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10.10.09 / Streit um den Mehrgewinn / Die Laufzeit-Verlängerung der Kernkraftwerke spart riesige Summen, nun wird um deren Verteilung gekämpft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-09 vom 10. Oktober 2009

Streit um den Mehrgewinn
Die Laufzeit-Verlängerung der Kernkraftwerke spart riesige Summen, nun wird um deren Verteilung gekämpft

Auch ohne neue Kernkraftwerke dürfte sich der höchst umstrittene deutsche „Atomausstieg“ deutlich verschieben. Union und FDP verhandeln über eine Verlängerung der Restlaufzeit von bis zu 20 Jahren, die Industrie will die Meiler sogar 25 Jahre länger betreiben. Dies brächte Mehrgewinne von bis zu 200 Milliarden Euro, um deren Verteilung und Verwendung nun gerungen wird.

Die Atomindustrie leistet Schützenhilfe für die Politik. Längerer Betrieb bedeute mehr Investitionen in erneuerbare Energie, wirbt RWE-Chef Jürgen Großmann. Auch andere Betreiber erklären sich zum Verzicht auf zu erwartende Extra-Gewinne bereit. „Ob das 50, 45, 55 (Prozent) sind, muss man sehen“, so Großmann. CDU und FDP haben die aber offenbar schon verplant. Der Streit um die Dauer des Weiterbetriebs und die Profitverteilung ist entbrannt.

Laut einer aktuellen Studie der Landesbank Baden-Württemberg könnten sich bei Verlängerung der Betriebsdauer für Atommeiler um 25 Jahre die Zusatzgewinne der Betreiber auf insgesamt 200 Milliarden Euro belaufen – Steigerungen der jeweiligen Unternehmens-Börsenwerte inbegriffen. Großmann spricht von 250 Milliarden Euro mehr für die Volkswirtschaft. Klar, dass die Summe Begehrlichkeiten weckt. Tanja Gönner (CDU), derzeit Umweltministerin in Baden-Württemberg, kündigt harte Verhandlungen an. Sie wird als künftige Bundesministerin gehandelt. Neben der Sicherheit ginge es um die Gewinnverteilung, so die Ministerin. Die Union plädierte bisher für zehn bis 15 Jahre mehr Zeit – 2035 wäre nach diesem Plan Schluss. Auch die SPD dachte schon laut über längere Laufzeiten für die neueren Kernkraftwerke nach, allerdings nur im Austausch für ein schnelleres Aus bei den älteren Anlagen – Initiator: Sigmar Gabriel.

Für den neuen SPD-Parteichef Gabriel kommen die Verhandlungen zwischen CDU und FDP als nachträgliches Geschenk zum 50. Geburtstag im September, denn sie liefern ihm eine ideale Angriffsfläche. Schon ein simpler Kurzschluss im Atomkraftwerk Krümmel verursachte beim einstigen Popmusik-Beauftragten der SPD und noch Bundesumweltminister Visionen von vermeintlich unberechenbaren Atom-Betreibern. Nun will die FDP 10 bis 20 Jahre mehr Laufzeit pro AKW, gekoppelt nicht mehr ans Alter der Anlagen, sondern deren Sicherheit, sagt FDP-Energie-Experte Kurt Duwe – eigentlich genau Gabriels Position. Doch anders als SPD und Grüne sind die Liberalen skeptisch, was eine direkte Beteiligung der Verbraucher an den Gewinnen der Konzerne aus längeren Kraftwerkslaufzeiten angeht. „Zugewinne wenn es geht auch für die Verbraucher, aber nicht in den Wettbewerb eingreifen“ – so fasst Duwe die derzeitige Verhandlungsformel zusammen. Der Atom-Poker zwischen CDU und FDP ist von der Einsicht geleitet, dass zu viel gesetzliche Eingriffe eher neue Umgehungsstrategien der Industrie bewirken würden als konkrete Entlastungen für Stromkunden. Mindestens 50 Prozent der Gewinne müssten von Externen, also nicht von den AKW-Betreibern, verwertet werden, um dann in Forschungsprojekten und Beispielanlagen alternativer Energienutzung zugeführt zu werden, fordern die Freidemokraten. Verlängerung, ja, aber nur, wenn es nötig und sicher ist, um Zeit für alternative Energien zu gewinnen.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion schwärmt dagegen von der Idee eines Öko-Fonds. 40 Milliarden Euro sollen dort hinein. Bayerns Umweltminister Markus Söder will 2,5 Milliarden jährlich für diesen Fonds. Die AKW-Betreiber sollen zudem an den Kosten des Atomlagers Asse beteiligt werden und Sozialstromtarife für ärmere Bürger anbieten.

Den Verbraucher verströstet Schwarz-Gelb nach wie vor mit dem Versprechen, nur über mehr Wettbewerb könnten die Preise sinken. Die Trennung der Stromnetze von den Energiekonzernen sowie politischer Druck auf die Weiterleitungskosten – darin sehen die Gesprächsführer unter anderem Erleichterungen für Konsumenten. Doch nicht nur Klima und Verbraucher beschäftigen die Koalitionäre in spe: Bald beginnt der Emissionshandel, der AKW-Betreiber zusätzlich begünstigt – sie produzieren ja keine Abgase. Auch diese Gewinne sollen jetzt ins Verhandlungspaket hinein.

Dabei gibt es neben Verteilungsgewinnen noch bessere Argumente für Kernenergie. Während die Politik Herstellung und Einspeisung von alternativen Energien mit viel Geld fördert, hat sie die Weiterentwicklung sicherer Kernkraft aus den Augen verloren.

Allein die Solartechnik schlug mit bisher 26 Milliarden Euro an öffentlichen Zuschüssen zu Buche, rechnet das Kölner ifo Institut für Wirtschaftsforschung vor. Ohne Zuschüsse ist „alternativ“ auch in Jahren nicht wettbewerbsfähig, höhere Strompreise in Folge des Atomausstiegs sind daher fester Bestandteil von Ausstiegs-Kalkulationen. Die Energie-Multis kündigen bereits Preiserhöhungen „im zweistelligen Bereich“ für den Fall der Komplettumstellung an.

Warum aber statt der von der Industrie im Prinzip bereits zugestandenen 50 Prozent der Mehrgewinne aus längeren Laufzeiten nicht 80 Prozent und mehr für staatliche Energieprogramme und die Einrichtung eines Atommüllendlagers zur Verfügung gestellt werden sollen, vermag kaum ein Politiker zu erklären. Eine Million Euro Gewinn wirft jedes AKW pro Tag ab. Sie sind längst abbezahlt, haben über Jahrzehnte enorme Erlöse eingefahren. Nur unter politischem Zwang werden die Betreiber andere daran teilhaben lassen – das ist Konsens bei Schwarz-Gelb. Für die Verbraucher gibt es angesichts der bisherigen Preispolitik der Energiekonzerne jedenfalls wenig Hoffnung auf sinkende Strompreise bei längeren Laufzeiten ohne ein entschiedenes Einwirken der Politik. Sverre Gutschmidt

Foto: Teurer Klimaschutz: Niemand bestreitet, dass erneuerbare Energien die Bürger eine Menge Geld kosten.


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