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17.10.09 / Konzentrierte Schachzüge / Steuersenkungen, Hartz IV, Gesundheitsfonds: In Berlin wird um viel verhandelt – und geschwiegen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-09 vom 17. Oktober 2009

Konzentrierte Schachzüge
Steuersenkungen, Hartz IV, Gesundheitsfonds: In Berlin wird um viel verhandelt – und geschwiegen

Wenig Verlässliches dringt derzeit aus den Koalitionsverhandlungen  in Berlin. Die Einhaltung der Vertraulichkeit ist immerhin ein Hinweis, dass die offenkundigen Konflikte zwischen Union und FDP bislang nicht eskaliert sind.

Da die FDP als Wahlsieger knapp ein Drittel der Mandate einer zukünftigen Koalition besitzt, können die Liberalen in den Verhandlungen ein erhebliches Gewicht einbringen. Stimmen, die derzeit aus der Union zu hören sind, wie die Warnungen vor Steuersenkungen beziehungsweise -vereinfachungen oder vor der Abschaffung des Gesundheitsfonds, darf man derzeit wohl getrost zu den Akten legen. Offensichtlich ist, dass Angela Merkel sich im Hintergrund hält − mit Ausnahme ihrer positiven Stellungnahme zum Gesundheitsfonds. Das Getöse überlässt sie anderen Verhandlungsführern etwa ihrem Generalsekretär Ronald Pofalla, der sich als Kandidat für das große Arbeits- und Sozialministerium handeln lässt. Roland Koch hält sich mit Warnungen vor zu hohen Steuersenkungen zurück, wohl um die FDP nicht allzu stark zu verärgern. Koch, der im heimatlichen Hessen bei seinen Parteifreunden nicht mehr allzu gut gelitten ist, sucht dringend nach einer respektablen Absprungsmöglichkeit nach Berlin.

Angesichts der Milliardenlöcher, die die Ausgabenpolitik der Großen Koalition hinterlassen hat, mögen die Warnungen vor Steuersenkungen zwar verständlich sein, doch die FDP wird auf jeden Fall Haushaltskonsolidierung und Steuersenkungen verlangen. Beide Ziele zugleich sind aber nur über massive Kürzungen bei den Ausgaben erreichbar. Ein unbeliebtes Thema. Welche Einschnitte im sozialen Netz, dem größten Ausgabeposten hier bevorstehen, wagt noch keiner öffentlich zu sagen. Aber ob die jüngste Rentengarantie oder die Ausstattung von Hartz-IV-Empfängern unverändert bleiben, darf bezweifelt werden.

Für Guido Westerwelle soll am Ende der Koalitionsverhandlungen seine Wahl zum Vizekanzler und Minister stehen. Inwieweit es ihm gelingen wird, zentrale Wahlversprechen seiner Partei wie Steuersenkungen, Entbürokratisierung, Stärkung der Wirtschaft und der Bürgerrechte durchzubringen, wird man abwarten müssen. Jedenfalls zeigen die jüngsten demoskopischen Zahlen, dass die Zustimmung zu einer schwarz-gelben Regierung seit der Bundestagswahl in der Bevölkerung von 39 auf 46 Prozent gestiegen ist, wie das ZDF-Politbarometer meldete.

Als geschickter Schachzug erscheint die FDP-Forderung nach der Abschaffung der unbeliebten Hartz-IV-Gesetze und der Einführung eines Bürgergeldes. Die CDU/CSU-Verhandlungsführer hat diese Forderung offenbar kalt erwischt. Dabei könnten die Liberalen mit dieser Idee, die schon lange in ihrem Wahlprogramm stand, gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Das Zusammenfassen diverser Sozialleistungen im Rahmen des Bürgergeldes würde die irrsinnige Bürokratie und Klageflut im Gefolge von Hartz IV beenden können. Zugleich würden Anreize zum eigenen Geldverdienen und zur Sanierung des völlig überschuldeten Staatshaushaltes gegeben − und zu guter Letzt: Den drei linken Oppositionsparteien würde ein beliebtes Angriffsziel abhanden kommen.

So sehr Sachthemen im Vordergrund der ersten Verhandlungsrunden stehen, so sicher werden sich im Laufe des Oktobers einige Namen für bestimmte Posten in den Vordergrund schieben. Wie bei einem Schachspiel könnten dabei bestimmte „Figuren“ allerdings unerwartet das „Spielfeld“ verlassen müssen. Davon wird aber der Bürger – jenseits von Kaffeesatzleserei, Wunschdenken oder Spekulationen – erst kurz vor dem 9. November erfahren, wenn die Regierungsmannschaft endgültig feststehen soll.

Bis dahin darf fleißig weiter gerätselt werden. Sicher ist, dass die FDP sich nicht mit „kleinen“ Ministerämtern abspeisen lassen wird. Zu den zentralen Schaltstellen der Macht, wie etwa der Hoheit über die Finanzen oder der Herrschaft über den riesigen Sozial- und Gesundheitsetat drängen auch die Liberalen. Der FDP-Finanzfachmann Hermann Otto Solms ist daher ein heißer Kandidat für das Finanzministerium. Für Roland Koch bliebe in diesem Falle nur das Verteidigungsministerium, wobei der bisherige Minister Franz Josef Jung dann wohl im Tausch nach Wiesbaden wechseln würde.

Ob Ursula von der Leyen Nachfolgerin von Ulla Schmidt im Gesundheitsministerium wird, darf ebenso in Frage gestellt werden. Denn die FDP hat gerade unter Ärzten eine starke Klientel, die genug unter der Ägide von Seehofer und Schmidt gelitten hat.

Unklar bleibt auch, ob Westerwelle Bundesaußenminister wird. Die holprige Art und Weise, wie er auf eine englisch gestellte Frage eines britischen Journalisten reagierte (statt einfach auf Deutsch zu antworten), hat Zweifel an seiner Statur und Souveränität auf dem glatten diplomatischen Parkett aufkommen lassen, zumal er in Russland, aber auch in muslimische und afrikanischen Ländern bei offiziellen Anlässen niemals zusammen mit seinem männlichen Lebenspartner auftreten könnte. Daher zerbrechen sich jetzt einige den Kopf, welches gewichtige Ministerium für den designierten deutschen Vizekanzler Guido Westerwelle passend sein könnte.          Hinrich E. Bues

Foto: Noch halten alle dicht: Das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen dürfte daher Überraschungen bringen.           


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