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19.09.09 / Stimmungsbild aus Hinterpommern / Holländische Investoren, geringe Verdienste, Probleme im Gesundheitswesen – Aldi, Lidl, Real und Fielmann sind bereits präsent

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-09 vom 19. September 2009

Stimmungsbild aus Hinterpommern
Holländische Investoren, geringe Verdienste, Probleme im Gesundheitswesen – Aldi, Lidl, Real und Fielmann sind bereits präsent

Die „Pommersche Zeitung“ hat einen informativen Artikel von Dr. Rita Scheller über die aktuelle Lage in Hinterpommern veröffentlicht. Das darin gezeichnete Bild basiert auf Reiseeindrücken und Zeitungsberichten und trifft in vielen Punkten auch auf andere Teile des ehemals deutschen Ostens zu. Wir geben den Beitrag leicht gekürzt in zwei Teilen wieder.

Inzwischen ähnelt der Inhalt polnischer Zeitungen immer mehr den unsrigen, kaum ein Skandal wird verschwiegen. Dabei meinen die Leute, ändern wird sich durch die Publizierung wohl kaum etwas.

Dargestellt werden die häufigen schlimmen Verkehrsunfälle, aber auch die Aushebung einer Gartenanlage für Hasch in der Schivelbeiner Gegend oder der Missbrauch von zwei kleinen Mädchen in Großmöllen in einem Ferienhaus durch einen 23-jährigen Studenten aus Breslau, sogar mit Bild des Ferienhauses. Man beklagt sich auch über die Aufrüstung des Turmes der Kösliner Marienkirche mit Antennen und Leuchtstrahlern.

Nichts darüber haben wir gelesen, wie manche hoffnungsvoll gestartete Betriebe inzwischen wieder eingegangen sind, zum Beispiel sahen wir im vorigen Jahr in Hoheneichen hinter Manow im Kreis Köslin Bublitz noch viel Rindvieh auf der Weide. Die PGR-Arbeiter hatten den Betrieb übernommen, arbeiteten weiter wie Arbeiter in Staatsbetrieben, aber nicht wie Eigentümer. Ähnlich ging es mit einer Fahrradreparaturwerkstätte, die ein evangelischer Pastor initiiert hatte, dies allerdings in Mauren: Werktags haben die Männer gesoffen, sonntags kamen sie zur Kirche. Wenn ein Gutsbetrieb funktioniert, dann wissen die Leute im Dorf nicht, wer die neuen Pächter oder Besitzer sind. „Es sollen Ausländer aus verschiedenen Ländern sein!“ Meistens sind die Holländer beteiligt. Die Anthroposophen gründeten für die Übernahme eines Gutes eine Stiftung.

Ob es bei uns möglich wäre, Gehaltsangaben mit Bild und Namen zu nennen? Der Kösliner Stadtpräsident bekommt 8980 Zlotys netto bei 12846 Zloty brutto, der Neustettiner mit 8600 Zlotys (12300 brutto) nur geringfügig weniger, der Kolberger immer noch 7600 Zloty (10970 brutto) der Großgemeindevorsteher von Großmöllen bekommt 12100 brutto, der Großgemeindevorsteher von Henkenhagen 6506 netto.

Die Leute meinen, ich sollte es mit den Gehältern von den Leuten vergleichen, die wirklich arbeiten: 4000 Zloty für den Kösliner Theaterdirektor, das gleiche für den Fußballtrainer in Kolberg, 3600 Zloty für einen Polizeibeamten mit 23-jähriger Dienstzeit, 3420 für eine Schuldirektorin mit 25-jähriger Dienstzeit, 2000 Zloty für eine 23-jährige Polizistin mit dreijähriger Dienstzeit und ganz am Ende der Skala 1850 Zloty für eine Krankenschwester aus Neustettin mit 30-jähriger Dienstzeit. Nicht erwähnt werden die Renten der Leute, denen ich in den Gemeinden begegne: Die Spitzenrenten wie bei einer Fischerswitwe dürfte bei 1500 Zloty liegen; wer mehr als 1200 bekommt, gehört schon zu den privilegierten Rentnern; es gibt aber auch etliche, die nur zwischen 600 und 800 Zloty monatlich bekommen; die Sozialrentner müssen sogar mit 400 Zloty auskommen. Zurzeit steht der Kurs bei 1 Euro zu 4,30 Zloty, voriges Jahr 1 Euro zu 3,30 Zloty. Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer, vor allen Dingen, weil die medizinische Versorgung immer schlechter wird. Regulär muss man Monate auf einen Arzttermin warten. Privat geht es schneller, ist aber wesentlich teurer und man bekommt keinen Beleg für die Ausgaben, kann sie also als Tourist kaum bei seiner deutschen Krankenkasse einreichen.

Schlecht steht es auch noch um behindertengerechte Ausstattung; es fängt damit an, dass es weder in den Wohnhäusern noch in den öffentlichen Gebäuden Geländer gibt, abgesehen von einigen Apotheken und Kirchen. Selten gibt es Rampen für Rollstuhlfahrer und Kinderwagen. Die Zeitung Miasto brachte am 1. Juli mehrere Bilder, wie ein Rollstuhlfahrer einer jungen Mutter zu helfen versuchte. In der gleichen Zeitung wird übrigens auch das Schloss in Juchow/Neustettin gezeigt, das fast nur noch eine Ruine ist.

In allen Städten gibt es längst die gleichen Supermärkte wie bei uns: Lidl, Aldi (doch bislang nur in gut 20 westpolnischen Städten), Real, Schuh-Deichmann und Brillen-Fielmann und Rossmann (der allerdings keinen Franzbranntwein verkaufen darf wegen des darin enthaltenen Alkohols, weil man dazu eine besondere Konzession benötigt), dazu der allgegenwärtige „Biedronka“ (Marienkäferchen) mit mehreren tausend Filialen in ganz Polen. Die Geschäfte sind unverkennbar mit Gebäuden aus langgestreckten roten Rechtecken, die Mitarbeiter tragen rote Kittel und T-Shirts. Viele deutsche Firmen haben inzwischen Zweigfabriken in Polen wie Maggi, Bahlsen, Milka, Schöller, die die Produkte entweder unter gleichem Namen wie bei uns oder unter polnischen Namen, aber mit gleichem Logo in die Regale stellen. Auch die Cranberry-Säfte haben den Sprung in die polnischen Geschäfte längst geschafft. Überall in den Supermärkten gibt es uniformiertes Wachpersonal, das mit Argusaugen um sich blickt.

Fortsetzung folgt.


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