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19.09.09 / Verdrängte Kriminalität / Bis vor kurzem redete kaum ein Wahlkämpfer über die innere Sicherheit – trotz aller Probleme

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-09 vom 19. September 2009

Verdrängte Kriminalität
Bis vor kurzem redete kaum ein Wahlkämpfer über die innere Sicherheit – trotz aller Probleme

Anders als in früheren Jahren hat das Thema Sicherheit lange keine Rolle im Wahlkampf gespielt: Die Rücksicht auf FDP und Grüne als potenzielle Regierungspartner ließ Union und SPD das offenkundige Problem verdrängen. Jetzt wird wieder über das Thema geredet, doch die Vorschläge bleiben unbestimmt.

Wenige Tage vor der Bundestagswahl haben spektakuläre Gewalttaten das Thema Innere Sicherheit auf die Tagesordnung zurückgebracht. In München wird ein Mann von einem 17- und einem 18-Jährigen zu Tode geprügelt, nur weil er vier Jugendliche vor einem Raubüberfall der beiden schützen wollte, in Hamburg löst ein Straßenfest eine Welle der Jugend-Gewalt gegen Polizisten, Autos und Geschäfte aus und in Berlin eskaliert eine Demonstration in massiven Handgreiflichkeiten zwischen Polizei und des Platzes verwiesenen Protestlern. Politische Reaktionen auf die Vorfälle bleiben verhalten. Innere Sicherheit ist für die meisten Parteien kein Wahlkampfthema.

Kriminalität sei in Deutschland, so versichern Medien wie Politiker aller Parteien, derzeit auf einem allgemeinen Tiefstand. Doch das ist zumindest ungenau: Der minimale Rückgang der Kriminalität in den zurückliegenden Jahren ist überwiegend der geänderten Altersstruktur der Wohnbevölkerung geschuldet: 60-Jährige begehen eben weniger Straftaten als 20-Jährige.

Jedenfalls spielen Rechtspflege und Opferschutz in Parteiprogrammen nur eine Nebenrolle und das trotz besorgniserregender Entwicklungen in der Jugend- und Gewaltkriminalität. 28 Prozent der Tatverdächtigen in Deutschland sind inzwischen Kinder, Jugendliche oder Heranwachsende. Auch in München waren es Jugendliche, zudem mit zahlreichen Vorstrafen auch im Bereich Gewaltkriminalität, die auf einen Geschäftsmann (50) so lange einschlugen, bis er starb – auf einem Bahnsteig vor mindestens 15 Zeugen und lange nachdem die Polizei verständigt war. Dass selbst brutale Gewalt für jugendliche Täter selten angemessene Folgen hat, zeigt der Fall einmal mehr. Diskutiert wird innere Sicherheit dessen ungeachtet eher im Zusammenhang mit Ängsten vor dem datensammelnden Staat. Totale Überwachung, davor fürchten sich viele Bürger, und gerade die kleinen Parteien laufen gegen Datenvorratsspeicherung, Internetdurchsuchung und Videoüberwachung des öffentlichen Raumes Sturm. In S- und U-Bahnen, auch jüngst Schauplatz gewalttätiger Übergriffe, werden testweise installierte Kameras auf politischen Druck hin oft nach kurzer Zeit wieder abgeschaltet, trotz mancher Fahndungserfolge. In Berlin eskalierte ausgerechnet eine Demonstration gegen Datenvorratsspeicherung des Staates in einem Handgemenge zwischen Polizei und Demonstranten, nachdem es laut Demonstranten „unfreundliche Festnahmen“ gegeben hatte.

Die Antwort des Staates darauf bleibt aus. FDP, Grüne und auch die Linkspartei, kurzum die möglichen Koalitionspartner der großen Parteien nach der Wahl, prägen mit ihren Programmen die Kriminalitäts-Debatte. Mit ihnen wollen es sich CDU und SPD nicht verscherzen. Gerade in Hamburg zeigt sich das überdeutlich – ein linksalternatives Fest bliebe friedlich, wenn die Polizei sich fernhalte, stellte der Veranstalter die Dinge auf den Kopf. Die Stadt ließ sich auf die kaum verhüllte Drohung ein. Prompt stürmten 200 Vermummte auf eine Polizeiwache ein, plünderten Geschäfte, errichteten brennende Barrikaden – das veränderte Polizeikonzept sei dennoch „eine richtige Entscheidung“, so die Grünalternativen im Rathaus allen Ernstes. Verkehrsüberwachung und Verbrechensbekämpfung dürften nicht verknüpft werden, fordern sie, obwohl schon die Anreise mancher der Randalierer nach Hamburg mit solchen Kontrollen hätte gestoppt werden können.

Wie seit Jahren in Berlin, sind Brandanschläge auf Autos nun auch in der Hansestadt fester Bestandteil einer autonomen Un-Kultur.

Die FDP will die zunehmende Jugendkriminalität immerhin mit dem sogenannten Warnschussarrest bekämpfen – engagiert sich aber in erster Linie auch gegen eine „unangemessene Überwachung“ der Bürger. Die Linkspartei wirbt massiv um mehr staatlichen Einsatz gegen „rechte“ Gewalt, fordert zugleich den Abbau von Ermittlungsmethoden. Übergriffe aus dem linksextremen Spektrum, wie aktuell in Hamburg und regelmäßig Berlin zu sehen, werden von den Parteien immer weniger zur Kenntnis genommen, die Grenze von politisch motivierten und politisch verbrämten bis unpolitischen Taten verschwimmt.

Auch der statistisch deutliche Anstieg von Körperverletzungsdelikten, also die Gefahr für jeden Bürger, tätlich angegriffen zu werden, ruft selten Reaktionen auf den Plan. Angesichts des Münchener Vorfalls sagte Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) immerhin: „Es kann nicht sein, dass die Politik nichts sagt.“ Doch CSU-Forderungen nach einer Verschärfung des Jugendstrafrechts (Höchststrafe 15 statt 10 Jahre bei schwersten Straftaten) erteilte die SPD umgehend eine Absage. Sverre Gutschmidt


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