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03.10.09 / Mit Tupolew aufs Abstellgleis / Mangelnde Konkurrenzfähigkeit führt zu Massenentlassungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-09 vom 03. Oktober 2009

Mit Tupolew aufs Abstellgleis
Mangelnde Konkurrenzfähigkeit führt zu Massenentlassungen

Aus der Traum vom Drehkreuz Königsberg. Die erst vor wenigen Jahren neu gegründete Fluglinie „Kaliningrad Avia“ ist pleite, weil sie Schulden in Milliardenhöhe nicht mehr begleichen kann. Die 2500 Beschäftigten, die seit Jahresbeginn trotz Staatshilfen an „KD Avia“ vergebens auf ihre Löhne warteten, stehen auf der Straße. Nachdem die Verluste der Fluglinie auf 314 Millionen Euro angewachsen waren, entzog die russische Luftfahrtbehörde ihr am 14. September die Fluglizenz.

Dies ist jedoch nicht der einzige Verlust in der russischen Luftfahrt. Selbst Aeroflot, die größte staatliche Gesellschaft, die etwa 45 Prozent des Marktes bei den Auslandsverbindungen beherrscht, baut 2200 Stellen von insgesamt 15500 ab und kündigte weiteren Stellenabbau an, sollte die wirtschaftliche Lage weiter angespannt bleiben. Auch die zweitgrößte Fluggesellschaft „Rossija“ streicht etwa ein Drittel ihrer Stellen. Vordergründig gibt Rossija als Grund für die Einsparungen notwendige Umstrukturierungen an, die laut Firmenleitung sozial verträglich vorgenommen werden. Das sieht die Gewerkschaft der Piloten anders. Weder sei der Betriebsrat informiert oder zu Rate gezogen worden, noch habe es Umschulungs- oder Weiterbildungsangebote für die Mitarbeiter gegeben.

Hintergrund für den drastischen Stellenabbau ist neben der Weltwirtschaftskrise die notwendige Modernisierung des Flugzeugbestands. So sollen nach und nach sämtliche Maschinen vom Typ Tupolew TU-154 ausgemustert werden, da sie stark veraltet sind. Das aktuelle Passagierflugzeug mit moderner Bauweise, die TU-204-300 − sie sollte dem Airbus A-320 Konkurrenz machen − konnte jedoch wegen Kapazitätsengpässen beim Tupolew-Werk nicht in ausreichender Zahl produziert werden. Die zweite russische Passagiermaschine, Iljuschin Il-86, wird nur noch im Bereich der GUS-Staaten eingesetzt, weil sie aufgrund ihrer Lautstärke beinahe weltweit Flugverbot erhielt. So sind Aeroflot und Rossija auf den Kauf westlicher Produktion angewiesen. Vorwiegend kommen Airbus und Boeing zum Einsatz.

Obwohl das Tupolew-Werk mit Sitz in Moskau zu einem der ältesten und wichtigsten Flugzeughersteller der Welt zählt, gelingt es den Russen nicht, sich aus den Vorteilen ihrer Maschinen einen Wettbewerbsvorteil zu sichern. Die TU-154 gilt als zuverlässiges Flugzeug, das im Unterschied zu westlichen Maschinen über ein sehr robustes Fahrwerk verfügt, das auch den Betrieb auf unbefestigten Pisten erlaubt. Dem höheren Treibstoffverbrauch stehen geringere Anschaffungskosten gegenüber, weil auf den Einbau kostspieliger Komponenten, die im Westen üblich sind, verzichtet wurde.

Erfahrene Piloten, Ingenieure und Stewardessen, die jahrzehntelang auf der TU-154 eingesetzt waren, werden nun durch jüngere ersetzt, die bereits auf Boeing oder Airbus geschult wurden. Ein Vorteil für Mitarbeiter der KD-Avia, die mit geleasten Boeings flog. Die Pilotengewerkschaft befürchtet weitere Nachteile, weil sie nach der Stillegung dutzender Flugzeuge mit der Ausdünnung des Streckennetzes rechnet.          M. Rosenthal-Kappi


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