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05.09.09 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-09 vom 05. September 2009

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

herzliche Grüße kann ich weitergeben. Sie kommen aus Texas von Frau Irmgard C. Pomper Gilland, deren Dankesbrief ich kürzlich veröffentlichte. Die gebürtige Cranzerin hatte eine Heimatreise unternommen, die dank der Hilfe unserer Leserinnen und Leser sehr erfolgreich und eindruckvoll verlief. Dies hatte sie in ihrem Brief zum Ausdruck gebracht. Und da sie Abonnentin unserer Zeitung ist, las sie die Veröffentlichung und war – wie auch ihr Ehemann Bill – so sehr darüber erfreut, dass unsere „Ostpreußische Familie“ mit der Veröffentlichung nun schön eingerahmt auf dem Flügel steht. Außerdem hat sie den Abdruck in unserer Kolumne an ihre Informanten in Deutschland weitergeleitet – na, bitte, das ist doch was!

Und noch ein schöner Erfolg ist zu vermelden Da hatten wir in Folge 28 ein etwa 100 Jahre altes Foto gebracht, das unser eifriger Leser und „Schatzsucher“ Heinz Czallner in einer auf dem Flohmarkt entdeckten Schachtel gefunden hatte. Es zeigt Schülerinnen einer Königsberger Haushaltsschule, weiß beschürzt und hoch frisiert, denn es durfte ja kein Haar in die Suppe fallen. Ich hatte gehofft, dass jemand aus unserem Leserkreis eine Verwandte auf dem Foto entdecken könnte, zumal auch noch einige Namen auf der Rückseite vermerkt waren. Und siehe da: Es hat geklappt. Lest, was Frau Inge Wenzek aus Celle schreibt:

„Als ich das Ostpreußenblatt in den Händen hielt und wie immer zuerst die Ostpreußische Familie lesen wollte und mir das Bild der Doennigschen Kochschule ansah, da dachte ich, meine Tante Christel sieht mich an. Da hatte ich noch nicht den Namen gelesen, der es bestätigte. Tante Christel, 1901 in Pr. Holland geboren, ist die älteste Schwester meines Vaters. Sie verstarb leider schon 1964, aber ich hatte sie vorher gebeten, ein Ahnenbuh für mich zu schreiben. Ich bin dankbar und glücklich, es zu besitzen.“ Und so nimmt Frau Wenzek, geborene Liedtke, diesen „Fund“ zum Anlass, auf Verwandtensuche zu gehen. Die Familie Liedtke hat in Elbing und Sensburg gelebt. Inge kam 1936 in Georgenburg zur Welt. Ihr Vater ist 1944 als Rittmeister gefallen. „Wunder gibt es immer wieder, wie wir ja wissen“ meint Inge Wenzek, der ich schon auf vielen LO-Seminaren begegnet bin, und die nun hofft, dass sich jemand aus der großen Familie Liedtke – zu der auch ein Tierarzt aus Allenstein und ein später in Mülheim an der Ruhr lebender Hautarzt gehören – bei ihr meldet. (Inge Wenzek, Schubertstr. 3 in 29223 Celle, Telefon: 05141 / 52804)

Ich bin vor allem darüber froh, dass sich meine Vermutung – es könnte sich auf dem Foto um Schülerinnen der Doennigschen Kochschule handeln – somit als richtig erwiesen hat. Inge Wenzeck kann sich noch daran erinnern, dass ihre Eltern immer gesagt haben: „Da gehst du auch einmal hin!“ Das Schicksal hat es anders gewollt, aber dem „Doennigschen“ ist sie treu geblieben, sie besitzt acht Ausgaben dieses Standartwerks der ostpreußischen Kochkunst von 1906 bis 1990. Allerdings wird man einige landestypische Gerichte darin vergeblich suchen wie „Kissehl“ oder „ Kakelinske“. Um letztere dreht sich die nächste Frage, die persönlich an mich herangetragen wurde und die nicht so unwichtig ist, wie sie scheint, weil sie für eine Veröffentlichung, in der die Herkunft dieses Namens eine Rolle spielt, benötigt wird. Das Rezept ist bekannt – es handelt sich eine Art mit Speck belegten Kartoffelkuchen, auch „Bäbb“ oder „Wiefke“ genannt –, aber es gibt zwei Versionen unter dieser Bezeichnung: „Kakelinski“ als Blechkuchen und „Kakelinskis“ für kleine Klöße oder Kuchen. Das entnehme ich der über 3300 ostpreußische Wörter und Redensarten enthaltenen Sammlung von Pfarrer i. R. Felix Arndt, die sich immer wieder als profunder Ratgeber erweist. Ich selber kannte weder die eine noch die andere Zubereitungsart, und deshalb muss ich die Frage weitergeben: In welchen Gegenden, in welcher Form und unter welcher Bezeichnung wurden diese Gerichte hergestellt? Wo liegt die sprachliche Quelle: im masurischen, im prussisch-litauischen oder im baltischen Sprachraum? Wer etwas dazu sagen kann, schreibe bitte an mich.

