26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
17.10.09 / Sternwarte der Bronzezeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-09 vom 17. Oktober 2009

Sternwarte der Bronzezeit

Vom nordmakedonischen Taticev-kamen-Gebirge (Vater-Stein) beim Dorf Kokino schaut man weit in eine raue Landschaft an der Grenze zu Serbien. Das Land ist wenig tauglich für ländliches Erwerbsleben. Wer hier säen und ernten will, muss mehr Geschick und Mühe als anderswo aufwenden. Davor flüchten die Menschen; in den wenigen Dörfern sind vor allem Grenzpolizei und Feuerwehr ansässig.

Das Mittelgebirge um Kokino war schon zu den Anfängen der Menschheit wenig einladend, fand aber ungewöhnliche Wege zur Schadensbegrenzung. Diese hat man erst vor etwa zehn Jahren zur beifälligen Verblüffung der internationalen Fachwelt ent-

deckt. Die Sesshaftigkeit der Urmenschen hing mit ihren agrarischen Aktivitäten zusammen, deren Effizienz an genau terminierte Saaten und Ernten gebunden war. Das galt besonders für den kalten Norden, wovon prähistorische Observatorien im südenglischen Stonehenge, im mecklenburgischen Boitin und anderswo zeugen: Bereits im Megalithikum, 4000 Jahre vor Christus, beobachteten unsere Vorfahren den Lauf der Gestirne, um so die beste Zeit für das Ackern und Mähen zu ermitteln. Aber wer hätte derartige Himmelsexplorationen im wärmsten Balkan vermutet, wo das Wetter nicht so drohte und drängte? Aber ein Idyll war es auch nicht, befand 2001 Jovica Stankovski, Museumsdirektor in der Kreisstadt Kumanovo, als er bei Kokino eine prähistorische Siedlung entdeckte, die reiche Keramikfunde freigab.

Aber das war nur die Dreingabe zu einem weit wichtigeren Fund, den 2004 Gjore Cenev, Chef des Planetariums in der Hauptstadt Skopje, publik machte: „Wir fanden im Taticev-kamen-Gebirge sieben Markierungen, die auf die extremen Positionen von Sonne und Mond ausgerichtet sind, welche diese im Jahresverlauf einnehmen.“

Diese sieben Gipfelchen heißen seit jeher bei den Einwohnern „prestoli“ (Throne) und ihre menschliche Bearbeitung, die sie für praktische Himmelskunde tauglich machte, begann vor exakt 3815 Jahren – hat der Geologe Cedomir Arsovski mit modernster Hochtechnologie herausgefunden. Er und Astronom Cenev sind seither die Stars der Konferenzen „Archaeology of World Megalithic Cultures“, deren südosteuropäische Teilnehmer stolz sind, dass jemand aus ihrer Mitte mit einer Weltsensation wie Kokino aufwartet. Eine sehr bodenständige Sensation, denn man fand heraus, wie das mit dem Kalender von Kokino so ablief: Zuerst wurden die „prestoli“ so abgerundet, dass sie wie über Kimme und Korn in den Himmel peilten. Und wenn die Peilung den optimalen Zeitpunkt für Landarbeiten ermittelt hatte, wurde auf dem Gipfel ein Riesenfeuer entfacht, das alle Interessierten in 30 Kilometer Umkreis zur Arbeit rief. Zudem war Kokino nicht nur ein Observatorium, sondern auch ein Tempel für die Gottheit Sonne, was jeder Beschäftigung dort eine doppelte Weihe verlieh. Wolf Oschlies


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren

Warning: file_get_contents(https://paz.de/lib/extern/sidebar.php): failed to open stream: Connection refused in /homepages/10/d855424685/htdocs/wrapper.php on line 48