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26.09.09 / Vertreibung zeichnete sich ab / Schon ab 1919 wurden deutsche Minderheiten gezielt verdrängt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-09 vom 26. September 2009

Vertreibung zeichnete sich ab
Schon ab 1919 wurden deutsche Minderheiten gezielt verdrängt

In den Jahren 1919 bis 1921 zerschlugen die Siegermächte des Ersten Weltkriegs ein europäisches Großreich und ein vorderasiatisches, das habsburgische und das osmanische. Eine dritte Macht, das Deutsche Reich, verlor vorerst ihren Großmachtstatus. Zu dieser Zeitenwende von 1919 ging es den Siegern de facto nicht um eine Friedensordnung, sondern um ein neues Machtgefüge für Europa und den Nahen Osten. Die Nachkriegsordnung mit ihren Landgewinnen in Europa, in Vorderasien und in den Kolonien sicherte neue Märkte, Handelswege und Bodenschätze. Die dabei gezogenen Grenzen gingen in vielen Fällen über die Volks- und Sprachzugehörigkeit der ansässigen Bevölkerung hinweg. Das ist so von der Ukraine bis Syrien gewesen, aber auch in Westpreußen, im Sudetenland und in Südtirol. Auch wenn es im deutschsprachigen Raum zwischen 1919 und 1939 noch nicht zur Vertreibung geschlossener Volksgruppen gekommen ist, so versuchten die Gewinner dieser Nachkriegsordnung doch auf mannigfaltige Art, ihre ungeliebten deutschen Landeskinder zu verdrängen.

Im neu entstandenen Polen beispielsweise mussten die Bürger deutscher Sprache, die darauf bestanden, deutsch zu bleiben, binnen Jahresfrist das Land verlassen. Auch in Frankreich fand man einen subtilen Weg, die seit 1871 aus den übrigen Teilen des Deutschen Reiches in das Elsass und nach Lothringen Zugezogenen mitsamt ihren dort geborenen Nachkommen zu verdrängen: Nach Artikel 74 des Vertrages von Versailles wurden sie enteignet. Das war 1871, bei der Rückgliederung des Elsass und von Teilen Lothringens an das Reich ganz anders: Wer französicher Bürger bleiben wollte (was insbesondere viele französischsprachige Bürger der Stadt Metz bevorzugten), dem garantierte Artikel 2 des Friedens zu Frankfurt den Besitz.

In der Tschechoslowakei wurde die deutschsprachige Bevölkerung in ihren Siedlungsgebieten schon ab Ende 1918 durch eine große Zahl minderheitenfeindlicher Gesetze und Anordnungen von den Tschechen unterwandert und räumlich, wirtschaftlich und politisch an den Rand gedrängt.

Im Oktober 1938 kam die Rück-kehr der Sudetendeutschen in das deutsch-österreichische Reichsgebiet – wenn auch mit Hitlers Androhung eines Krieges – noch auf dem Verhandlungsweg zustande. Von den rund 800000 Tschechen, die zu der Zeit in den nun reichsangeschlossenen Gebieten wohnten, war über die Hälfte erst seit 1919 zugezogen. Die meisten dieser Neusiedler (überwiegend Staatsbedienstete einschließlich Soldaten samt Familien) verließen das Gebiet nun wieder, nur ganze 140 wurden als „missliebige Personen“ ausgewiesen. Wer in den Wirren der letzten Monate als Tscheche das Sudetenland oder als Deutscher die innere Tschechei verlassen hatte, bekam aufgrund des Vertrages vom 20. November 1938 sein bewegliches Eigentum zurück beziehungsweise durfte es bei der Rückkehr behalten. Auch das Immobilieneigentum wurde gewährleistet. Dementsprechend schrieb die tschechische Zeitung „Právo“ am 1. Januar 2003: „Es ist wahr, dass nur ein Bruchteil von ihnen physisch vertrieben oder amtlich ausgesiedelt wurde. In den übrigen Fällen handelte es sich … um den Verlust der Beschäftigung und Bedrohung … als Folge einer durch Henleinleute hervorgerufenen Psychose.“ So problematisch auch dieser Exodus von Rückwanderern und Ausgewiesenen gewesen ist, er verlief weitestgehend ohne Gewalt, ist auch deswegen kein Vorgänger der Vertreibung der 3,2 Millionen Sudetendeutschen 1945/46, bei der Zehntausende durch Mord, Totschlag und Hunger ums Leben kamen. Auch das vor 70 Jahren errichtete deutsche Protektorat über die Tschechen von 1939 bis 1945 rechtfertigt weder die Vertreibung noch den dabei verübten Massenmord. Gerd Schultze-Rhonhof

Der Autor dieses Beitrages ist Verfasser des Buches „Das tschechisch-deutsche Drama 1918–1939“, Olzog, München 2008, gebunden, 512 Seiten, 34 Euro.


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