So langsam kommen nun auch die Landsleute zurück, die auf ihrer Sommerreise wieder einmal Heimatluft geatmet haben. Wie Herr Walter Perkuhn aus Oldenburg, der schon über 25mal „nach Hause“ fuhr, manchmal allein, jetzt mit seiner Frau, Sohn und drei Töchtern. „Alle Familienangehörigen haben jetzt Vaters Heimat gesehen und sprechen darüber, nun gehen Fotos und Erinnerungen hin und her“, schreibt Herr Perkuhn. Die elterliche Wohnung blieb erhalten und zu den heutigen Bewohnern hat sich eine freundschaftliche Beziehung entwickelt.“ Zu einem Gespräch, das der eigentliche Anlass zu diesem Schreiben ist, kam es mit einer Russin, der den Perkuhns vor dem neuen Einkaufscenter im ehemaligen Haus der Technik begegnete. Als junge Frau war Natalja Alexeejewna Sinizina schon während des Krieges aus der Ukraine nach Königsberg gekommen, wo sie in einem Haushalt arbeitete. Wahrscheinlich hat sie einen guten Kontakt zu der deutschen Familie gehabt, denn sie bat Herrn Perkuhn, nach deren Verbleib zu forschen. Die Russin konnte allerdings nicht den deutschen Namen der Straße nennen, es ist das Haus Nr. 73 in der heutigen Ulica Wozduschnaja. Auch an den Namen der Familie erinnert sie sich nur vage, wahrscheinlich lautete er „Meier“. Das macht natürlich die Suche nicht leichter. Vielleicht finden sich ehemalige Bewohner des Hauses, die sich an eine Familie erinnert, bei der eine ukrainische Haushilfe tätig war. Es müsste wohl eine sehr kinderreiche Familie gewesen sein, denn die bekamen in erster Linie während des Krieges diese Unterstützung. Doch darüber konnte Herr Perkuhn während des Gespräches nichts erfahren, zumal, wie er schreibt, „ihr Deutsch und mein Russisch nicht besonders gut sind“. Darum weiß er auch nicht, ob er Frau Sinizina richtig verstanden hat, als sie erzählte, dass sie eine Musikschule besucht hat und dort mit einem deutschen Mädchen befreundet war. Diese, Norma Geisler, soll in Berlin-Pankow wohnen. Herr Perkuhn wird versuchen, sich mit dieser Frau in Verbindung zu setzen. Sie könnte vielleicht auch bei der Suche nach der Familie Meier weiterhelfen. Ihre Liebe zur deutschen Musik bewies die Russin, als sie dem Ehepaar Perkuhn und ihrer Tochter mitten auf der Straße „O Tannenbaum“ vorsang. Und das im ostpreußischen Hochsommer bei fast 30°C. Jedenfalls empfanden das Ehepaar Perkuhn und ihre Tochter diese Begegnung als eine nette, überraschende Episode und hoffen, dass sie den Wunsch der Russin erfüllen können. Frau Sinizina ist unter der Kaliningrader Telefonnummer 4012 / 334112 zu erreichen. Aber das Gespräch müsste dann doch schon auf Russisch geführt werden. Herr Perkuhn vermittelt gerne. Seine Anschrift: Walter Perkuhn, Bloherfelder Straße 98A in 26129 Oldenburg, Telefon: 0441 / 53337.

