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26.09.09 / Swē kwaþe Arminius / Die germanische Sprache erlaubt Rückschlüsse auf die Sieger der Varusschlacht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-09 vom 26. September 2009

Swē kwaþe Arminius
Die germanische Sprache erlaubt Rückschlüsse auf die Sieger der Varusschlacht

In diesen Tagen jährt sich die Schlacht im Teutoburger Wald zum 2000. Mal. Die Historiker sind sich einig, dass der Untergang von rund 22000 römischen Soldaten im heutigen Norddeutschland eine welthistorische Wendung darstellt.

Das außergewöhnliche Jubiläum hat das Interesse an den Germanen sprunghaft zunehmen lassen. Seit Monaten beleuchtet eine wahre Flut von Veröffentlichungen nahezu jeden Aspekt des damaligen Geschehens. Doch das Wissen um die beiden Parteien, die sich in den Jahren 15 vor bis 17 Christus einen „32-jährigen Krieg“ lieferten, ist sehr unterschiedlich detailliert: Schriftliche Quellen geben uns genau Aufschluss über die römische Geschichte, den Staatsaufbau, das Militär und über etliche der im Germanen-Krieg handelnden Personen. Auch hat die höhere entwickelte Technik der Römer mehr Spuren hinterlassen, beispielsweise Hausfundamente, Straßen, Münzen, Inschriften und Gläser, für die es auf der germanischen Seite kaum Entsprechungen gibt.

Von den Germanen kennen wir nur die Namen einer Handvoll Akteure, kaum Lebensdaten und fast keine Ortsnamen. Wir wissen sehr wenig über den Aufbau von Staat, Gesellschaft und Militär. Die römische Expansion ging zunächst sehr rasch voran: Bereits im Jahre 8 vor Christus glaubten die Römer, Germanien bis zur Elbe unterworfen zu haben, zwei große Siegesdenkmäler hatten sie dort schon gebaut. Aber es ist kaum feststellbar, wie die verschiedenen Stämme und ihre Entscheidungsträger auf diese Eroberung reagierten.

Neben der Archäologie und den Hinweisen antiker Schriftsteller stellt die Linguistik die dritte Hauptquelle für unser Wissen über die Vorfahren der Skandinavier und Engländer, der Niederländer und eines großen Teils der Deutschen dar. Obwohl keine Originaltexte in germanischer Sprache erhalten sind – die ältesten Runeninschriften beginnen rund 200 Jahre später, als sich germanische Spracheinheit bereits aufgelöst hatte und geben einen veränderten Sprachzustand wieder – haben Sprachwissenschaftler in bald 200-jähriger Sysiphusarbeit „aus den erhaltenen Scherben das urspüngliche Gefäß“ annähernd rekonstruiert. Die erhaltenen Scherben, das sind die Nachfolgesprachen des Protogermanischen, wie etwa Althochdeutsch, Altenglisch, Altnordisch und vor allem das urtümliche, ostgermanische Gotisch.

Während manche Facette des Germanischen, etwa Teile des Wortschatzes und manche Aspekte der Grammatik, nicht mehr mit irgendeinem Grad an Gewissheit zu rekonstruieren sind, sind die Sprachwissenschaftler doch sicher, dass sie Texte verfassen könnten, die Arminius und seine Kämpfer problemlos verstanden hätten. Erst recht wäre deren Rede für Altgermanisten gewiss zu verstehen, auch die Runenfunde sind, soweit sie lesbar sind, in aller Regel problemlos zu verstehen. Denn die erwähnten Nachfolgesprachen vom Gotischen bis zum Althochdeutschen, die etwa seit der Zeitenwende – also eben seit der Schlacht im Teutoburger Wald – eigene Wege gegangen sind, sind einander noch so ähnlich, dass die gemeinsame Ausgangsbasis ziemlich zuverlässig und exakt rekonstruierbar ist.

Da die Sprache einer Gemeinschaft Rückschlüsse auf deren soziale Ordnung, materielle Kultur, Religion und sogar auf ihr Denken zulässt, wäre eigentlich zu erwarten, dass die germanische Sprache gerade in einem Gedenkjahr wie 2009 auf breites Interesse stößt. Tatsächlich beschäftigen sich bisher aber fast nur Linguisten im „Elfenbeinturm der Wissenschaft“ mit dieser Sprache, von der die Preußische Allgemeine Zeitung auf dieser Seite ein paar ausgesuchte Kostproben präsentiert. Die Überschrift dieses Artikels  bedeuet: „So redete Arminius“. Da er als römischer Offizier auch perfekt Latein konnte, wäre hinzuzufügen: Jedenfalls mit seinen Landsleuten. Konrad Badenheuer

Foto: Die wichtigste Quelle für die Erforschung des Germanischen ist die gotische Bibelübersetzung von Bischof Wulfila aus der Zeit um 375 nach Christus.

 

Zeitzeugen

Jacob Grimm – Der ältere der Brüder Grimm, geboren 1785 in Hanau, war nicht nur Sprach- und Literaturwissenschaftler, sondern auch Jurist. Grimm gilt mit seiner „Deutschen Grammatik“ von 1819 als Begründer der deutschen und auch der altgermanischen Philologie. Nach ihm heißt die erste (germanische) Lautverschiebung auch „Grimms Gesetz“.

 

Karl Verner – Dem dänischen Linguisten (1846 - 1896) gelang ein Durchbruch: Ein nach ihm benanntes sprachwissenschaftliches Gesetz erklärt eine bis dahin rätselhafte Unregelmäßigkeit der ersten Lautverschiebung. Verners ziemlich geniale Entdeckung von 1875 eröffnete ganz neue Einblicke in die nicht überlieferte Frühphase der germanischen Sprache und in deren Entstehung aus dem Indogermanischen.

 

Jürgen Udolph – Der 1943 in Leipzig geborene Forscher ist durch seine erfrischenden Bücher und Fernsehauftritte zur Namensforschung der heute wohl bekannteste lebende Altgermanist. Sein Publikum unterhält er mit Hinweisen wie dem, dass der Familienname „Wackernagel“ offenbar tatsächlich auf einen in erotischer Hinsicht besonders aktiven Ahnen zurückzuführen ist. Udolph vertritt die Überzeugung, dass die germanische Sprache nicht in Skandinavien, sondern in Mittel- und Norddeutschland entstanden ist.

 

Karl Brugmann – Der in Leipzig lehrende Linguist gilt als wichtigster Erforscher des Indogermanischen. Aus dieser rekonstruierten Sprache, die vermutlich im 4. Jahrtausend vor Christus im heutigen Südrussland gesprochen wurde, haben sich fast alle europäischen Sprachen entwickelt, auch das Germanische. Brugmann lebte von 1849 bis 1919.

 

Wolfram Euler – Der in München lebende Indogermanist hat über 75 Bücher und Aufsätze zu fast allen Zweigen des Indogermanischen verfasst. Der 1950 Geborene hat viel über das Altpreußische geforscht und trug wesentlich zum Nachweis bei, dass das Griechische dem Indischen nähersteht als etwa dem Lateinischen. Heute ist sein Schwerpunkt die Altgermanistik. Mit dem gleichnamigen Mathematiker ist Euler entfernt verwandt.


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