19.04.2024

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03.10.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-09 vom 03. Oktober 2009

Schurken / Was Steinmeier zu sehen bekam, wie wir Blümchen Hubertus übersehen konnten, und  warum England aufs Höchste alarmiert ist
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Wer den tosenden Jubel der versammelten SPD-Anhänger hörte, ohne die Prognosezahlen am unteren Bildschirmrand zu beachten, der musste glauben, strahlenden Siegern zuzugucken. Was für ein Gejohle! Und die überschäumende Liebe, die den beiden Männern auf dem Podium, Frank-Walter Steinmeier und Franz Müntefering, entgegenschlug! Es war herzerfrischend, so viel Glück, so viel Enthusiasmus.

Dann glitt der Blick doch hinunter auf die Zahlen: Prognose 22,5 Prozent. Der Untergang. Also was feierten die eigentlich? Was machte die Genossen so euphorisch? Waren verbotene Substanzen im Spiel? Nichts von dem: Die Ursache dieser reichlich surrealen Vorstellung enthüllte Steinmeier ungewollt über sein Mikrofon. Das Ergebnis sei bitter für ihn, gestand er in die bizarre Hurra-Stimmung hinein, und zwar insbesondere deshalb, weil er „die Stimmung auf den Straßen und Plätzen anders wahrgenommen“ habe, so der Kandidat. soll wohl heißen: Weil es da viel mehr nach einem Erfolg für die SPD ausgesehen hatte.

Wie kam es zu dieser Sinnestäuschung? Das kam wahrscheinlich davon, dass die SPD-Kampagnen-Regie penibel dafür gesorgt hatte, die „Straßen und Plätze“ mit ihren bestellten Fans zu bevölkern. Gegen die halbprofessionellen Bevölkerungsdarsteller der „Steinmeier-Teams“ hatte das nörgelnde Normalvolk nicht den Schimmer einer Chance.

Diese Steinmeier-Teams umschwärmten ihren Meister bei jedem Auftritt und spien ihre unerschöpfliche „Engagiertheit“ in die Kameras der umstehenden Medienvertreter. So pilgerte Steinmeier von einer potemkinschen Wahlveranstaltung zur nächsten und wurde sich seiner Sieges­chancen von Inszenierung zu Inszenierung sicherer. Am Ende hatte er sich gar auf die Überholspur halluziniert: „Das Rennen ist wieder offen. Wer aufholen kann, der kann auch überholen!“ Kurz darauf raste der Steinmeierzug über die Klippe in den Abgrund von 23 Prozent.

Auf jener Jubelveranstaltung müssen sie noch in der Luft gewesen sein, doch schon Montag folgte der harte Aufprall. Aus dem Wrack des zerschellten Überholzugs krabbelte ein Rudel emsig giftender Parteigranden, während Münte einfach stur im zerschellten Führerhaus sitzenblieb und „brummbrumm“ machte, um die anderen glauben zu lassen, dass es mit ihm auf der Lok trotz allem noch vorangehe.

Das nützt ihm aber nichts, rund um die Trümmer des SPD-Zuges hat ein wildes Gekloppe eingesetzt, wobei es auch menschlich nicht immer faltenfrei zugeht. Sie kennen die peinliche Situation von Partys: Man glaubt, alle Gäste ausreichend beachtet zu haben, doch plötzlich steht einer auf, verabschiedet sich und Sie merken: Herrje, mit dem armen Tropf hat ja den ganzen Abend über kein Mensch ein Wort gewechselt! Erst jetzt, wo sich das blasse Mauerblümchen geknickt davonmacht, haben die übrigen seine Anwesenheit bemerkt.

Blümchen Hubertus war immerhin SPD-Generalsekretär und damit eigentlich der amtliche Mittelpunkt der Wahlkampagne. Doch schon seit vielen Monaten verglimmt der politische Stern des Genossen Heil am Rande des Geschehens, dort, wo  das Telefon niemals klingelt.

Vergangenen Dienstag hat er lauthals „Tschüs“ in die Runde geschluchzt und seinen Rückzug angekündigt. Hätte er sich still und leise in Luft aufgelöst, wäre vermutlich niemandem aufgefallen, dass mit ihm einer fehlt in der Führung der SPD. Eine merkwürdige Karriere mit ihrer ganz eigenen Tragik ist das. Auf geheimnisvolle Weise war der einst schillernde Posten des SPD-Generalsekretärs nach und nach zur Gänze verblasst, und der gute Herr Heil mit ihm.

