24.04.2024

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10.10.09 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-09 vom 10. Oktober 2009

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

wenn ich irgendwo lese oder Vorträge halte, kommen immer wieder Teilnehmer zu mir und sagen, wie gerne sie unsere Familien-Kolumne lesen. Und darunter sind viele, die ich im engeren Sinne nicht als „lewe Landslied“ anreden kann, weil ihre Wiege nicht zwischen Weichsel und Memel stand, die es aber doch sind, weil sie viel über unsere Heimat wissen wollen und sich ihr verbunden fühlen – Landsleute also im besten Sinne. Ich mag diese Gespräche, weil ich mehr als aus Briefen ihre Ansichten über unsere Kolumne zur Kenntnis nehmen kann. Das reicht von „macht weiter so“ bis zu „manchmal möchte man mehr über die einzelnen Schicksale erfahren“, aber das liegt dann nicht in meiner Hand, denn auch so manches positive Echo wird mir leider nicht mitgeteilt. Eines kam jetzt aber geradezu prompt, und dafür danke ich Lothar Fischer sehr. Als Mitglied der Landsmannschaft Weichsel-Warte konnte er das Foto der unbekannten Stadt „irgendwo im Osten“, das wir in Folge 39 veröffentlichten, einordnen: Es handelt sich um das heutige Znin, das zur Zeit der Aufnahme seinen alten deutschen Namen trug „Dietfurt“. Bis 1919 gehörte Dietfurt zum Land Preußen, Regierungsbezirk Bromberg, von 1939 bis 1945 zum Reichsgau Wartheland, Regierungsbezirk Hohensalza. Über solch schnelle und präzise Angaben freuen wir uns, und ganz besonders Herr Salewski, der nun endlich Aufklärung über das bis dahin nicht zu identifizierende Foto erhielt. Ich rief ihn gleich an, und natürlich war er sehr erstaunt, denn bisher war die Identifizierung trotz emsiger Suche nicht geglückt. Bestätigt wurden die von Herrn Fischer gemachten und mit einer Abbildung belegten Angaben noch durch ein Schreiben von Günther Raatz aus Hattingen, der eine Ansichtskarte des Rathausturmes von Znin mit polnischer Beschriftung beilegte. Herr Salewski wird sich selbst von der Richtigkeit der Angaben überzeugen können, denn er plant eine Reise in das Gebiet. Der Turm steht nämlich noch und dient heute als Museum. Herr Raatz schreibt dazu, dass es in diesem Raum früher mehrere einzeln stehende Rathaustürme gegeben hätte, so auch in Hohensalza. Es hat sich also wieder mal bestätigt: Nicht verzagen – Familie fragen!

Aus den persönlichen Gesprächen konnte ich auch entnehmen, dass es als erfreulich empfunden wird, dass wir in unserer Kolumne menschliche Schicksale breiter auffächern können als es sonst möglich wäre. Das betrifft auch den Nachruf für den kürzlich verstorbenen Wilfried Stahl, der auf heimischem Bode, die letzten Jahre seines Lebens verbrachte und nun auch dort seine ewige Ruhe gefunden hat.

Es hatten sich aber bei der Veröffentlichung des Berichts, den uns Bernd Dauskardt übersandte, einige Unstimmigkeiten eingeschlichen. So lautet der russische Name von Schulzenwalde „Dubrava“ und nicht wie angegeben „Buylien“, – das war die alte Bezeichnung vor der Umbenennung in den 30er Jahren. Schulzenwalde wurde auch das Schicksal von Bernd Dauskardts Vater: Heinrich Daus-kardt (Fallschirmpanzergrenadier-Regiment 3 HG unter Oberstleutnant Gerhart Schirmer) wurde dort am 16. Januar schwer verwundet, deshalb hatte unser Leser eine besondere Beziehung zu dem Ort. Nun wird er auf seiner nächsten Ostpreußenreise das Grab seines alten Freundes Wilfried Stahl besuchen.

