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19.09.09 / Auf Normalmaß gestutzt / Seit gut zwei Jahren ist Nicolas Sarkozy französischer Präsident – Clevere Personalpolitik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-09 vom 19. September 2009

Auf Normalmaß gestutzt
Seit gut zwei Jahren ist Nicolas Sarkozy französischer Präsident – Clevere Personalpolitik

Ein früherer Geheimdienstchef zeichnet ein unvorteilhaftes Bild von Frankreichs politischer Klasse. Obwohl auch Präsident Sarkozy sein Fett wegbekommt, schlägt der sich immer noch achtbar: Er übt punktuell Selbstkritik und sichert mit cleveren Personalentscheidungen seine Position ab.

„Sie nannte mich ,Griesgram‘, vielleicht wegen meines strengen Gesichts“, plaudert Yves Bertrand, der ehemalige Chef des französischen Verfassungsschutzes aus dem Nähkästchen. Den Spitznamen erfand Cécilia Sarkozy zu einer Zeit, als ihr inzwischen geschiedener Mann Innenminister war. Sie mochte den Abwehrmann nicht. Ihr Gatte hasste ihn sogar. „Er konnte mich nicht ausstehen. Selbst, wenn ich Berichte weitergab, die seiner Sache dienlich sein konnten, misstraute er mir. Für ihn besteht die Welt aus zwei Lagern: Freunde und Feinde. Dazwischen gibt es nichts.“

Auf über 400 Seiten zeichnet Bertrands Buch ein wenig schmeichelhaftes Bild der politischen Klasse des Landes. Und Sarkozy ist darin die Hauptzielscheibe. Der Mann vom Inlandsgeheimdienst RG packt aus. Man erfährt eine Menge über den mächtigsten Franzosen: „skrupellos“, „durchtrieben“ und „dreist“ sei der, bedenkenlos trenne er sich von früheren Partnern, sobald sie ihm nichts mehr nützen. Diese Eigenschaft besäßen zwar alle Politiker, glaubt Bertrand, bei Sarkozy sei es jedoch extrem: „Ich spürte sehr früh bei ihm einen enormen Ehrgeiz. Es gab keinen von dieser Sorte weit und breit.“ Monsieur Bertrand hat „Sarko“ nicht verziehen, dass der ihn verdächtigte, ihn im Jahre 2004 in einer Affäre um Schmiergelder und Steuerhinterziehung indirekt in ein schiefes Licht gerückt zu haben, was aber falsch war.

Trotz dieser vom Schlapphut a.D. verabreichten Tracht Prügel steht Sarkozys Stern relativ fest am Polit-Firmament. Er erreichte im Sommer nach seiner Ohnmacht beim Dauerlauf 52 Prozent in der Beliebtheitsskala. Immerhin 47 Prozent der Franzosen trauen ihm zu, die Probleme in den Griff zu bekommen. Genauso viel wie seinem ziemlich beliebten Premierminister François Fillon. Allerdings trauen Sarkozy auch 48 Prozent und Fillon 46 Prozent dasselbe nicht zu.

Nach den Sommerferien zeigte sich, dass die Regierung die Zahl der Lehrer zu drastisch reduziert hatte. Dennoch blieben die erwarteten Arbeitskämpfe der Lehrergewerkschaften bisher aus. Nur sporadisch protestieren Eltern gegen die Auflösung von Schulklassen oder deren zu große Stärke. Aufgrund der Semesterferien ist es im September auch noch an den Hochschulen ruhig.

Die Proteste in den Betrieben erzeugen nicht mehr so viel Gewalt wie vor ein paar Monaten, als spektakuläre Werksbesetzungen und die Gefangennahme von Managern europaweit für Schlagzeilen sorgten. Straßenkämpfe der Polizei mit Chaoten sind nicht schlimmer als etwa in Hamburg. Allerdings werden viele Autos abgefackelt, etwas mehr sogar als in Berlin-Kreuzberg und übers ganze Land verteilt. Französische Milchbauern protestieren wie in ganz Europa.

Ist diese relative Beruhigung der Lage Folge der Selbstkritik des Staatspräsidenten? Anfang Juli verkündete er, er habe sich „geändert“. „Mit zunehmendem Alter bin ich toleranter, offener, heiterer geworden“, gab er angeblich überwundene Schwächen zu. Wohl von seiner Frau Carla beeinflusst, interessiere er sich jetzt für Film, Musik und Kunst.

Sarkozy hat einen Freund von Carla, Frédéric Mitterrand, als Kulturminister in seine Regierungsmannschaft aufgenommen. Der Name des kultivierten Neffen des verstorbenen sozialistischen Staatspräsidenten François Mitterrand ist für die Regierung ein echter Persilschein. Seine „Öffnungspolitik“ fortsetzend, hat Sarkozy außerdem einen persönlichen Freund seines Gegners Bayrou, Michel Mercier, zum Minister für Raumordnung ernannt. Es heißt auch, dass er dem Sozialisten Jack Lang die deutsch-französischen Beziehungen anvertrauen möchte, nachdem Bruno Le Maire diese Aufgabe zugunsten der Landwirtschaft aufgegeben hat. „Ich entscheide nicht mehr so selbstherrlich“, behauptet der französische Staatschef. „Ich kann nicht mehr meinen persönlichen Referenten zum Chef der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft EDF ernennen.“

Mit einigen Nebelkerzen ist es der Regierung zudem gelungen, die Wirtschafts- und Finanzkrise relativ unsichtbar zu machen. Nachdem der Kult um den toten Michael Jackson die Krisensymptome wohltuend verdeckt hatte, ist jetzt das Schhweinegrippe-Virus im Fernsehen zum Star Nummer eins avanciert: Schon jetzt werden mehr Schulklassen  wegen Grippeverdachts geschlossen als wegen politischer Entscheidungen.

Zu Sarkozys Neuerungen gehören die sehr plakativ und mit der Ankündigung einer zunehmenden Verlagerung der Besteuerung von der Arbeit auf den Umweltschutz verabschiedete neue Steuer auf Kohlenstoffe. Zusammen mit seinem zum Innenminister mutierten Jugendfreund Brice Hortefeux hat der Staatspräsident dem Einbruchdiebstahl (zwölf Prozent Steigerung in einem Jahr) und tätlichen Übergriffen (fünf Prozent Steigerung) den Kampf angesagt.

Mehr Videokameras, mehr strafrechtliche Verfolgung, mo-dernste Kriminaltechnologie und 4320 neue Polizisten dienen der „totalen Mobilmachung für die Sicherheit der Franzosen“. Ein solches Programm, das weiß der frühere Innenminister, schafft und sichert Mehrheiten. Jean-Paul Picaper


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