29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
03.10.09 / Keine Kehrtwende im Bund / Die bisherigen Erklärungen lassen ein eher behutsames Umsteuern der neuen Regierung erwarten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-09 vom 03. Oktober 2009

Keine Kehrtwende im Bund
Die bisherigen Erklärungen lassen ein eher behutsames Umsteuern der neuen Regierung erwarten

Wie historisch war die Bundestagwahl? Manche haben im umgekrempelten deutschen Parteienspektrum eine schwarz-gelbe Mehrheit nicht mehr für möglich gehalten. Allerdings ist Schwarz-Gelb im Jahre 2009 nicht mehr dasselbe wie noch 1982. Die Veränderungen dürften vergleichsweise überschaubar bleiben.

Bei drei aufeinanderfolgenden Bundestagswahlen, 1998, 2002 und 2005 erzielten die drei Parteien SPD, Gründe und PDS/Linke in der Summe jeweils ziemlich genau 51,5 Prozent. Manche in der SPD hielten diese Konstellation bereits für so festgefügt, dass sie nurmehr darauf hinzuarbeiten schienen, aus dieser Mehrheit der Mandate ein Regierungsbündnis zu formen.

Die CDU ihrerseits opferte erhebliche Teile ihres Programms dem Ziel, in einer tiefgreifend veränderten deutschen Gesellschaft gemeinsam mit der FDP wieder eine Mehrheit zu bekommen: Staatliche Betreuung für Kleinkinder von ein bis drei Jahren, Ganztagsschulen, „Kampf gegen rechts“, Standpauke für den Papst, geschleifter Paragraph 218, mehr Embryonenfroschung, Homo-Ehe - alle diese Dinge hätte und hat die CDU noch vor einigen wenigen Jahren bekämpft, wenn SPD oder Grüne sie vorschlugen oder vorgeschlagen hätten. Nun sind diese Inhalte selbst Teil der Programmatik der CDU, deren einstiger national-konservativer Flügel nicht mehr existiert.

Egal, ob richtig oder falsch: Die geänderte „Positionierung“ der CDU hatte zumindest soviel einschläfernde Wirkung auf linke Wähler im Lande, dass zusammen mit dem Charisma einer Bundeskanzlerin Angela Merkel eine schwarz-gelbe Mehrheit der Mandate möglich wurde.

Doch obwohl die Probleme im Jahre 2009 größer sind als 1982 ist, dürfte der Reformeifer eher geringer sein. Die Unwilligkeit der Deutschen, auch unabweisbar notwendige Sanierungsschritte zu akzeptieren, haben die Verantwortlichen nach schmerzlichen Lektionen an der Wahlurne tief verinnerlicht.

Was bedeutet all das für die Koalitionsverhandlungen und den Kurs einer Regierung Merkel/Westerwelle? Rasche Kompromisse sind absehbar in den Bereichen Außenpolitik, Bildung und Umwelt. In der Energiepolitik ist eine Verlängerung der Restlaufzeit der Kernkraftwerke absehbar und eine Verringerung der Subventionen für erneuerbare Energien wie Sonne und Wind. Beides kann - je nach Ausgestaltung der Abmachungen mit der Energiewirtschaft - den Bürger ganz spürbar entlasten. Doch gewiss werden in Zeiten wie diesen diese Wohltaten nicht einfach „netto“ weitergegeben, sondern in einer Weise mit Kürzungen verknüpft, dass die Politik behaupten kann, unter dem Strich stelle sich der Bürger immer noch besser als zuvor.

Mögliche Belastungen könnte es bei der einen oder andere Sozialleistung geben, auch die Sonderzuschüsse der vergangenen beiden Jahre für Rentner dürften sich so schnell nicht wiederholen. Die von den Liberalen geforderten Steuersenkungen sind vorerst kaum realistisch - nicht mangels Verhandlungsmacht der FDP, sondern angesichts der Haushaltslage. Vermutlich bleibt es bei einer eher symbolischen Entlastung der Familien durch eine Erhöhung der Freibeträge oder kleinen Entlastungen im Bereich der Progression und bei der Erbschaftssteuer.

Mit dieser Herangehensweise wird allerdings der Bundeshaushalt 2010 kaum entlastet. Gleich drei Argumente bieten sich den Verantwortlichen, substanzielle Sanierungsschritte um ein Jahr zu verschieben: Die Rücksicht auf die noch nicht überwundene Finanzkrise, der Zeitbedarf zur Erstellung eines wirklich neuen Haushalts 2010 und die Rücksicht auf die Wahl in Nordrhein-Westfalen im Mai nächsten Jahres. Letzteres Argument würde wohl kein Politiker offen aussprechen, doch es könnte in diesem Zusammenhang das gewichtigste sein.

Spannend ist die Frage, wie der Koalitionspoker in all den Feldern ausgeht, in denen FDP und CDU/CSU deutlich auseinanderliegen: Dazu gehören der Gesundheitsfonds, die Bundesagentur für Arbeit und die Wehrpflicht (die die FDP jeweils am liebsten abschaffen wollte), aber auch der Kündigungsschutz, die innere Sicherheit und das Thema Datenschutz. Beim Thema Steuerreform  besteht Einigkeit nur darin, dass es einfacher, gerechter und insgesamt mit weniger Belastungen abgehen soll, fast alles andere ist umstritten.

Unverändert gibt es Hinweise, dass die CDU im Zuge einer breit angelegten Steuerreform mit niedrigeren Tarifen dazu bereit sein könnte, bei der Mehrwertsteuer noch einmal „zuzugreifen“: Dafür spricht der eher geringe Aufschrei des Patienten bei diesem Schnitt im Jahre 2005, das hohe Aufkommen dieser Steuer und der ökonomisch sinnvolle Effekt, dass eine Steuerreform in dieser Kombination eine Umverteilung hin zum arbeitenden Teil der Bevölkerung bewirken würde; die „Sündenfälle“ bei der Rente in den vergangenen beiden Jahren würden dadurch abgemildert. All das weiß auch die FDP, doch aufgrund der klaren Aussagen Merkels sind dies allerdings Überlegungen eher für 2011 oder 2012.

Ganz bewusst wurden hier keine Personalspekulationen kolportiert, auch wenn diese Frage natürlich die Sachverhandlungen ganz wesentlich prägt. Zwar wird formal wirklich zuerst der Koalitionsvertrag ausgehandelt und erst anschließend werden die Posten verteilt. In der Praxis haben die Unterhändler am Verhandlungstisch beim Poker um Kompromisse aber immer den Gedanken im Hinterkopf, wie diese oder jene Sachentscheidung die Berufungsschancen ihrer Favoriten und Gefolgsleute beeinflusst.

Offenbar soll zudem zügiger verhandelt werden als 2005. Bis zur Konstituierung des Bundestages am 27. Oktober soll der Koalitionsvertrag stehen, soll die Bundeskanzlerin schon zwei Tage nach der gewonnenen Wahl einen Termin gesetzt haben. Konrad Badenheuer

Foto: Treffen im Kanzleramt: Angela Merkel und ihr künftiger Vizekanzler Guido Westerwelle.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren