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17.10.09 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-09 vom 17. Oktober 2009

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

jeder Wunsch bekommt Kinder und ein erfüllter erst recht. Da hatte unsere Familie das Rätsel nach der unbekannten Stadt mit dem achteckigen Turm – es ist das ehemalige Dietfurt, heute Znin – schnell gelöst, schon liegt ein neues Foto vor, das allerdings nicht enträtselt, sondern bestätigt werden soll. Dieses Mal ist es eine beschriftete Luftaufnahme aus dem Jahr 1940. Das aus einem Lastsegler DFS 230 „geschossene“ Bild soll Neuhausen zeigen, jedenfalls besagt das die Beschriftung. Es dürfte sich danach um die Siedlung am Flugplatz handeln, die hellen Linien im rechten Hintergrund könnten die Markierungen der Start- und Landebahnen sein. Mit Sicherheit werden unsere Leser bestimmen können, ob die Aufnahme Neuhausen zeigt oder ob es sich um einen anderen Ort in Ostpreußen handelt. Auf Auskunft wartet unser langjähriger Leser Herbert Meyer, Barthstr. 8 B in 13465 Berlin.

Nicht nur schnell sondern auch sehr ausführlich hat Herr Prof. Dr. Hans-Joachim Newiger auf den in Folge 38 geäußerten Wunsch von Herrn Hans-Dieter Meyer aus Hagen nach Theater- und Konzertprogrammen aus Königsberg und anderen ostpreußischen Städten reagiert. Er übersandte Herrn Meyer seine Erinnerungen an das Grenzlandtheater Tilsit, eine Auflistung von 20 Aufführungen im Königsberger Opernhaus während der Kriegsjahre und weitere Informationen über hervorragende Aufführungen und Konzerte, die er als junger Mann besucht hatte, so auch in der Zoppoter Waldoper. Wer als 14-jähriger Tilsiter Schüler schon zum regelmäßigen Theatergänger und Konzertbesucher wurde, besitzt einen kulturellen Erinnerungsschatz, der auch im Alter noch abrufbar ist. Für Mehr und Weiteres steht Herr Prof. Newiger gerne unserm Leser aus Hagen zur Verfügung – so schreibt er, und das teilt er auch mir mit, wobei ich auf „Weiteres“ näher eingehen muss, denn – ich glaube es kaum! – schon wieder wurden in mir persönliche Erinnerungen geweckt. Hans-Joachim Newiger geht nämlich in seiner, mir in Kurzform übermittelten Familiengeschichte auch auf seine Verbindung zu Königsberg ein, und so stellt sich heraus, dass seine Großeltern gegenüber von uns in der Dinterstraße gewohnt haben. Aber das Tollste kommt noch: Seine Cousine Ilse Rose, Sängerin und Pianistin, war meine Klavierlehrerin, denn sie gab auch Klavierunterricht. Sie war mit meiner Musiklehrerin Eva Maraun eng befreundet, und so kam es, dass ich zu der kleinen Schar ausgewählter Schüler und Schülerinnen gehörte, die von ihr unterrichtet wurde – aber nur ein Jahr lang, dann schieden wir beide in schönstem Einvernehmen. Im Gegensatz zu meinen Geschwistern hatte ich überhaupt keine Freude am und erst recht keine Begabung zum Klavierspiel, und so kam ich nur bis zum „Fröhlichen Landmann“. Wie das nach nunmehr 80 Jahren wieder alles da ist: das Haus in der benachbarten Wilhelmstraße, in der die so zart wirkende Pianistin wohnte, und das mir deshalb in liebevoller Erinnerung geblieben ist, weil das Treppengeländer in meiner Fantasie durch  seine längliche Form und schokoladenbraune Farbe zum riesigen „Liebesknochen“ wurde.

Dieses herrliche Gebäck, das allgemein Eclair heißt, in Ostpreußen aber so bezeichnet wurde, gab es in aufreizender Fülle und Duft in der benachbarten Bäckerei Endom. Sie wären eine süße Belohnung für fleißiges Üben gewesen, aber meine Etüden müssen für Fräulein Rose so schmerzhaft wie Zahnweh gewesen sein, ihrem Gesichtsausdruck nach. Ich bitte posthum um Verzeihung! Ihnen aber, lieber Herr Professor Newiger, danke ich für das Erwecken dieser Erinnerungen an eine wunderbare Königsberger Kindheit.

