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10.10.09 / Brücken geschlagen / 7. Kommunalpolitischer Kongress in Frankfurt an der Oder und Słubice (Dammvorstadt)

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-09 vom 10. Oktober 2009

Brücken geschlagen
7. Kommunalpolitischer Kongress in Frankfurt an der Oder und Słubice (Dammvorstadt)

Unter dem Motto „Deutsche und Polen – Nachbarn in Europa“ tagte der 7. Deutsch-Polnische Kommunalpolitische Kongress der Landsmannschaft Ostpreußen in Frankfurt an der Oder und der polnischen Nachbarstadt Słubice (Dammvorstadt).

Eine Brücke zu schlagen, bedeutet schwere Arbeit. Das gemeinsame Leben und Gestalten ist langwierig, braucht Geduld und Nachsicht von beiden Seiten des Wassers. Unter diesem Gesichtspunkt erklärten sowohl der Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder), Martin Patzelt, als auch Pawel Kisielewski, der Vertreter des Bürgermeister der ehemaligen Frankfurter Dammvorstadt (Słubice), in ihren Grußworten die Identifikation der Bewohner mit ihrer Region zum gemeinsamen Ziel.

Zur Völkerverständigung trägt in ganz besonderer Weise die über 250 Meter lange Brücke über die Oder bei, die Frankfurt und Słubice verbindet. Auf ihr und um sie herum fand Geschichte statt. Sie wurde oft zerstört, aber immer wieder aufgebaut, am 21. Dezember 2007 fielen endlich die letzten Grenz- und Zollkontrollen weg. Doch zeigt sich immer wieder: Annäherung erfolgt langsam und behutsam. Das sind wichtige Erkenntnisse, die einerseits redundant klingen, andererseits jedoch zeigen, dass noch viel gearbeitet werden muss, um die Brücke der deutsch-polnischen Beziehung tragfähig zu machen.

Gottfried Hufenbach, Mitglied des Bundesvorstandes der Landsmannschaft Ostpreußen, leitete den Kommunalpolitischen Kongress. In der Absicht, von den Erfahrungen der Deutschen und Polen in der Region an der Oder zu profitieren und positive Erfahrungen auf die Region Ermland und Masuren übertragen zu können, führte er durch den Erfahrungsaustausch.

Krzysztof Wojciechowski berichtete über die Entstehung des Collegium Polonicum (CP), das 1994 als nicht selbstständige Gemeinschaftsuniversität der Partneruniversitäten Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) und der Adam-Mickiewizc-Universität in Posen gegründet wurde. Finanziert wurde es von der polnischen Regierung, der EU und der Stiftung Collegium Polonicum. Das CP forscht als deutsch-polnische Begegnungsstätte auf dem Gebiet der Hochschuldidaktik.

Annette Bauer ergänzte diesen Vortrag durch einen Überblick der Geschichte und Entwicklung der Europa-Universität Viadrina. Neben den gemeinsamen Studiengängen mit dem CP gibt es weitere, grenzüberschreitende Projekte, wie die „HeimatReise“. „Studierende und Absolventen bringen ehemalige deutsche Bewohner mit den heutigen polnischen Bewohnern zusammen. Sie übersetzen, helfen bei der Erkundung der gemeinsamen Geschichte.“ Das Projekt trägt damit viel Material und Arbeitskraft zum Brückenbauen bei.

Dass die deutsch-polnischen Beziehungen auch von weltweiten Entwicklungen abhängen, zeigten nach dem Anschlag auf das World Trade Center die scharfen Grenzkontrollen, die den gemeinschaftlichen Universitätsbetrieb nahezu lahm legten. Viele Faktoren nehmen also auf die Entwicklung des „Brückenbauens“ Einfluss.

