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19.09.09 / Das West-Berlin der 80er / Vermisste Millionärstochter gibt Rätsel auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-09 vom 19. September 2009

Das West-Berlin der 80er
Vermisste Millionärstochter gibt Rätsel auf

Der Autor Jörg Fauser, der in diesem Jahr 65 Jahre alt geworden wäre, hatte literarische Vorbilder, die hierzulande von Kritikern lange Zeit nur mit spitzen Fingern angefasst wurden. Er war der Meinung, dass man von vermeintlichen „Trivialschriftstellern“ wie Eric Ambler, Raymond Chandler oder John le Carré durchaus die Kunst des Schreibens erlernen könne. Chandler und Hammett machten für ihn gar den „Parnass der Kriminalliteratur“ aus: „Mit ihren Romanen demonstrierten sie dann nicht nur, dass ein guter Kriminalroman exzellente Literatur sein kann, sondern auch, dass die so genannte Trivialliteratur oft ein besseres Verständnis für die Welt, mit der wir es zu tun haben, erschließen kann als so manche Belletristik.“

Fausers 1985 erstmals bei Ullstein erschienener Roman „Schlangenmaul“ ist angenehm kurz. Die Sprache ist klar und witzig. Der Protagonist des Thrillers, Heinz Harder, ist 38 Jahre alt, Journalist und hat ein massives Problem mit dem Finanzamt. Aus der Not heraus bietet er per Inserat seine Dienste als „Bergungsexperte für außergewöhnliche Fälle“ an. Ein Auftrag lässt nicht lange auf sich warten. Die Ex-Frau eines Baulöwen und Politikers, die schöne, blonde Nora Schäfer-Scheunemann, sucht ihre 18-jährige Tochter, die seit einiger Zeit verschwunden ist. Die Handlung spielt vornehmlich in West-Berlin, wo sich Harder auf die Spur der Vermissten macht und im Dunstkreis von Politik und Finanzwelt mit einem mysteriösen Schlangenkult konfrontiert wird.

Das Ganze ist eine rasante Zeitreise in die 80er Jahre (Harder trägt beispielsweise Lederschlipse). Das West-Berlin der damaligen Zeit lässt Fauser durch eine Romanfigur folgendermaßen charakterisieren: „Berlin ist ein Kunstgebilde, Harder, ein künstlich am Leben gehaltenes Symbol, ein Mythos am Tropf, aus sich selbst nicht lebensfähig, eine Subventionsmaschine, eine Schmiergeldmetropole. Berlin ist die Große Korruption.“

Dankenswerter Weise hat der Verlag der Jubiläumsausgabe auch noch den zuerst in „TransAtlantik“ veröffentlichten Fauser-Text „Ventil: Nichts gegen deutsche Krimis“ abgedruckt. Dort schreibt Fauser, dass der Kriminalroman die „letzte noch mögliche literarische Form ist, in der die Frage von Gut und Böse verhandelt wird“. Nanu, ist unser Autor etwa ein Moralist? Das schon, aber einer mit Stil: „Doch ich beeile mich hinzuzufügen: Unterhalb eines bestimmten ästhetischen Niveaus sackt solche Verhandlung ab zum Volkshochschulkolleg und zur soziologischen Gartenlaube, das ist dann so, als hielte ein Mann, der wie Fidel Castro aussieht, eine Rede, die Helmut Kohl geschrieben hat.“

Und wer noch etwas mehr über Fausers wildes kurzes Leben erfahren will, sollte das Nachwort des deutschen „Krimipapstes“ und Fauser-Weggefährten Martin Compart lesen. Ansgar Lange

Jörg Fauser: „Das Schlangenmaul“, Diogenes Verlag, Zürich 2009, broschiert, 320 Seiten, 9,90 Euro


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