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05.09.09 / Wiederentdeckt: König Kunde / Handwerk und Mittelstand leiden unter der Kreditklemme

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-09 vom 05. September 2009

Wiederentdeckt: König Kunde
Handwerk und Mittelstand leiden unter der Kreditklemme

Wie jeder Krieg seine Kriegsgewinnler, so hat auch jede Krise ihre „Krisengewinnler“. Einer von ihnen – nennen wir ihn einfach Otto Normalverbraucher – berichtet uns:

Im Haus standen einige Umbauarbeiten an. Nichts Großes, hier zehn Quadratmeter Fliesen, da ein paar Steckdosen, hier eine Zimmerdecke einziehen, da ein Wasseranschluss. Aus früherer leidvoller Erfahrung weiß Otto N.: Das größte Problem wird es sein, für solchen Kleinkram überhaupt Handwerkertermine zu organisieren. Doch diesmal, im Zeichen der Krise, ist alles ganz anders. Ob Maurer, Bodenverleger oder Elektriker, Trockenbauer, Installateur oder Anstreicher, sie alle können kurzfristig Termine freibaggern, gern auch in den Abendstunden oder am Sonnabend.

Hat das Handwerk etwa den sprichwörtlichen goldenen Boden unter den Füßen verloren? Sind Aufträge so rar, dass selbst der von Reinhard Mey musikalisch verhöhnte Klempner alles annehmen muss, was sich überhaupt noch anbietet?

Nachfragen belehren uns schnell eines Besseren: Nein, die Auftragslage sei ausgesprochen gut, von Krise sei diesbezüglich nichts zu spüren, vernehmen wir staunend. Nur eins, so betonen übereinstimmend die befragten Handwerker, habe sich zum Schlechten gewandelt. Die Zahlungsmoral insbesondere der großen Bauträger und der Öffentlichen Hände werde immer schlechter. Immer länger müssten sie auf die Begleichung ihrer Rechnungen warten.

Und hier wirkt sich die Krise denn doch aus. Früher war es kein Problem, solche Liquiditäts-Engpässe durch Kredite zu überbrücken. Mit den als „Basel II“ bezeichneten Eigenkapitalregelungen, die Anfang 2007 europaweit eingeführt wurden, begann sich die Lage für den Mittelstand zu verschlechtern. Die Finanzkrise hat nun zu einer mit nichts zu rechtfertigenden Verschlimmerung geführt – billiges Geld ist zwar bei den Banken angekommen, nicht aber bei deren Kunden. Diese beschämende Praxis der Kreditinstitute wird uns sowohl von Handwerkskammern als auch von Mittelstandsverbänden bestätigt.

So haben viele Handwerker jetzt in der Krise den kleinen privaten Auftraggeber wiederent-deckt. Der zahlt in aller Regel prompt, sowie die Arbeit erledigt ist. Der Bürger, also unser Otto Normalverbraucher, zeigt sich hier wieder einmal vernünftiger als die Volksvertreter und Politiker – die haben es nämlich bislang mit all ihren Milliarden-Rettungspaketen nicht geschafft, die Geldinstitute dazu zu bringen, ihrer ureigensten Aufgabe gerecht zu werden und die Wirtschaft, insbesondere auch das mittelständische Handwerk, finanziell flüssig zu halten.

Otto N. persönlich kann es recht sein. Schnell und zuverlässig, wie man es leider in früheren Boom-Jahren nicht mehr gewohnt war, wurde bei ihm gehämmert und gebohrt, gefliest und verkabelt, verputzt und gestrichen. Der Krise sei’s gedankt – in der Dienstleistungswüste Deutschland kann der Kunde sich auf einmal wieder wie ein König fühlen.    H.-J. Mahlitz


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