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12.09.09 / Zum Gedenktag nach Königsberg / Louis-Ferdinand Schwarz gedachte in der Erlöserkirche der Opfer des Bombenterrors vor 65 Jahren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-09 vom 12. September 2009

Zum Gedenktag nach Königsberg
Louis-Ferdinand Schwarz gedachte in der Erlöserkirche der Opfer des Bombenterrors vor 65 Jahren

Königsberg, das Samland, Gumbinnen, Insterburg, Pillau – jeden Tag steuerte Louis-Ferdinand Schwarz mit seinen 26 Begleitern ein anderes Ziel an. Höhepunkt und Anlaß der Reise war eine Gedenkveranstaltung in der Erlöserkirche zu Ehren der Opfer der alliierten Bombenangriffe auf die ostpreußische Hauptstadt vor 65 Jahren.

Louis-Ferdinand Schwarz steht im Innenhof des früheren Krankenhauses der Barmherzigkeit in Königsberg. Er legt Rosen nieder am Gedenkstein, den er hat errichten lassen – zur Erinnerung an die Diakonissen, die hier nach der Besetzung durch die Sowjets 1945 weiter ihren mildtätigen Dienst geleistet haben – oft bis zur Erschöpfung, bis zum Tod.

Neben ihm steht eine Angestellte des Krankenhauses, Schwester Natascha. „Geh mal auf Angriff“, ruft jemand. Es ist scherzhaft gemeint. Schwarz soll die Russin in den Arm nehmen. Aber niemandem ist zum Lachen zumute. Es kullern sogar einige Tränen. Leise sagt Schwarz: „Meine Oma liegt auch hier begraben.“

Dieser Besuch in dem Krankenhaus ist der erste wichtige Termin von Schwarz’ Reisegruppe im nördlichen Ostpreußen. Vorher haben die deutschen Touristen bereits zwei Tage im südlichen Teil verbracht, unter anderem in Rastenburg. Jetzt liegen sechs Tage „Oblast Kaliningrad“ vor ihnen. Es ist ein anstrengendes Programm.

Wieder einmal ist Schwarz mit einer Reisegruppe nach Ostpreußen aufgebrochen. Zum 44. Mal. Der ehemalige Vorsitzende der Kreisgemeinschaft Fischhausen scheint einen Rekord aufstellen zu wollen. Königsberg, das Samland, Gumbinnen, Insterburg, Pillau – jeden Tag wird ein anderes Ziel angesteuert.

Mit 26 Begleitern ist Schwarz in Rauschen im Hotel Falke untergebracht. Am ersten Tag nach ihrer Ankunft im nördlichen Ostpreußen fährt die Gruppe in die Hauptstadt Ostpreußens. Im Königsberger Dom singt ein russischer Chor das Ostpreußenlied und „Ännchen von Tharau“. Spontaner Applaus. Danach besichtigen die Gäste den wiederaufgebauten Dom. Wieder unten angekommen trifft die Reisegruppe auf ein russisches Hochzeitspaar, das auf der Honigbrücke steht und einen Schlüssel in den Pregel wirft. Das Schloss wurde zuvor am Eisengitter der Brücke befestigt. Nie wieder soll es aufgehen.

Viele Russen heiraten jung. Das wirkt sich auch auf die Geburtenrate aus, die jahrelang beängstigend niedrig war. Nun sind plötzlich überall im Königsberger Gebiet junge Mädchen und Paare mit Kinderwagen zu sehen. Öfter als in bundesdeutschen Städten. Kaum zu glauben, dass die Geburtenrate so niedrig sein soll, wie es Statistiken besagen. Für die Eltern lohnt es sich, denn wie in der Bundesrepublik Deutschland wird in der Russischen Föderation ein verdienstabhängiges Elterngeld gezahlt, das in der Gesamtsumme mehr als 300000 Rubel (rund 10000 Euro) ausmachen kann.