Und einen Satz aus Ihrem Brief  werde ich wohl öfters in Gebrauch nehmen, denn Sie beenden Ihr informatives Schreiben an Herrn Meyer mit den ehrlichen Worten: „Irrtümer nicht ausgeschlossen!“ Das kann ich ohne Weiteres auf unsere Familien-Arbeit übertragen, denn es gibt viele Unstimmigkeiten bei Frage und Antwort, auch in der Weitergabe (mich nicht aus- sondern eingeschlossen), vor allem wenn die angegebenen Fakten auf mündlicher Überlieferung beruhen. Die vermutet auch Frau Ludwig in Bezug auf den Fall Ullendorf, den wir in Folge 38 noch einmal behandelten. Frau Hannemarie Bremser hatte uns mitgeteilt, dass nach neueren Erkenntnissen ihre väterliche Familie in Launa, Krs. Heilsberg, ansässig gewesen sei. Hierzu meldete sich Frau Eve-Maria Ludwig aus Hamburg, die sofort mit ihrer aus Launa stammenden Freundin den Fall aufgriff, und beide stellten fest: Unseres Wissens hat es keine Familie Ullendorf in Launa gegeben. Könnte hier eine Verwechslung vorliegen und der ebenfalls in jenem Teil des Kreises Heilsberg gelegene Ort Rauna gemeint sein? Dies nur als Beispiel für „Irrtümer nicht ausgeschlossen“.

Also lieber gleich Fragezeichen setzen wie Frau Gertrud Bischof, die einen sehr seltsamen Suchwunsch erhielt, der sie „über sieben Ecken“ erreichte und nun bei mir landete. Es handelt sich um den Auszug aus einer Familien-Chronik, die wohl Anhang einer Bibel war, denn sie wird mit einem Bibelspruch eingeleitet. Darunter stehen die Namen einer Familie Potrafke, die laut Eintragung am 1. November 1889 von Deutschland nach Amerika ausgewandert ist. Die Namensliste beginnt mit Ferdinand Potrafke, * 12. August 1861, und Auguste,* 12. August 1867, geboren in Ostpreußen. Es folgen weitere Personen mit diesem Nachnamen, wahrscheinlich die Kinder des Ehepaares: Pauline, * 1890, Johanna, * 1892, Hermann,* 1894, Eduard, * 1896, Louise,* 1897, Emma, * 1899,  Flora, * 1900, Heinrich, * 1902, Anna, * 1903, und Walter, * 1907. Ob der Name eines Albert, * 1905, der unter dem Einwanderungsdatum steht, auch zu dieser Kinderschar gehört, ist wahrscheinlich, er wurde sichtlich bei der Auflistung vergessen – na ja, bei dem Kindersegen ist das durchaus verständlich. Zumal die Eintragungen anscheinend von einer Frau – der Mutter? – nach längerem Aufenthalt in Amerika gemacht wurden, wie die fehlerhafte deutsche Schrift vermuten lässt. Wahrscheinlich hat das junge Paar noch in der Heimat geheiratet, die erste Geburt erfolgte am neuen Wohnort. Aber woher kam diese Familie – wohin ist sie gezogen? Als Herkunftsland ist lediglich „Ostpreußen“ angegeben, es sind weder Wohnsitz noch Geburtsort verzeichnet. Es könnte auch sein, dass der Name ursprünglich Potrafka lautete. Da uns nur die Kopie dieser zwei Seiten vorliegt, können wir auch nichts Näheres zu der Bibel sagen, der sie entnommen wurden. Weil nach Angehörigen gesucht wird, müssen wir nun den Gaul vom Schwanz her aufzäumen und fragen: Gibt es heute noch Familien des Namens Potrafke(a), die aus Ostpreußen – wahrscheinlich aus Masuren – stammen, die wissen, dass vor 120 Jahren ein aus ihrer Familie stammendes Ehepaar nach Amerika ausgewandert ist und darüber nähere Angaben machen können? Gewöhnlich standen die Auswanderer noch lange mit ihren Angehörigen in Verbindung. Aber zwei Kriege und Vertreibung können natürlich alle Spuren verwischt haben. Trotzdem: Wir haben es versucht. ( Gertrud Bischof, Richard-Strauß-Str. 3a in 90455 Nürnberg,)