Als Nachfolgerin wird Andrea Nahles gehandelt. Die Parteilinke umschleicht das Buffet der interessanten Posten schon seit langem mit solch verbissener Ausdauer, dass man sie wohl endlich abspeisen muss, damit sie nicht noch lästiger wird. „Lästiger geht nicht“, meinen Sie? Dann wird Ihre Phantasie kaum ausreichen, um sich vorzustellen, was Frau Nahles in den nächsten Jahren alles auf die Bühne zaubern wird. Von der ist noch eine Menge zu erwarten, was jetzt keine Wertung sein soll. Oder doch. 

Auf der anderen Seite des Spektrums übt sich Guido Westerwelle derweil in seinem künftigen Amt als Außenminister. Von dem Pos­ten aus muss er möglichst schnell unterscheiden lernen, wer Feind ist und wer Freund. Bei der Orientierung sind ihm die versammelten Journalisten aus aller Welt freundlich und loyal zur Hand gegangen bei seiner ersten Pressekonferenz im Lichte der globalen Öffentlichkeit. Alles lief wunderbar und harmonisch. Nette Fragen, allgemein gehaltene Antworten – wie das so läuft bei Neulingen, von denen sich die Medien des Auslands erst einmal ein Bild machen müssen. Ein charmantes Kennenlernen eben, bis, ja – bis der Engländer seinen Finger hob.

Die Londoner BBC hatte einen Kerl nach Berlin geschickt, der entweder kein Deutsch sprechen konnte oder nicht wollte. Also überfiel er Westerwelle in seinem Heimat-Idiom Englisch und erwartete, dass der Deutsche auch in dieser Sprache antworten würde. Stattdessen klärte der FDP-Chef den Briten darüber auf, dass man in Berlin sei, und bat ihn, seine Frage gefälligst auf deutsch zu stellen. Welche Frage das war, spielte in der britischen Bericht­erstattung danach überhaupt keine Rolle mehr. Vielmehr alarmierten englische Medien die Welt wegen des „neuen teutonischen Selbstbewusstseins“, das dem BBC-Mann da ins Gesicht geweht sei.

Die Szene erinnert an den verstaubten Witz über einen englischen Snob, den sein Butler nach der Rückkehr aus dem Spanien-Urlaub fragt, ob er dort unten denn keine Probleme mit der Sprache gehabt habe: „Ich nicht, die Spanier schon“, antwortet der blasierte Holzkopf.

Früher liebten wir diese Geschichtchen und die Engländer gleich mit ihnen. Wir hielten solche Sprüche nämlich für den Ausdruck ihrer unnachahmlichen Ironie und ihrer Freude an provokanter Süffisanz. Wir hatten keine Ahnung! Nichts mit Ironie und keine Spur von Süffisanz: Der Snob schwebte in einer Mischung aus Mitleid und Verachtung für die Spanier, die so gar nicht „richtig“ sprechen konnten. Und der britische Reporter fühlte sich von Westerwelles Hinweis auf die selbstverständlichen Gepflogenheiten regelrecht national bedroht.

Ob die verschrobene Dünnhäutigkeit dieses konsternierten Angelsachsen mit der Krise zu tun hat? Na ja, über 25 Jahre hinweg gefielen sich die Briten darin, die Deutschen für ihren ängstlichen Sozialstaat zu veräppeln, und erteilten Lektionen in freier Marktwirtschaft. Dabei gefielen sie sich ungemein gut in der Pose des mutigen Marktlöwen, der keine Sicherheit braucht wie der verhuschte Deutsche. Die Briten waren die schwungvollen Helden, die Deutschen dagegen ängstliche Stubenhocker.

Heute ist die britische Finanz­welt kreuz und quer verstaatlicht, die wagemutigen Dschungelkämpfer der Finanzwelt haben sich als geistig minderjährige Zocker erwiesen, die sich von Papa Staat die verbrannten Finger verbinden lassen und ab sofort wieder bei Mama wohnen wollen.

Ausgerechnet in diesem Moment demonstrieren, wer sonst, gerade die Deutschen wieder ihre ganze Gemeinheit: Sie zeigen keine Angst in der Krise, wo die Briten zwischen lauter Wut und blanker Hysterie hin- und hertaumeln. Damit nicht genug bescheren sie, die doch angeblich schreckliche Angst vor den Witterungen des Marktes haben, einer durch und durch marktwirtschaftlichen Partei den größten Sieg ihrer Geschichte. Und nun nötigen sie die Briten auch noch, im Ausland ausländisch zu sprechen. Wer wollte es unter dieser drückende Beweislast noch bestreiten: Sie sind Schurken, die Deutschen.


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