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26.09.09 / Wissen, das keiner braucht / Der »Anti-Nobelpreis« würdigt skurrile Studien – Auszeichnung aus der Hand echter Nobelpreisträger

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-09 vom 26. September 2009

Wissen, das keiner braucht
Der »Anti-Nobelpreis« würdigt skurrile Studien – Auszeichnung aus der Hand echter Nobelpreisträger

Auszeichnungen gibt es etliche in der Wissenschaft, auf eine sind die meisten Forscher in der Regel jedoch nicht wirklich aus: der Ig-Nobelpreis, der skurrile Studien prämiert. Wissenschaft muss sich nicht immer mit abstrakten Theorien beschäftigen, sie kann auch den Alltag erleichtern: So haben Nic Svenson und Piers Barnes von der „Australian Commonwealth Scientific and Research Organization“ berechnet, wie viele Fotos man von einer Menschengruppe machen muss, damit auf mindestens einem Bild niemand blinzelt. Das Ergebnis ist ganz einfach: Die Zahl der abgebildeten Personen geteilt durch drei. Das Ergebnis brachte den Wissenschaftlern 2006 den Ig-Nobelpreis für Mathematik ein.

Im selben Jahr erhielten Basile Audoly und Sebastien Neukirch von der „Universität Pierre und Marie Curie“ in Paris den Ig-Nobelpreis für Physik, indem sie Einblicke in das Phänomen gaben, warum trockene Spaghetti bei Biegung meist in mehr als zwei Teile zerbrechen.

Francis Fesmire vom „Tennessee College of Medecine“ in Memphis machte sich um den Ig-Nobelpreis für Medizin verdient, weil er herausfand, dass man hartnäckigen Schluckauf durch eine Rektal-Massage mit dem Finger kurieren kann.

Mayu Yamamoto vom „International Medical Center of Japan“ erhielt 2007 den Ig-Nobelpreis für Chemie, weil ihm die Extraktion von Vanille-Aroma aus Kuhdung gelang.

Massimiliano Zampini von der „Università degli Studi di Trento“ in Italien und Charles Spence von der „University of Oxford“ in Großbritannien wurden mit dem Ig-Nobelpreis für Ernährung ausgezeichnet, weil sie herausfanden, dass Lebensmittel besser schmecken, wenn sie ansprechender benannt werden.

Das wohl mithin bekannteste Forschungsergebnis, für das es den „Anti-Nobelpreis“ gab, war das bereits 1949 durch John Paul Stapp, Edward A. Murphy und George Nichols formulierte „Gesetz von Murphy“, nach dem immer dann, wenn es zwei oder mehr Wege gibt, etwas zu tun, und einer der Wege zu einer Katastrophe führt, genau dieser Weg einschlagen wird. In der Kurzfassung auch übersetzt als: „Falls irgendetwas schief gehen kann, wird es das.“ Die Preisträger erhielten die Auszeichnung 2003 posthum im Bereich Ingenieurwissenschaften. Auch Robert Matthews von der „Aston University“ in Birmingham wurde für seine Studien zu besagtem Gesetz, insbesondere über den Nachweis, dass Toastbrotscheiben immer auf die gebutterte Seite fallen, mit dem Ig-Nobelpreis geehrt.

Bereits seit 18 Jahren wird der Ig-Nobelpreis – gelegentlich auch als „Anti-Nobelpreis“ bezeichnet – von der Harvard-Universität in Cambridge für unnütze, unwichtige oder skurrile wissenschaftliche Arbeiten verliehen. Das englische Wort „ignoble“ bedeutet in etwa „unwürdig“ oder „schmachvoll“, dennoch ist diese Auszeichnung keineswegs eine Schande, sondern eine satirische Auszeichnung, die längst zu einem nicht ganz ernst zu nehmenden Höhepunkt im Kalender der internationalen Forschergemeinde geworden ist.

Mit dem „Nobelpreis der anderen Art“ prämiert die Jury, die sich aus Mitgliedern der Universitäten Harvard und Radcliffe und der Redaktion der Zeitschrift „Annals of Improbable Research“ zusammensetzt, Forschungen und Entwicklungen, die erst zum Lachen, dann zum Denken anregen. Was auf der einen Seite so boshaft-witzig daherkommt, ist letztlich eine echte Auszeichnung für Mut, den Forscher und Herausgeber aufbringen, sich mit einem ungewöhnlichen Thema zu beschäftigen – und sich schlimmstenfalls lächerlich zu machen. Ausschlaggebend für die Nominierung ist nach Angaben von Preisgründer Marc Abrahams, dass die Arbeiten „nicht wiederholt werden können oder sollten“. Weiterhin muss das Forschungsthema neuartig sein – niemand darf vorher eine ähnliche wissenschaftliche Studie abgeliefert haben.

Auffällig ist, dass lediglich ein einziges Mal deutsche Forscher unter den Preisträgern waren, nämlich 2002, als eine Auszeichnung an Dr. Arnd Leike von der Ludwig-Maximilians-Universität München für die Untersuchung zum exponentiellen Zerfall von Bierschaum ging.

Die Erklärung hierfür liegt nach Reinhard Breuer, dem Chefredakteur des Magazins „Spektrum der Wissenschaft“, darin, dass man ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit braucht, um sich auf diese Art von Forschung einlassen zu können. „In Ländern wie den USA oder Kanada ist der Umgang mit den Medien entspannt, bei uns ist es genau umgekehrt“, erklärt Breuer. „Wer sich hier mit scheinbar nutzloser Forschung an die Öffentlichkeit wagt, gefährdet seinen Ruf. In kampagnenfähigen Medien wie der ,Bild‘-Zeitung zerrissen zu werden kann unter Umständen die Karriere kosten“, so der Medienexperte.

Die Preisverleihung findet jeweils gleichzeitig mit der Verkündung der echten Nobelpreis-Empfänger im Oktober statt. Hierbei zeigt die internationale Wissenschaft einmal mehr ihren Sinn für Humor: Während die Preisträger im Sanders-Theater der Harvard-Universität ihre Auszeichnungen aus der Hand echter Nobelpreisträger entgegen nehmen, werden sie vom Publikum traditionell mit Papierfliegern beworfen. Die „Dankesrede“ anlässlich der Preisüberreichung darf dann – um das Skurrile auch im Abschluss zu wahren – aus maximal sieben Worten bestehen. Eine andere Quelle besagt: Für ihre Reden haben die Preisträger – um das Skurrile auch im Abschluss zu wahren – genau eine Minute Zeit.    Corinna Weinert


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