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29.8.09 / Er ließ den Teltowkanal bauen / Der Polizeipräsident Berlins und Landrat Ernst von Stubenrauch starb vor 100 Jahren – Als Chef umtriebig und fordernd

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-09 vom 29. August 2009

Er ließ den Teltowkanal bauen
Der Polizeipräsident Berlins und Landrat Ernst von Stubenrauch starb vor 100 Jahren – Als Chef umtriebig und fordernd

Teltow bei Berlin: Zur Trauerfeier in der Berliner Garnisonkirche erschien fast alles, was in der Reichshauptstadt Rang und Namen hatte. Selbst das Kaiserpaar gab dem Toten das letzte Geleit. Dicht an dicht habe sich die Bevölkerung an den Straßen gedrängt, als der Sarg nach Genshagen gebracht wurde, berichtete die Presse. Dort auf dem Friedhof gegenüber dem Schloss fand von Stubenrauch seine letzte Ruhestätte. Bis ein Jahr vor seinem Tod waltete und schaltete dieser Ernst Leberecht Hugo Georg Colmar von Stubenrauch als Landrat im Teltow-Kreis – dem „Lieblingskreis“ des letzten Deutschen Kaisers.

Im Teltow lebten damals knapp 200000 Menschen. Dazu gehörten der Süden der heutigen Bundeshauptstadt einschließlich des Schlosses Charlottenburg und Teile von Potsdam. Wer hier erfolgreich als Verwaltungschef agieren wollte, musste unbedingt die entsprechenden fachlichen Voraussetzungen mitbringen und über eine gehörige Portion Menschenkenntnis verfügen.

Stubenrauch entstammt einer bürgerlichen Juristenfamilie. Geboren am 19. Juli 1853 im schlesischen Sagan wuchs er in Berlin auf. Als Kriegsfreiwilliger erlebte er 1871 die Belagerung von Paris. Nach den Deutsch-Französischen Krieg nahm er das Studium der Rechte auf, beschäftigte sich mit Verwaltungswissenschaften und Volkswirtschaft. Er legte das Referendar-Examen ab, arbeitete an verschiedenen Gerichten und bei der Polizei. Der junge Mann machte Karriere. Bereits mit 33 Jahren wurde er Landrat. Er setzte sich gegen einen adligen Gegenkandidaten durch. Das war zu jener Zeit noch eine kleine politische Sensation. Stubenrauch brachte ehrgeizige Projekte auf den Weg. Vor allem mit dem Ausbau des brandenburgischen Verkehrssytems – dem Straßenbau und der Errichtung des Teltowkanals – setzte er Zeichen. Um fast 300 Kilometer ist in seiner Amtszeit das Wegenetz des Kreises gewachsen. Auf sein Drängen hin fielen nach der Jahrhundertwende die Zölle für die Chaussee-Nutzung weg. Einen Namen hat sich Stubenrauch auch mit dem Bau von Krankenhäusern gemacht – in Zossen und Trebbin, in Lichterfelde und Mittenwalde, dem Oberlinhaus in Potsdam-Babelsberg. Es war die Ära des „Eisernen Kanzlers“ Otto von Bismarck, unter dessen Regierung das Deutsche Reich ein für die damalige Zeit weltweit einzigartiges Sozial- und Gesundheitssystem aufbaute. Und da war noch der 38 Kilometer lange Teltowkanal. Die künstliche Wasserstraße entstand zwischen 1900 und 1906. Sie verbindet Havel und Spree. Aus eigener Kraft brachte der Kreis Teltow die für den Bau notwendigen 50 Millionen Reichsmark auf. Kein einziger Pfennig kam vom Königreich Preußen oder aus den Kassen des Deutschen Reiches. Die Stubenrauchschen Visionen zahlten sich aus: Es gab kaum einen Ort links und rechts der Wasserstraße, der nicht seine Industrialisierung dem Kanal verdankte. Der Fortschritt hatte übrigens auch einen Preis. Als Stubenrauch die Amtsgeschäfte seinem Nachfolger übergab, soll er ihm einen Schuldenberg von 65 Millionen Reichsmark hinterlassen haben.

Einfach kann die Zusammenarbeit mit dem zwar umtriebigen, aber zugleich sprichwörtlich korrekten Landrat nicht gewesen sein. Was nämlich Stubenrauch von sich selbst abverlangte, das legte er auch seinen Untergebenen auf. Er forderte absolute Disziplin und unbedingte Einsatzbereitschaft. Das konnte im Extremfall bedeuten, dass bei Bedarf der Feierabend einfach ausfiel. Urlaub, so wird berichtet, habe man in der Regel nur bei Krankheiten einreichen können. Möglicherweise ist das aber auch nur eine der vielen Legenden, die sich schon zu Lebzeiten um das „Arbeitstier“ Stubenrauch bildeten. Jedenfalls soll er in seine „heimischen vier Wände“ immer ausreichend Arbeit mitgebracht haben. Seit 1891 lebte Stubenrauch in Genshagen auf dem Familienschloss seiner Ehefrau Frieda, einer geborenen Baronesse von Eberstein.

Wilhelm II. wusste die Stärken „seines“ Landrates zu schätzen und erhob ihn 1900 in den erblichen Adelsstand. Auch als Vorreiter für den Volkssport ist der Landrat in die preußische Geschichte eingegangen. Am Wannsee genehmigte er das erste Schwimmbad. Der Kampf gegen konservative Widersacher der Badeanstalt sei allemal kräfte­zehrender gewesen als das Durchboxen des Teltowkanals, soll Stubenrauch einmal geäußert haben. Vor allem die Polizisten seien „sauer“ gewesen. Konnten bislang die Gendarmen mit aller Schärfe des Gesetzes gegen Badende vorgehen, so mussten sie jetzt die Wassersport-Freunde schützen. 1908 ernannte der Kaiser Stubenrauch zum Polizeipräsidenten von Berlin. Noch gar nicht lange im Amt als oberster Ordnungshüter von Berlin, erkrankte er unheilbar an Kehlkopfkrebs. Während eines Kuraufenthaltes im Harz-Städtchen Schierke ist Ernst von Stubenrauch am 4. September 1909 gestorben – gerade mal 56 Jahre alt.           Karel Chemnitz


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