Diese Erfahrung machte auch Tobias Seyfarth. Die Euroregion Pro Europa Viadrina unterstützt kulturelle und wirtschaftliche Projekte und wird selbst durch die EU gefördert. Durch diese Einrichtung wurde beispelsweise bewirkt, dass deutsche und polnische Feuerwehren auf beiden Seiten der Oder zum Einsatz kommen. Neben Verbesserungen der Infrastruktur wird auch in dem Bereich der Wirtschaft und Wissenschaft gearbeitet. Schwierigkeiten befürchtet Seyfarth, wenn die EU-Fördermittel für diese Region verringert werden.

Der Journalist Dietrich Schröder berichtet von der Vergangenheitsbewältigung und dem Feiern der gemeinsamen Geschichte vor Ort. Auf die Frage, wie deutsche und polnische Jugendliche mit der gemeinsamen Geschichte umgehen, antwortet er, dass dieses Kapitel immer noch schwierig sei, weil in den Schulen Geschichte mit anderen Schwerpunkten gelehrt werde. Dennoch gebe es regen Kontakt und Diskussionen und damit Annäherung. Schröder hat den Eindruck, dass sich Spannungen langsam lösen – beispielsweise gibt es in Frankfurts Geschäften nicht mehr das Schild in polnischer Sprache „Ladendiebstahl wird bestraft“, sondern Schilder mit dem Inhalt: Wir sprechen auch polnisch, oder: Bei uns können Sie auch in Zloty zahlen.

Das Lehrbuch „Geschichte verstehen – Zukunft gestalten – Die deutsch-polnischen Beziehungen in den Jahren 1933 bis 1949“ wurde von der Herausgeberin Kinga Hartmann-Wóycicka vorgestellt. Das Unterrichtsmaterial wurde gemeinsam von polnischen und deutschen Wissenschaftlern zusammengestellt. Seit der zweiten Auflage werden auch die Untergrundarbeit in Polen während der NS-Zeit sowie Flucht und Vertreibung thematisiert. Der Schwerpunkt liegt auf der Verschiebung der deutsch-polnischen Grenze im Bereich Niederschlesien und Sachsen. Anhand der Diskussionen wurde sichtbar, dass dieser „Pfeiler“ noch bearbeitet werden muss, um die Brücke stützen zu können.

Es sollte noch viele Kongresse geben, um dem Ziel, sich auf einer tragfähigen Brücke zu begegnen, näher zu kommen. Christiane Rinser

 

Słubice oder Dammvorstadt?

An sich hatte der frühere Bundesaußenminister Klaus Kinkel nie Probleme mit alten deutschen Namen wie „Breslau“ oder „Danzig“. Nur der Name „Dammvorstadt“ kam ihm und den Vertretern seines Hauses niemals über die Lippen. Wenn vom heute polnischen Ostteil der Stadt Frankfurt an der Oder die Rede war, redet die gesamte politische Klasse im Land und fast alle Medien stets von „Słubice“. Die sinnvolle und politisch zurecht gewollte Zusammenarbeit zwischen „Frankfurt/Oder“ und „Frankfurt/Oder-Dammvorstadt“ − das klingt ein bisschen wie die Zusammenarbeit von Berlin mit Berlin-Kreuzberg. Der Namensbestandteil „-vorstadt“ markiert zudem überdeutlich die Zugehörigkeit und auch Abhängigkeit des einen vom anderen, und genau die wollte bei gleichberechtigter Zusammenarbeit niemand anklingen lassen. Hinzu kam, dass Słubice heute eine eigenständige Kommune ist, was die Frankfurter Dammvorstadt nicht war.

All das erklärt, warum der schöne Ortsname „Dammvorstadt“ heute bundesweit fast vergessen ist, obwohl die Stadt selbst soviel näher liegt als etwa Tilsit oder Kattowitz. Dass der polnische Name in Deutschland häufig falsch „Slúbitze“ ausgesprochen wird statt korrekt „Swubítze“ macht die kleine Absurdität komplett. Die Preußische Allgemeine  Zeitung jedenfalls möchte den alten Namen in Ehren halten.       K.B.

Foto: Materielle Verbindung zwischen Deutschen und Polen: Die Brücke zwischen Frankfurt an der Oder und Słubice/Dammvorstadt.


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