Im Vorfeld des Treffens der „Königsberger Kinder“ vom 18. bis 21. September im Ostheim in Bad Pyrmont hat sich eine Suchfrage ergeben, auf die ich hier eingehen will. Zwar haben wir schon einmal nach Christel Wohlgefahrt, * 23. Dezember 1941 in Rauschbach, vermisst seit September / Oktober 1947 in Königsberg, gesucht – und nicht nur wir, es wurden einige Institutionen bemüht – , aber es haben sich bisher keine konkreten Hinweise ergeben. Jetzt, da das Schicksal der in Königsberg verbliebenen Kinder durch das Treffen wieder in das Licht der Öffentlichkeit gerückt ist, meldete sich aus den USA Frau Rosemarie Mueller, die ebenfalls wie Christel Wohlgefahrt einen Teil jener grausamen Nachkriegsjahre in den damaligen Waisenhäusern verbracht hat. Sie selber hat ihre Erlebnisse in einem Buch dokumentiert, das unter dem Titel „Are We Russian Children Now?“ erschienen ist. Im Juditter Haus waren die drei Geschwister Wohlgefahrt untergebracht. Die kleine Christel wurde in das Kinderhaus Ponarth verlegt, in dem sich auch die 1939 geborene Rosemarie Mueller mit ihrem jüngeren Bruder Peter befand. Christels Geschwister sahen die kleine Schwester zum letzten Mal im September 1947, das Kind soll krank gewesen sein und einen sehr elenden Eindruck gemacht haben, denn in Ponarth haben katastrophale Zustände geherrscht. Rosemarie und Peter Müller wurden von dort in das Krankenhaus der Barmherzigkeit eingewiesen, es ist möglich, dass dies auch mit Christel Wohlgefahrt geschah. Frau Mueller besitzt einen 1948 geschriebenen Brief von zwei Diakonieschwestern, in dem diese bestätigen, dass Peterchen Sommer 1947 an Durchfall erkrankte und am 23. September im Infektionskrankenhaus verstarb. Von Christel fehlt dagegen jede Spur. Die Ausweisung aus den Häusern Juditten und Ponarth geschah am 23. Oktober 1947, ein zweiter Transport, in dem auch kranke Kinder waren, folgte drei Tage später. Christel ist nicht dabei gewesen. Das ist nur ein ungeklärtes Schicksal, das auf dem Treffen der „Königsberger Kinder“ vorgebracht werden soll, durch unsere Veröffentlichung sind auch weitere an Frau van de Loo herangetragen worden. Das Interesse ist groß, der Teilnehmerkreis hat sich erweitert, leider können viele Leserinnen und Leser, die gerne dabei sein würden, aus gesundheitlichen Gründen nicht kommen. Wir werden in unserer Kolumne weiter darüber berichten. Noch einmal die Anschrift von Frau Helga van de Loo: Fonckstr. 1 in 53125 Bonn, Telefon / Fax: 0228 / 251271.

Manchmal bin ich doch sehr gerührt von dem großen Vertrauen, das unserer Ostpreußischen Familie entgegengebracht wird, von der Hoffnung, die auf unsere Aktionen gesetzt werden. Wenn – so heißt es dann – kann nur die Ostpreußische Familie helfen. Aber wir können den Suchwunsch nur weitergeben und mit den Fragenden hoffen, dass sich ein Erfolg einstellt. Das wünschen wir auch für unsere Leserin Liselotte Angermann aus Torgau, die seit Jahren versucht, etwas über ihren vermissten Bruder zu erfahren. Sie übersandte uns nun ein Foto von Hans-Georg Rehberg, auf dem der am 29. August 1924 in Königsberg Geborene etwa 20 Jahre alt ist. Die letzte Nachricht des Gefreiten in der Stabsbatterie-Sturmgeschützabteilung 200

(Feldpostnr. 26950 A) stammt vom 27. März 1945 aus dem Raum Friedeberg / Breslau. Wer war in jenen Tagen mit Hans-Georg Rehberg zusammen, wer kann etwas über die in dem genannten Raum stattgefundenen Kämpfe berichten? Und dann würde Frau Angermann noch so gerne etwas über ihre Freundin Gertrud Pusch erfahren, mit der sie zusammen ihre Jugendzeit in Königsberg verbracht hat. Gertrud Pusch, * 15. Oktober 1926, wohnte Krugstraße 10. Wenn sie Krieg und Vertreibung überlebt hat, dürfte sie später durch Heirat einen anderen Namen angenommen haben. Vielleicht gibt es auch hier, wie wir es immer wieder erleben, ein Wiederfinden nach Jahr und Tag? (Liselotte Angermann, Straße des Friedens 33 in 04860 Torgau)

So manches Erfreuliche geschieht ohne Frage, ohne Wunsch – es ergibt sich so ganz nebenbei und ist doch von großer Bedeutung. Und wird mir ebenso nebenbei mitgeteilt wie jetzt auf dem Königsberger Sommerfest in Hamburg. Im Gespräch mit zwei Schwestern aus Königsberg, die in der Heimat noch die bittere Russenzeit erleben mussten, stellte sich heraus, dass sie über unsere Ostpreußische Familie endlich erfahren konnten, wo ihr bei den Kämpfen im Baltikum gefallener Vater sein Grab gefunden hat. Jahrelang hatten sie versucht, etwas über seine letzte Ruhestätte zu erfahren – vergeblich. Als sie in unserer Kolumne Namen und Anschrift eines Mannes lasen, der in jener Gegend gekämpft hatte, schrieben sie ihn an, und dieser konnte ihnen so präzise Angaben machen, dass die Schwestern jetzt wissen, wo ihr Vater begraben liegt „Nun haben wir unsere Ruhe, die Ungewissheit ist das Schlimmste,“ sagen die beiden Königbergerinnen. Und ich freue mich, wenn ich etwas von diesen Querverbindungen erfahre, die beweisen, dass unsere Ostpreußische Familie weitaus mehr zustande bringt, als wir veröffentlichen und damit unseren Leserinnen und Lesern mitteilen können.

Eure Ruth Geede

Foto: Wo verblieb Hans-Georg Rehberg?  Bild: privat


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