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12.09.09 / Perlen deutscher Baukunst / Der diesjährige »Tag des offenen Denkmals« lädt in Orte des Genusses – Vom Schloss bis zum Kino

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-09 vom 12. September 2009

Perlen deutscher Baukunst
Der diesjährige »Tag des offenen Denkmals« lädt in Orte des Genusses – Vom Schloss bis zum Kino

Bundesweit werden am Tag des offenen Denkmals am 13. September mehr als 7500 Bau- und Bodendenkmale für Besucher offen stehen. Geschichts- und Kulturinteressierte haben dann Gelegenheit, Blicke hinter sonst oft verschlossene Türen zu werfen.

In diesem Jahr steht der Tag, der seit 1993 von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz bundesweit koordiniert wird, unter dem Motto „Historische Orte des Genusses“. Eigentümer und Fachleute aus der Denkmalpflege zeigen unter anderem Kinos, Theater, Gasthäuser, Hotels, private Oasen der Erholung oder weitläufige Parkanlagen. Im Rahmen von Führungen, Präsentationen und Ausstellungen erfahren die Besucher spannende Details aus der Geschichte der Denkmale. Außerdem können sie sich unmittelbar vor Ort über den baulichen Zustand und die Maßnahmen zur Instandsetzung der Objekte informieren.

„Der Tag des offenen Denkmals ist für alle, die sich für den Erhalt historischer Bauten einsetzen, eine einmalige Chance, auf Sorgen aber auch auf Erfolge im Denkmalschutz aufmerksam zu machen. Dass sich die Bürgerinnen und Bürger sehr für unser bauliches Kulturerbe interessieren, zeigt der Denkmaltag mit jährlich über vier Millionen Besuchern“, sagt Dr. Wolfgang Illert, Geschäftsführer der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Der Tag des offenen Denkmals ist der deutsche Beitrag zu den European Heritage Days unter der Schirmherrschaft des Europarats. Alle 49 Länder der europäischen Kulturkonvention beteiligen sich in diesem Jahr an dem Ereignis.

Die zentrale Eröffnungsfeier  wird dieses Mal in Potsdam stattfinden. Am dortigen Brandenburger Tor wird der Ministerpräsident des Landes, Matthias Platzeck, im übertragenden Sinn den Startschuss geben und die Besucher auffordern die rund 50 in der Stadt geöffneten Denkmale zu besuchen. So ist das 1983 unter Denkmalschutz gestellte, viertgrößte Linsenteleskop der Welt (der Große Refraktor) im restaurierten Kuppelbau auf dem Telegrafenberg zu besichtigen, man kann ein Brunch in Schloss Kartzow oder ein Fest in der russischen Kolonie besuchen. Höhepunkt aber wird die feierliche Wiedereröffnung des Stibadiums im Schlosspark von Sanssouci sein. Ein Stibadium (lateinisch halbrundes Speisesofa) ist ein überdachter Ruheraum im Freien, in den man sich zurückzog. Im 19. Jahrhundert gehörten aufwändig gestaltete, mit Figuren, Fabel- und Mischwesen geschmückte Stibadien als Freisitze für Mußestunden zur Ausstattung großer Gärten.

Das Exemplar in Sanssouci entstand Mitte der 1840er Jahre während der Regierungszeit Friedrich Wilhelms IV. (1795–1861), der als Romantiker auf dem Preußenthron gilt. Das Interesse des Königs lag vor allem auf dem Gebiet der Architektur. Eine große Zahl seiner Zeichnungen und Entwürfe, die er auf jedem ihm zur Verfügung stehenden Blatt Papier skizzierte, sind erhalten geblieben. Bedeutende Baumeister wie Karl Friedrich Schinkel und dessen Schüler Ludwig Persius sowie Friedrich August Stüler wurden durch seine Vorstellungen angeregt. Wie wohl fast alle gebildeten Menschen seiner Zeit sehnte auch Friedrich Wilhelm sich nach Arkadien und träumte von Italien. Inspiriert durch die Briefe des Römers Plinius des Jüngeren, in denen dieser von seinen Landgütern Laurentinum und Tusculum schwärmte, ließ Friedrich Wilhelm ein Stibadium im Paradiesgärtchen von Sanssouci errichten, allerdings nicht detailgetreu nach antikem Vorbild. „Eigentlich aber handelt es sich bei dem so genannten Stibadium um eine etwas eigenwillige Konstruktion, denn es ist nichts anderes als ein Atrium“, schreibt Beatrice Härig in der Internetausgabe der Zeitschrift „Monumente“. „Das Atrium war im römischen Wohnhaus der zentrale Raum mit einer Öffnung im Dach, durch die Regenwasser das Impluvium, ein Wasserbecken, füllen konnte. Hier in Potsdam wird der zentrale Raum zum einzigen Raum, keine weitere bauliche Anlage umgibt ihn. Innenwände werden zur Fassade, und Pergolen, die um das Gebäude angelegt sind, sollen die fehlenden Räume andeuten. Das Stibadium ist ein Staffagebau, er ist nicht zum Wohnen gedacht, noch nicht einmal zum hemmungslosen Schlemmen, wie der Name denken ließe, sondern zur stillen Sammlung.“

Schon knapp 100 Jahre nach Anlegen des Paradiesgartens wurde die Anlage 1937 und später als Botanischer Garten der Universität Potsdam entscheidend umgestaltet. Die Pergolen als wichtiges Gestaltungselement verschwanden, das Stibadium diente als Geräteschuppen. Eine Restaurierung, bei der Experten vieler Fachgebiete unter der Projektleitung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten zusammenarbeiteten, konnte jetzt abgeschlossen werden.

Ein anderer Ort in Brandenburg wird vor allem auch am „Tag des offenen Denkmals“ Literaturfreunde anziehen: Schloss Blankensee, eine halbe Stunde mit dem Auto südlich von Berlin gelegen. Dorthin hatte sich 1902 der Dramatiker Hermann Sudermann (1857–1928) zurückgezogen, als er von der Kritik verspottet wurde und der Streit mit seinem erbittersten Gegner Alfred Kerr hohe Wellen schlug.

Mit seinem weitläufigen Park erinnerte ihn Blankensee an seine memelländische Heimat. Nach eigenen Ideen ließ Sudermann Haus und Garten zu einem wahren Kleinod umgestalten, errichtete Brücken und Pavillons und brachte von seinen Italienreisen Statuen von Göttern, Heiligen und Kaisern mit. Der Park ist immer für die Öffentlichkeit zugänglich. Das im Schloss befindliche Sudermann-Zimmer kann von 14 bis 17 Uhr besucht werden.

Wer es lebhafter mag, geht in eines der historischen Kinos wie etwa die „Astor Film Lounge“ in Berlin. Es gehört zu den wenigen verbliebenen Kinos am Kurfürstendamm mit rotem Teppich und prachtvollem Vorhang. Orte des Genusses werden an diesem „Tag des offenen Denkmals“ landauf landab viele zu entdecken sein. Zum Genuss gehört schließlich auch die stille Freude beim Betrachten wieder hergestellter Perlen der Baukunst.       Silke Osman

Fotos: Potsdam: Ort der zentralen Eröffnung.         Bild: Internet.

Wurde restauriert: das Stibadium.     Bild: spsg


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