es 1959 zwei verheerende Brände, deren Ursachen nicht genau geklärt werden konnten. Danach schritt die Restaurierung ständig voran, so dass die Burg inzwischen Ziel zahlreicher Touristen ist.         Jürgen Ziechmann

Foto: Siegfried von Feuchtwangen auf der Marienburg: Er machte den Bau zum Hauptsitz des Deutschen Ordens. 1803 sollte sie abgerissen werden.       Bild: Bildarchiv preußischer Kulturbesitz


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