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17.10.09 / Unbekümmert feiern / Die Berliner feiern 20 Jahre Wende – Blick eines Franzosen auf ein »wahrlich seltsames Land«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-09 vom 17. Oktober 2009

Unbekümmert feiern
Die Berliner feiern 20 Jahre Wende – Blick eines Franzosen auf ein »wahrlich seltsames Land«

In Berlin wird 20 Jahre Mauerfall gefeiert, doch die Art und Weise der Festivitäten lässt so manches Mal den Geist, der 1989 Deutschland durchwehte, vermissen.

In Berlin ist viel los dieser Tage. Die Berliner feiern zwei Feste: den amtlichen Nationalfeiertag am 3. Oktober, als das geteilte Deutschland vor 19 Jahren offiziell wieder vereinigt wurde, und ihr geheimes Nationalfest, als das Volk die Berliner Mauer am 9. November vor 20 Jahren durchbrach. Doch der 9. November, dem sich das deutsche Volk emotional viel näher fühlt, darf kein offizieller Feiertag sein, weil der Tag, an dem die Mauer fiel, zugleich der Jahrestag eines NS-Verbrechens ist. Dabei war der 9. November 1989 doch eine Absage an jede Diktatur. Genauso wie der 17. Juni 1953.

In Deutschland steht vieles auf dem Kopf, was auf den Beinen gehen müsste. Kein Wunder, dass Deutsche nach Modellen im Ausland suchen. „Der deutsche Nationalfeiertag muss wie Ihr 14. Juli ein Fest der Freude werden“, sagte Helmut Kohl vor Jahren dem französischen Autor dieser Zeilen. „Bei Ihnen gibt es Musik, es wird auf der Straße getanzt.“ Dagegen ist nichts einzuwenden. Der Altkanzler wollte eine gewisse deutsche Tristesse vertreiben. Die inkonsequenten Franzosen schaffen es ja, sich über ihre blutrünstige Revolution von 1789, die gar nicht lustig war, im Nachhinein zu freuen. Auf jeden Fall ist „par ordre de Mufti“ das, was Helmut Kohl sich wünschte, in diesem Jahr am 3. Oktober in Berlin Wirklichkeit geworden. Die französische Truppe Royal de Luxe aus Nantes hatte einen Marsch ihrer „Riesen“, zweier überdimensionaler Marionetten, auf den Straßen Berlins angekündigt.

Also kamen am 3. Oktober die französischen Riesen ins Land der deutschen Gartenzwerge. Schon früh morgens eilte das Volk in Scharen, um am Fest teilzunehmen. Die einstige Frontstadt Berlin ist bekanntlich zur „Pop-Metropole“ Europas mutiert. Aber dieses „Event“ übertraf alles Bisherige. Es lockte eine Million Menschen. Es entstand ein undurchdringliches Gedränge. Die Menschen lieben es offensichtlich, wie Sardinen in der Dose dicht gedrängt zu werden. Manche kletterten auf Bäume und Straßenlaternen, um die Riesen zu sehen. Aber jeder freuten sich. Weitere Spektakel dieser Art zur Belustigung der Volksmassen sind für den 9. November vorgesehen.

War es aber dasselbe Volk wie dasjenige, das damals die Mauer niederriss? War es das Volk der Heldenstadt Leipzig? Damals haben viele DDR-Bewohner Mut und Größe gezeigt, um ihre Identität und Selbstbestimmung wieder zu erlangen. Ich war dabei, als in Hof (Bayern) die „Züge der Freiheit“ aus Prag ankamen, als Zehntausende mit Kerzen auf dem Leipziger Ring demonstrierten und als eine halbe Million Menschen in Honecker-Jeans und „Proletenparkas“ sich auf dem Alexanderplatz versammelten, um ihr Recht zu behaupten, aus der Zwergrepublik DDR, in welcher die SED sie gefangen hielt, ausbrechen zu dürfen. Der Fall der Berliner Mauer war das glücklichste Ereignis des 20. Jahrhunderts. Ein echtes Wunder!

Was ist aus den Helden von 1989 geworden? Es hieß, das vereinigte Deutschland würde östlicher, protestantischer und linker werden. All das ist eingetroffen, aber es ist auch islamischer und selbst im Westen röter geworden. Ein Blick auf das Berliner Wahlergebnis vom 27. September genügt: die Ostbezirke rot, als wäre nichts geschehen; die Stadtmitte grün, weil Gras dort wächst, wo keine Nutzpflanzen sind; und der Westen noch schwarz. Aber die Kommunisten sitzen im Berliner Gesamtrathaus und verbreiten auch im Westen Deutschlands ihr rotes Spießertum. Die Erben der DDR machen Deutschland weltfremd. Bloß nicht über den Tellerrand schauen.

Aber die Welt vergisst Deutschland nicht. An die Tür klopft eine „andere Republik“ als diejenige, die die Aufständischen von 1989 wollten. Als die zwei Riesen auf dem Pariser Platz sich trafen schallte es „Vive la France“ vom Rat-hausfenster. Die „BZ“ schreibt diesen Ausruf dem anwesenden französischen Kulturminister Frédéric Mitterrand zu, während sich die Presseabteilung des Berliner Senats nicht mehr zu erinnern vermag. „C'est Wowereit qui les a prononcés, ça c'est sûr!“, meint hingegen die Pressechefin der französischen Botschaft. Derweil demonstrierten auf dem Breitscheidplatz 150 Berliner der islamkritischen Bürgerbewegung Pax Europa gegen die Islamisierung Deutschlands. Auch wurde der ehemaliger SPD-Finanzsenator, Thilo Sarrazin, zum „geistigen Brandstifter“ erklärt, weil er der „Political Correctness“ zum Trotz „türkische Wärmestuben“ kritisiert hatte. Dass er als „Sarrazene“, also als Maure, möglicherweise einen genealogisch muslimischen Hintergrund hat, machte das Ganze noch signifikanter.

Gedankenlos wie Franzosen feiern die Deutschen ihr Fest der Einheit in einer Stadt, die von den ehemaligen Unterdrückern und von einer Partei regiert wird, dessen Spitzenfunktionäre damals Gegner der Wiedervereinigung waren. Deutschland ist wahrlich ein seltsames Land geworden.              Jean-Paul Picaper

Foto: Volksfeststimmung beim Marsch der beiden französischen Riesen durch Berlin: Zwischen dem 3. Oktober und 9. November wird in der Hauptstadt viel des Fall der Berliner Mauer vor 20 Jahren gedacht. Schon Helmut Kohl wünschte sich den Nationalfeiertag als „Fest der Freude“.


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