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19.09.09 / Königsschloss, Kloster, Pantheon und Schule in einem / Mit San Lorenzo de El Escorial in Kastilien wurde vor 425 Jahren der größte Renaissancebau der Welt fertiggestellt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-09 vom 19. September 2009

Königsschloss, Kloster, Pantheon und Schule in einem
Mit San Lorenzo de El Escorial in Kastilien wurde vor 425 Jahren der größte Renaissancebau der Welt fertiggestellt

Jahrhundertelang stifteten spanische Könige nach großen Siegen Kirchen oder Klöster. Anlass zum Bau des größten Renaissancebaus der Welt war der Sieg des spanischen Königs Phi­lipp II. über den französischen König Heinrich II. in der Schlacht bei Saint-Quentin im Jahre 1557. Es war eine Entscheidungsschlacht in den so genannten Italienischen Kriegen, in denen es zwischen 1494 und 1559 letztlich um die Frage ging, ob Spanien oder Frankreich fortan den europäischen Kontinent beherrscht. Die Bedeutung der Schlacht spiegelt sich auch in der Dankbarkeit des Siegers. Der Tag der Schlacht, der 10. August, war der Gedenktag des heiligen Laurentius und Philipp gelobte, diesem Heiligen zu Ehren ein Kloster zu errichten.

Erklärter Zweck der Stiftung war es, den letzten Willen von Philipps Vater Karl V. zu erfüllen. In der Stiftungsurkunde von 1565 heißt es hierzu: „… wissend und würdigend, dass der Kaiser und König, Unser Herr und Vater, nach Übertragung seiner Reiche auf Uns … in seinem letzten Willen Uns die Sorge um seine letzte Ruhestätte und die der Kaiserin und Königin, Unser Herrin und Mutter, auftrug und in dem Bewusstsein, dass es sich gezieme, dass ihre Leichname sehr ehrenvoll bestattet werden und dass für sie beständig Bittgebete und Opfer dargebracht und ihr Gedächtnis gefeiert werde; und weil Wir überdies beschlossen haben, am gleichen Ort wie sie bestattet zu werden, wenn Gott Uns zu sich ruft … ebenso wie Dona Maria, Unsere geliebte Gemahlin und Isabella, Unsere geliebte Gemahlin, die gemeinsam mit Uns und den Infanten, Don Fernando und Don Juan, Unseren Brüdern und den Königinnen Dona Maria und Dona Leonora, Unseren Tanten, bestattet zu werden wünschen.“

Mit El Escorial schuf Philipp also primär eine letzte Ruhestätte für seinen Vater und die nachfolgenden Herrscher Spaniens. Von Karl V. (1500–1558) bis Alfons XIII. (1886–1941) liegen fast alle spanischen Könige in der als Pantheon bezeichneten Krypta unter der Kirche von El Escorial.

Für den regelmäßigen und würdigen Kult in dem neuen Gotteshaus wählte Philipp den spanischen Orden des heiligen Hieronymus, als dessen Quartier das Kloster gebaut wurde. Diesem Orden, der sich vor allem der Schönheit und Pracht des Gottesdienstes und der Pflege der liturgischen Formen widmete, hatte Karl V. besonders nahegestanden. In deren Kloster St. Yuste hatte sich der Kaiser und König nach seiner Abdankung 1556 zurückgezogen und dort war er zwei Jahre später auch gestorben.

Gemäß der Stiftungsurkunde wurde des weiteren ein Kolleg gegründet, „in dem Geisteswissenschaften und die heilige Theologie gelehrt werden und ein Seminar, in dem Knaben erzogen und unterrichtet werden in christlichem Glauben, guten Sitten und frommer Lebensführung, sowie ein Hospital“ und eine Bibliothek kam auch noch hinzu. Schließlich wurde El Escorial auch noch zum Herrschersitz bestimmt. Von hier aus regierte Philipp als gichtgeplagter „Schreibtischmonarch“ sein Reich, in dem die Sonne nicht unterging, bis zu seinem Tode 1584. Per Hofprotokoll wurde dafür Sorge getragen, dass auch seine Nachfolger, ob sie nun wollten oder nicht, zumindest einen Teil des Jahres von hier aus regierten.

Der Aufgabenstellung entsprechend groß ist denn auch der Komplex: Auf einer Fläche von 33000 Quadratmetern gibt es 2000 Gemächer, außerdem 16 Höfe, zwölf Kreuzgänge, 88 Brunnen und 86 Treppenaufgänge. Der 207 Meter mal 162 Meter große gewürfelte Grundriss hat seine Form eines Gitters in Anspielung an den Feuerrost, auf dem Laurentius im Jahre 258 den Märtyrertod erlitten haben soll.

San Lorenzo de El Escorial beeindruckt nicht nur durch seine Größe, sondern auch mit der Konsequenz, in der hier erstmals im sogenannten Desornamentado-Stil gebaut wurde. Entsprechend dem Wesen Philipps ist der Bau von einer geradezu preußischen Strenge, Nüchternheit und Ernsthaftigkeit. Wie der Bauherr ist auch sein größtes Werk umstritten. Für die einen ist der minimalistische Verzicht des Desornamentado auf Prunk- und Dekorationselemente Ausdruck von Freud- und Phantasielosigkeit, für die anderen von reiner, konsequenter Architektur.

Als Standort des neuen sowohl sakralen als auch weltlichen Baus wurde der kleine kastilische Ort Escorial gewählt. „Escorial“ (Halde) kommt von „scoria“ (Schlacke), und in der Tat war das Dorf einmal eine Bergarbeitersiedlung. Astrologen sollen den Standort ausgewählt haben, doch sprechen für ihn auch praktische Gründe. So bildet er annähernd den geographischen Mittelpunkt der iberischen Halbinsel, die ab 1580 vollständig, also unter Einschluss Portugals, zu Philipps Reich gehörte. Die rund 40 Kilometer Entfernung von Madrid galten als guter Kompromiss zwischen Erreichbarkeit und Abgeschiedenheit von der Hauptstadt. Die hohe Lage oberhalb von Madrid und dem religiösen Zentrum des Landes, dem Erzbistum Toledo, war ein politisches Zeichen. Und schließlich – der vielleicht profanste Grund – war dort Granit als Baumaterial reichlich vorhanden.

Baubeginn war 1563. Der Grundstein wurde am Gedenktag des heiligen Georg, dem 23. April, gelegt. Zum Architekten bestimmte der König den Spanier Juan Bautista de Toledo. Der Schüler Michelangelos war 1559 durch Philipp an den spanischen Hof gerufen worden, um die italienische Hochrenaissance anstelle des maurischen und des gotischen Baustils in Spanien einzuführen. Nach dem Tode Bautistas 1567 übernahm dessen langjähriger Assistent, der Spanier Juan de Herrera, die Fertigstellung.

Vor 425 Jahren war es dann soweit: Am 13. September 1584 konnte der Schlussstein des gesamten Bauwerkes gesetzt werden.

Mittlerweile – seit 1861 – residiert der spanische König nicht mehr im Real Sitio de San Lorenzo de El Escorial. Aber als letzte Ruhestätte der Könige dient der Monumentalbau mit Weltkulturerbestatus noch immer. Die sterblichen Überreste der Ehefrau von Alfons XIII., Victoria Eugénie (1887–1969), sowie die Eltern des jetzigen Königs, des Grafen und der Gräfin von Barcelona, liegen bereits in der sogenannten Faulkammer (Pudridero), in der sie 50 Jahre zur Verwesung ruhen, bevor sie an die endgültige Ruhestätte im Pantheon umgebettet werden.       Manuel Ruoff


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