In der Stadthalle und in einem Vortrag von Professor Wladimir Gilmanow informieren sich die Besucher über die Zerstörung des Stadtschlosses und über die Bemühungen von deutscher Seite, das Königsberger Schloss wiederaufzubauen. Ein Jahrhundertprojekt, das wohl nicht so schnell in Gang kommen wird.

Konkrete Fortschritte gibt es eher im Kleinen: Der Direktor der Stadthalle berichtet, im September käme ein Ostpreuße ins Königsberger Gebiet, um seinen Familienschatz zu heben. Die Familie hat ihn 1945 vergraben. Mit den russischen Behörden habe er sich bereits geeinigt. Er dürfe das Fami­lien­erbe behalten, dafür bekommt das Königsberger Museum aus dem Familienbesitz des Deutschen einen Becher, aus dem Napoleon persönlich getrunken haben soll. Dass Ostpreußen 1945 ihren Besitz „für später“ eingegraben haben, ist nichts Neues. Auch Schwarz berichtet davon: „Auch ich habe auf dem Grundstück meiner Mutter gegraben.“ Gefunden hat er jedoch nichts.

Das Grundstück der Familie Schwarz war das Gut Pollwitten im Samland. Heute ist davon nichts mehr übrig. Die Reisegruppe sucht die Überreste von Pollwitten drei Tage später auf. Schwarz, der als Siebenjähriger zusammen mit seiner Schwester von der Mutter nach Pommern in Sicherheit gebracht worden ist, war 1990 das erste Mal hier. Aber er hat nicht nur keinen Schatz gefunden, sondern auch sonst nichts, was an den Hof erinnert hätte. „Hier standen keine drei Steine mehr aufeinander“, berichtet er. Seine Großväter wurden 1945 getötet, Haus und Hof dem Erdboden gleichgemacht.

Doch Schwarz, der während der Reise seinen 72. Geburtstag feierte, hat dennoch längst seinen Frieden mit den Russen gemacht. Das wird deutlich, als er am 26. August in der evangelischen Erlöserkirche eine Gedenkfeier anlässlich des alliierten Bombenangriffs von 1944 durchführt. Er erinnert an die Ereignisse von damals, an den Tod und die Zerstörung im Feuersturm.

„Der Untergang der blühenden Krönungsstadt nahm in dieser letzten Augustwoche des Jahre 1944 seinen so verhängnisvollen Anfang“, sagte er. Doch dann betont er, dass er sich als „ehrlicher Botschafter einer endgültigen Versöhnung“ sehe und: „Ich freue mich und bin ein wenig stolz, sagen zu dürfen, dass ich hier sehr viele russische Freunde habe.“ Probst Jochen Löber, der seine Kirche zur Verfügung gestellt hat und der Zeremonie beiwohnte, war dennoch nicht sehr angetan von der Gedenkfeier im allgemeinen und Schwarz’ Rede im besonderen.

Der deutsche Pastor war nicht nur ohne Talar erschienen, sondern kritisierte hinterher zusätzlich, durch die Nennung der Details der alliierten Kriegsverbrechen sei ihm die Rede von Louis Ferdinand Schwarz „zu scharf“ vorgekommen. Übrigens waren auch die Vertreter des offiziellen, russischen Königsbergs nicht erschienen, obwohl sogar Hans-Gert Pöttering, der Präsident des EU-Parlaments, schriftlich dazu eingeladen hatte.

Dennoch war die Gedenkveranstaltung wie auch der Rest der Reise für die Teilnehmer ein unvergessliches Erlebnis. Schwarz plant indes schon die nächste Reise im Herbst 2010.        Markus Schleusener

 

Foto: Volles Programm: Die Reisegruppe (oben auf der Königsberger Dominsel) steuerte unter der Leitung von Louis-Ferdinand Schwarz (links) jeden Tag ein anderes Ziel an.     Bilder (2): Schleusener


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