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19.09.09 / Nachwehen der Vertreibung / Vaduz und Prag nehmen erst jetzt diplomatische Beziehungen auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-09 vom 19. September 2009

Nachwehen der Vertreibung
Vaduz und Prag nehmen erst jetzt diplomatische Beziehungen auf

Liechtensteins Außenministerin Aurelia Frick und der tschechische Vizepremier und Außenminister Jan Kohout haben vorige Woche in Prag eine gemeinsame Erklärung zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen unterzeichnet. Beschlossen wurden auch die Aufnahme von Verhandlungen zur Vorbereitung eines „OECD-konformen“ Doppelbesteuerungs-Abkommens sowie die Einsetzung einer gemeinsamen Historiker-Kommission.

Implizit verbunden ist mit dieser Erklärung die bisher ausstehende wechselseitige staatliche Anerkennung – womit ein europäisches Kuriosum beendet ist. Bisher hatte die Schweiz als Mittler in den bilateralen Beziehungen fungiert.

Das bilaterale Problem entstand durch jenes Konglomerat, das man vereinfachend „Benesch-Dekrete“ nennt. Diese insgesamt 143 Dekrete waren teils noch von der tschechoslowakischen Exil-Regierung in London, teils erst nach Kriegs-ende erlassen worden, etwa zwölf davon betreffen die Entrechtung der Sudetendeutschen. Die bis heute geltenden Bestimmungen zur Enteignung betreffen auch Liechtensteinische Staatsbürger, weil Kriterium der Enteignung die „deutsche Volkszugehörigkeit“ ist. Vor allem die Fürstenfamilie, aber auch etwa 30 weitere Liechtensteiner sind betroffen. Für einige 1945 ebenfalls enteignete Deutschschweizer wurde hingegen schon vor Jahrzehnten eine Entschädigungsregelung gefunden. Hier ging es auch um weit geringere Beträge als im Falle des vor allem in Mähren sehr begüterten Fürsten von Liechtenstein.

Die rigide Position der CSR und ab 1949 der CSSR wurde auch nach der Wende und sogar nach der Auflösung der Tschechoslowakei 1993 von den Nachfolgestaaten Tschechien und Slowakei beibehalten. Doch Liechtenstein hat die Enteignungen aus guten Gründen nie akzeptiert: Das Fürstentum war kein Kriegsteilnehmer, und  die betroffenen Personen waren keine Staatsangehörigen des Deutschen Reiches.

Liechtenstein war seit Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1806 ein selbständiges Fürstentum, und mit dem Ende des Deutschen Bundes 1866 schwanden die letzten staatsrechtlichen Bande mit dem Reich. Die Fürstenfamilie ist eigentlich österreichischen Ursprungs – die Stammburg steht in Mödling südlich von Wien. Mitglieder der Familie haben in habsburgischen Diensten im Laufe der Jahrhunderte umfangreiche Liegenschaften erworben, vor allem in Böhmen, Mähren und Schlesien. Aber auch in „Vorderösterreich“ – und aus der Herrschaft Schellenberg und der Grafschaft Vaduz ist schließlich das heutige Staatsgebiet des Fürstentums hervorgegangen. Liechtensteiner und Habsburger sind bis heute eng verbunden und sogar verschwägert.

Die Restitutionsfrage hatte zwischenzeitlich auch einen Konflikt mit der Bundesrepublik Deutschland verursacht. Diese hatte 1995 auch das schon vom Deutschen Reich in der Tschechoslowakei eingezogene Liechtensteinische Vermögen als Teil jener Masse erklärt, die zur Begleichung deutscher Reparationsschulden herangezogen werden sollte. Liechtenstein richtete daraufhin Entschädigungsansprüche gegen die Bundesrepublik. Eine 2001 beim Internationalen Gerichtshof eingereichte Klage wurde aber 2005 abwiesen: Liechtenstein müsse seine Ansprüche gegen Tschechien richten. Für Völkerrechtler und Historiker wird es also auch weiterhin reichlich Arbeit geben.         RGK/PAZ


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