In die Heimat zurückgegangen, wenn auch immer nur in gewissen Zeitabständen, war auch die Tilsiterin Margarete Haese, und es ist schmerzlich, dass wir von ihren vielen Aktivitäten für ihre Heimatstadt in einem Nachruf berichten müssen, denn die 84-Jähige verstarb im Januar dieses Jahres – nicht in Tilsit, wo sie nach eigenen Worten den Kreis ihres Lebens beenden wollte, sondern in Siegen. Unser Landsmann Fritz Mickat – aufmerksamen PAZ-Lesern kein Unbekannter, denn wir haben schon öfters einige von ihm gestellte Suchfragen veröffentlicht – übersandte uns Informationen über Frau Haese mit der Bitte, diese in unserer Kolumne zu bringen, denn er meint, dass die Verstorbene es verdient hätte, dass wir uns ehrenvoll an sie erinnern, und das wollen wir gerne tun. Die als Margarete Wachsmuth in Tilsit geborene Ostpreußin fuhr nicht nur seit 1991 mindestens einmal im Jahr an die Memel, sondern mietete sich auch in dem heutigen Sowjetsk eine kleine Wohnung als Zweitsitz. So konnte man verstehen, dass ein Reporter von Radio Bremen, der während seiner Reportagearbeit über die Stadt an der Memel vor dem Hotel Russia eine sehr agil wirkende ältere Dame ansprach, reichlich verwundert war, dass diese sich als teilweise in Tilsit lebende deutsche Bundesbürgerin erwies. In ihr fand er die beste Informantin über das einstige wie das heutige Tilsit, geradezu ein Glücksfall für den Reporter. Denn Frau Haese konnte ihm nicht nur über ihre wundervolle Jugendzeit in dieser einst so schönen Stadt erzählen, sie berichtete auch über das Sterben der Memelstadt im Phosphorregen der englischen Bombenangriffe und in den russischen Artillerieangriffen. „Wir mussten raus aus der Stadt und kamen bis Schillen. Wir standen morgens immer an der Straße und sahen, wie das deutsche Militär nach Tilsit fuhr. Sie riefen, als wir fragten, wann wir zurück könnten: Nie wieder, heute Nacht sprengen wir die Brücke! Und dann haben wir in den Betten im Kindergarten von Schillen gesessen und haben geheult, den Knall haben wir um Mitternacht gehört, 30 Kilometer entfernt, als sie unsere Brücke gesprengt haben!“ Und sie berichtete dem Reporter weiter über die endgültige Vertreibung,  den Neubeginn im Westen, die Rückkehr nach dem Tod ihres Mannes, der Rektor in Herne war. Von dem, was sie seit ihrer „Heimkehr auf Zeit“ bewirkt hat, dürfte sie kaum gesprochen haben. Es war viel, wovon wir hier nur die Renovierung der Zahnklinik erwähnen wollen. Selbst den Tilsiter Elch wollte sie aus Königsberg zurück an die Memel holen, und sie hätte es – einige Jahre vor der vollzogenen Rückgabe – auch fast geschafft. Der Lkw stand bereit, die Zusage von höchster Stelle lag vor, da stellte sich die Zweite Bürgermeisterin von Kaliningrad quer. Das sind nur einige Facetten aus dem Leben der Margarete Haese geb. Wachsmuth aus Tilsit, die ihrer Heimatstadt treu geblieben ist über alle Zeiten und Grenzen hinweg.

„Auch kleine Erinnerungsbruchstücke werden dankend entgegen genommen“ – dieser Satz aus dem Kurzbrief von Herrn Sebastian Bielicke aus Pinneberg könnte für viele Fragen stehen, die uns erreichen. Denn oft sind es nur einige winzige Bruchstücke, die durch viele, viele kleine Steinchen zu einem erkennbaren Mosaik zusammengesetzt werden können, wenn auch – bedingt durch die fortgeschrittene Zeit – so manche Lücke bleibt. Hoffen wir aber für Herrn Bielicke, dass sich Landsleute aus dem Kreis Lötzen an seinen Großvater erinnern. Dieser hieß Herbert Krosta, * 1919, und stammte aus dem Dorf Arlen, etwa 15 Kilometer südöstlich von Lötzen, am gleichnamigen See gelegen. Die Familie besaß dort eine Landwirtschaft. Da sein Vater – also der Urgroßvater von Herrn Bielicke – im Gemeinderat von Arlen saß, dürften alle Bewohner des über 500 Einwohner zählenden Dorfes die Familie Krosta gekannt haben. Vielleicht gehörte sie sogar zu den alteingesessenen Familien, denn der Ort wird bereits im Jahre 1416 erwähnt. Arlen gehörte zum Kirchspiel Rhein und heißt heute Orlo. Herr Bielicke möchte nun etwas mehr über dieses angestammte Umfeld der Familie wissen, die Hauptfrage gilt aber seinem Großvater Herbert, denn der Enkel weiß nichts über sein Leben und sein Schicksal. (Sebastian Bielicke, Fröbelstr. 6 in 25421 Pinneberg)

Ein Anruf kam von Helga Henske aus Steinau, das heißt: Es war ein langes Gespräch, denn die gebürtige Sensburgerin war in ihre Heimatstadt gefahren und hatte dort mit ihren Reisegefährten, von denen viele aus Masuren stammten, herrliche Sommertage erlebt. Heimatluft bleibt eben Heimatluft, und wer sie atmet, holt sich seine Kindheit zurück, vor allem, wenn die Spuren in die alte Schule führen. Und so kam das Gespräch auch auf eine Junglehrerin, die während der letzten Kriegsjahre an der Schule in Karwen tätig war. Sie hieß Ursula Wormuth und stammte aus Korschen. Karwen war ihre erste Stelle, denn sie war gerade von der LBA gekommen. Beim Russeneinfall floh die Junglehrerin zusammen mit der Familie des Hauptlehrers Döring. Es ist bekannt, dass diese Lehrerfamilie nach dem Krieg in Rheinhausen gelebt hat, dann ist sie verzogen. Das Ehepaar hatte zwei Töchter, Hannelore und Reinhild, ihr Sohn Hartmut ist 1948 verstorben. Es ist nun die Frage, ob auch Ursula Wormuth die Flucht geglückt ist und ob sie mit den Dörings weiter zusammen blieb. Da sie ja damals noch sehr jung war, dürfte sie später geheiratet und einen anderen Namen angenommen haben. Frau Henske hofft nun, durch unsere Ostpreußische Familie etwas über die beliebte Junglehrerin zu erfahren. (Helga Henske, Auf der Leinenburg, 36396 Steinau a. d. Straße, Telefon:  06663 / 7379)

Eure Ruth Geede

Foto: Die Tilsiterin Margarete Haese wollte in der Heimat sterben, doch dieser Wunsch hat sich nicht erfüllt.


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