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12.09.09 / Teilerfolg für das Völkerrecht / Schäuble musste seine Empfehlung abschwächen – Einige Fragen bleiben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-09 vom 12. September 2009

Teilerfolg für das Völkerrecht
Schäuble musste seine Empfehlung abschwächen – Einige Fragen bleiben

Der Einsatz der Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen und vieler Vertreter der Vertriebenen hat Wirkung gezeigt: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble will seine umstrittene Empfehlung vom 19. März dieses Jahres nun offenbar zumindest großzügiger handhaben lassen.

Für viele Vertriebene war es ein Schock: „Geboren 1946 in Allenstein (Polen)“ − so weisen es seit kurzer Zeit die Einwohnermeldeämter mehrerer Bundesländer, aber auch die Bescheide der Bundesbehörden über die neuen „Steueridentifikationsnummern“ aus. Hatten ihnen nicht Vertreter sämtlicher Parteien über Jahrzehnte versichert, dass die Oder-Neiße-Gebiete völkerrechtlich erst mit dem 1992 in Kraft getretenen deutsch-polnischen Grenzvertrag von 1990 zu Polen und Russland kamen?

Die Begründung von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) für diesen Vorstoß war in mehreren Punkten in sich fragwürdig und schief (vgl. Beiträge unten und rechts). Umso deutlicher forderten alle betroffenen Landsmannschaften, außerdem die Ost- und Mitteldeutsche Vereinigung der CDU/CSU, drei Landesinnenminister und ungezählte Einzelpersonen den Bundesinnenminister auf, seinen Schritt zurückzunehmen.

Einen Beitrag hat auch diese Zeitung geleistet: Der PAZ-Aufmacher vom 13. Juni „Berlins neueste Zumutung“ hat den Grundsatzartikel in der „FAZ“ vier Tage später „Seit wann ist Breslau Ausland?“ ausgelöst. Dessen Autor Reinhard Müller wurde unmittelbar per E-Mail von der PAZ über den bis dato von den Medien wenig beachteten Vorgang informiert. Inzwischen ist auch recht genau der Weg nachvollziehbar, auf dem anschließend innerhalb von CDU und CSU diese Frage beraten wurde, was schließlich in die positive Zusicherung im „Regierungsprogramm“ der CDU/CSU vom 29. Juni mündete, bei der melde- und personenstandsrechtlichen Erfassung von Vertriebenen völkerrechtlich korrekt vorzugehen. Auch der Beitrag im ZDF-„Mittagsmagazin“ über diese Problematik kam unter Mitwirkung dieser Zeitung zustande.

Wie stark politisiert diese Frage war und ist, hat die Briefaktion  gezeigt, in der diese Zeitung sämtliche Bundestagsabgeordnete um Auskunft darüber ersucht hat, seit wann für sie Breslau im Ausland liegt. Etliche Abgeordnete, darunter auch namhafte Vertreter der Vertriebenen selbst, wollten kein Datum nennen, sondern erklärten recht allgemein in einer innerhalb der Fraktionsführung ausgehandelten Formularantwort: „Es ist und bleibt unsere Aufgabe, auch in dieser Frage auf das Befinden der Vertriebenen Rücksicht zu nehmen.“ Ergänzend zur Richtline des BMI sei vereinbart worden, „dass die Länder bei den nach 1945 Geborenen flexibel über die Änderung der Eintragung des Geburtsstaates entscheiden können“. Beispielsweise räume das Land Baden-Württemberg (offenbar genau wie Bayern) den betroffenen Vertriebenen ein, „den Staateneintrag zu streichen“.

Da die Betroffenen das nicht selbst tun können, ist offenbar gemeint, dass die Behörden dies auf ihren Antrag hin tun dürfen und sollen. Das aber wäre − bei allem Respekt für den Einsatz der drei Innenminister Joachim Herrmann (Bayern), Heribert Rech (Baden-Württemberg) und Uwe Schünemann (Niedersachsen) − insofern unbefriedigend, als damit die BMI-Richtlinie im Kern bestehen bliebe und eben keine Rückkehr zur langjährig bewährten Praxis (siehe unten) vorgesehen wäre.

