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26.09.09 / Rot-Rot zieht herauf / Brandenburg wählt am 27. September einen neuen Landtag: Platzeck gilt als Favorit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-09 vom 26. September 2009

Rot-Rot zieht herauf
Brandenburg wählt am 27. September einen neuen Landtag: Platzeck gilt als Favorit

Für die märkische CDU könnte der Sonntag das Ende einer zehnjährigen Regierungsbeteiligung bringen. Die Union war in der Koalition mit der SPD zunehmend gefangen.

In Brandenburg verteidigen die Sozialdemokraten am Sonntag eine wichtige Hochburg. Matthias Platzeck gilt als unangefochtener Star auf der Bühne des kleinen Bundeslandes. Seine beiden Herausforderer Kerstin Kaiser (Linke) und Johanna Wanka (CDU) glauben selbst nicht so recht an ihren Sieg. Beide haben mit einem niedrigen Bekanntheitsgrad zu kämpfen, während sich Platzeck auf Plakaten ohne Namen abdrucken lässt. Er ist einfach nur noch „Der Brandenburger“.

Rückblende: 2004 war Brandenburg schon einmal der einzige Lichtblick der SPD. Nach dem Ende der rot-grünen Ära im Bund stand im märkischen Sand die letzte Bastion, die die Genossen noch mit Ach und Krach verteidigen konnten. SPD-Chef Franz Müntefering kommentierte den Ausgang des Wahlsonntags in seinem typischen Telegrammstil: „Brandenburg gut, Sachsen nicht so gut. Glück auf.“

Wie hat sich Deutschland seitdem verändert! Müntefering ist mittlerweile wieder SPD-Chef, aber seine Partei ist nur noch Juniorpartner in der Bundesregierung – und bald vielleicht nicht einmal mehr das. Wenn es schlecht ausgeht für die Genossen, dann ist Brandenburg ab diesem Herbst erneut eines der letzten Bundesländer, in denen die Partei noch den Ministerpräsidenten stellt.

Aber dass sie wenigstens hier siegreich sein werden, daran zweifelt niemand. In ihrer letzten Meinungsumfrage sah die „Forschungsgruppe Wahlen“ die SPD mit 32 Prozent klar vorn. Dahinter die Linke mit 27 und abgeschlagen die Union mit nur 22 Prozent. Bei den kleinen Parteien liegt die FDP mit sieben Prozent vor den Grünen mit fünf, Sonstige sieben.

Es ist allerdings völlig unklar, wie es nach der Wahl weitergeht. Die SPD kann sich den Koalitionspartner aussuchen. Ein rot-rotes Bündnis ist genauso denkbar wie eine Fortsetzung der rot-schwarzen Koalition, die hier so „groß“ nicht ist (zusammen 54 Prozent der Wähler).

Eine Konstellation ist zwar rechnerisch in greifbare Nähe gerückt, aber trotzdem unwahrscheinlich: die Ampelkoalition. Es gab so eine Regierung schon einmal, und sie endete damit, dass Liberale und Grüne 1994 zusammen aus dem Landtag flogen. Auch in Bremen ist ein solches Bündnis vor einigen Jahren gescheitert, in Berlin kam es trotz intensiver Verhandlungen 2002 gar nicht erst zustande. Die FDP-Führung hat einer bundesweiten Ampel zudem gerade eine deutliche Abfuhr erteilt. So gesehen spricht alles dagegen, dass diese drei Parteien in Potsdam zusammenkommen.

Auch, weil es bundespolitische Bedeutung hat, wen Matthias Platzeck ins Regierungsboot holt. Wenn er den Wechsel zu Rot-Rot vollziehen sollte, dann hätte das Signalwirkung. Noch ein Land, das 20 Jahre nach dem Mauerfall von den SED-Nachfolgen mitregiert wird – da wäre die Abgrenzung der SPD von der Linken noch ein Stück mehr aufgeweicht.

Andererseits ist Matthias Platzeck der fleischgewordene Gegensatz zu Klaus Wowereit, der das benachbarte Berlin mit der Linken regiert. Die beiden achten sich zwar, sind aber nicht gerade die dicksten Kumpel. Auf Presseterminen schmunzeln sie sich an, doch intern sei die Stimmung weniger herzlich, heißt es aus ihrer Umgebung. Wowereit halte Platzeck für einen Provinzonkel. Platzeck dagegen gilt als Pragmatiker in der SPD, der mit linken Experimenten nicht viel am Hut habe und mit Wowereits „Party-Image“ nichts anfangen könne.

Platzeck war zur Jahreswende 2005/2006 SPD-Bundeschef, kam aber mit der Belastung nicht klar und trat gesundheitlich angegriffen nach kaum fünf Monaten zurück. Wowereit hingegen giert nach seiner Chance auf einen Posten ganz oben und hofft sogar, mit einer „Volksfrontregierung“ Bundeskanzler werden zu können. Die Unterschiede zwischen zwei Männern könnten größer kaum sein.

Außerdem macht die Stasi-Vergangenheit der beiden Führer der Linken eine Zusammenarbeit schwierig. Spitzenkandidatin Kerstin Kaiser war während ihres Studiums MfS-Spitzel, Landesvorsitzender Thomas Nord verpfiff in Ost-Berlin reihenweise Menschen an den kommunistischen Geheimdienst. Dennoch, so wird vermutet, würde der genügsame Platzeck einen rot-roten Pakt eingehen, wenn auch mit weniger Begeisterung als Wowereit. Er verteidigt das so: „Wer sich 20 Jahre ernsthaft bemüht hat, unser Gemeinwesen zu gestalten und die Demokratie voranzubringen, hat ein Recht darauf, dass seine gesamte Lebensleistung gewürdigt wird."

Und was wird aus seinem bisherigen Partner CDU? Für die märkische Union wäre es vielleicht sogar besser, wenn sie in die Opposition zurückkehrte. Sie könnte sich neu ordnen und die nächste Wahl für einen echten Machtwechsel nutzen. Trotz aller Erfolge von Jörg Schönbohm als Innenminister war die Partei gefangen in der  Koalition. In zehn Jahren Rot-Schwarz konnte sie ihre Position nicht verbessern. Bei Wahlen hat sie fast immer den Kürzeren gezogen. Auch momentan vermeidet die Union jeden politischen Streit und thematisiert noch nicht einmal die Stasi-Vergangenheit der Links-Politiker. Spitzenkandidatin und Wissenschaftsministerin Johanna Wanka hat der Partei den Kuschelkurs der Bundeskanzlerin verordnet.

Am schlimmsten für Unionsanhänger: Die CDU konnte nicht einmal Kapital aus dem größten Polit-Skandal Brandenburgs seit der Revolution schlagen, der Bodenreform-Affäre, weil sie selbst mit im Boot gesessen hatte, als nach der Wende Tausende von Landbesitzern enteignet wurden. Dieser Vorgang sei eines „Rechtsstaates unwürdig“ urteilte der Bundesgerichtshof hinterher, aber ein politisches Erdbeben blieb aus, weil Brandenburgs Parteien zusammenhielten wie Pech und Schwefel. Markus Schleusener

Foto: Einfach nur „der Brandenburger“: Matthias Platzeck gab am 12. September beim sechsten Brandenburger Dorf- und Erntefest in Oranienburg seine Lieblingsrolle – den gutmütigen Landesvater.


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