Immerhin enthält die Formular-Antwort der Unionsfraktion auch den richtigen Hinweis, dass nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 1999 die Oder-Neiße-Gebiete auch nach dem Potsdamer Protokoll vom 2. August 1945 Inland geblieben seien. Schon unerwähnt bleibt, dass auch das Bundesverfassungsgericht so geurteilt hat und dass dabei auch nochmals klargestellt wurde, dass selbst der Warschauer Vertrag von 1970 noch keine Grenzanerkennung bedeutet hat. Doch das wollten die weitaus meisten Unionsabgeordneten schon nicht mehr so klar erklären.

Dass in dieser ganzen Angelegenheit Rücksichtnahme auf Polen, wenn nicht gar die Erfüllung einer polnischen Forderung eine entscheidende Rolle gespielt haben dürfte, belegt der Zeitpunkt, zu dem die zwischen den Ministern Schäuble und Herrmann ausgehandelte Korrektur verbreitet wurde. Zwar trägt Herrmanns Pressemitteilung das Datum 31. August, doch wirklich verbreitet wurde die Meldung womöglich erst am späten Nachmittag des 1. September − nur Stunden nach dem Ende der Gedenkreden in Danzig.

Die PAZ jedenfalls bekam die Nachricht am 1. September Punkt 18.33 Uhr von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zugemailt, mit dem netten Hinweis in der Betreffzeile „Ihr Einfluss“! K. Badenheuer

Foto: 2+4-Vertrag: Erst 1990/92 wurde die Oder-Neiße-Grenze völkerrechtlich festgelegt. Bild: pa

 

Zeitzeugen

Joachim Herrmann – Bayerns Innenminister hat sich vehement und auch öffentlich für eine Korrektur der umstrittenen BMI-Empfehlung eingesetzt und dabei  mutig Klartext geredet („Das Recht auf die Heimat gilt!“). Nun hat sich der 1956 geborene CSU-Politiker und Jurist in wesentlichen Punkten durchgesetzt.

 

Helmut Sauer – Der Bundesvorsitzende der OMV und langjährige Bundestagsabgeordnete ist an Heiligabend 1945 in Niederschlesien geboren. Vehement hat er dagegen gestritten, dass ihm nun von deutschen Behörden ein Geburtsort „in Polen“ bescheinigt werden sollte. „Ein herzlicher Dank ist Staatsminister Joachim Herrmann und der CSU-Staatsregierung für diese schnelle, sensible und rechtlich einwandfreie Regelung gewiss.“ Andere Bundesländer sollten nachziehen, insistiert Sauer.

 

Hartmut Koschyk – Der frühere Generalsekretär des Bundes der Vertriebenen ist bereits mit 31 Jahren in den Bundestag eingezogen. In der aktuellen Umfrage der Preußischen Allgemeinen Zeitung verwies er für die völkerrechtliche Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze auf den erst am 12. August 1990 unterzeichneten Zwei-Plus-Vier-Vertrag.

 

Kurt Rossmanith – Der 1944 im Sudetenland geborene Verteidigungspolitiker ist seit 1980 direkt gewählter Bundestagsabgeordneter. Er hat dem deutsch-polnischen Grenzvertrag nicht zugestimmt und gehört zu denen, die nun nicht die von der Fraktionsführung formulierte Standardantwort verschickt haben, sondern individuell geantwortet haben: „Die völkerrechtliche Position der Deutschen Ostgebiete ist absolut klar ... Der Grenzvertrag ist am 16. Januar 1992 in Kraft getreten.“

 

Hans-Joachim Hacker – Der 1949 im brandenburgischen Mahlow geborene Jurist hat Maschinenbau gelernt, bevor er noch zu DDR-Zeiten Jura studierte. Im Oktober 1989, noch vor dem Fall der Berliner Mauer, gehörte er zu den frühen Mitglieder der Ost-SPD. Im März 1990 wurde er in die Volkskammer gewählt, seit Herbst 1990 gehört er er dem Bundestag an. Von 2002 bis 2005 war er stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Er schrieb der PAZ.


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