Übrigens: Frau Bischof hat mit Freude die Erinnerungen von Herrn Bernd Dauskardt an Edmund Schmatloch und Wilfried Stahl gelesen, die in der Heimat verstarben, und möchte dem Verfasser dafür danken. Die Witwe Anna Schmatloch wohnt noch immer in dem Haus der Familie Schawaller, die dort befindliche Gedenktafel an die Heimatschriftstellerin Toni Schawaller ist unverändert geblieben. Für den geborenen Oberschlesier Edmund Schmatloch hat Frau Bischof anlässlich seines ersten Todesjahres in dessen Taufkirche in Ruda eine Gedenkmesse bestellt. „Das sind wir ihm schuldig“, sagt die trotz ihres hohen Alters immer für die Heimat tätige Ostpreußin.

Ja, die Heimat! Es sind im Augenblick nicht die großen Suchfragen, die an unsere Ostpreußische Familie gerichtet werden, sondern es ist einfach der Wunsch, sich einmal mitteilen zu können, sich von der Seele zu reden, was man sonst verschweigt. Und dazu gehört die verlorene Heimat und damit auch das Heimweh. Da nimmt man dann ein Bild, ein paar Zeilen, manchmal nur einen Namen, den man liest, zum Anlass, zur Feder zu greifen. Für Frau Gisela Huber aus Traunstein war es ein Bild vom Schlossplatz in Pr. Holland, das in ihr Erinnerungen weckte, denn es ist ihre Geburtsstadt. Sie ist nun, wie sie schreibt, „die Letzte vom Stamm der Eisenblätter“ aus Pr. Holland, denn ihr Vater Otto Gustav Eisenblätter, Beamter beim Landratsamt, wie der Großvater Eduard Eisenblätter, Rendant bei der Stadt, waren Einzelsöhne. Ob Urgroßvater Ernst Eisenblätter, Schuhmacher in Pr. Holland, Geschwister hatte, von denen es Nachkommen geben könnte, ist nicht bekannt. Jedenfalls mit dem Maler Friedrich Wilhelm Eisenblätter dürfte sie nicht verwandt sein, denn dieser wurde 1866 in Duisburg geboren. Der naturverbundene Künstler kam 1899 nach Königsberg, um als Bühnenmaler am Stadttheater zu wirken, ehe er sich ganz der Landschaftsmalerei widmete, für die ihm Ostpreußen die schönsten Motive bot. Der bekannte Maler verstarb 1934 in Königsberg. Dies als gewünschte Information, liebe Frau Huber, denn Sie sind ja, wie die letzten Zeilen Ihres Briefes beweisen, mit 87 Jahren immer auf Erinnerungsreise in der Heimat. „Die glückliche Kindheit ist immer gegenwärtig. Leider gibt es keine Gesprächspartner mehr, und so freue ich mich jede Woche auf die Heimatzeitung und träume dann von dem Himmel und den weißen Wolken in meiner ostpreußischen Heimat.“ (Gisela Huber, Bachmayerstr. 14 in 83278 Traunstein, Telefon: 0861 / 69463 )

Mit Ostpreußen und vor allem mit unserer Dichterin Agnes Miegel fühlte sich Herr Helmut Heinrich, Schulrat in Villingen, so verbunden, dass er ein kleines Kunstwerk schuf. Der Sohn unserer Leserin Frau Elfriede Baumgartner aus Brigachtal entdeckte es und erwarb es sofort. Seine Mutter war davon so begeistert, dass sie mich anrief und mir dies mitteilte: Herr Heinrich hat das Gedicht von Agnes Miegel „Die Frauen von Nidden“ auf einzelne Kartonblätter in gotischer Schrift geschrieben, Vers für Vers, und sie mit Zeichnungen versehen, die zu dem jeweiligen Inhalt passen. So ist die Eingangszeile „Die Frauen von Nidden standen am Strand…“ mit den Gestalten der wartenden Fischerfrauen illustriert, die Boote mit ihren schwarzen Wimpeln verkünden die Pest. Die Erzählkraft der Ballade wird durch die Zeichnungen verdeutlicht, es entstand ein graphisch wunderbar gestaltetes Kunstwerk, in dem die Verehrung des Villinger Schulrats für Agnes Miegel wie seine Liebe zu dem Dünenland zwischen Haff und See zum Ausdruck kommt. Frau Baumgartner und ihr Sohn wären bereit, dieses Unikat in andere Hände zu geben  Die „badische Ostpreußin“, die sich schon öfters an unserer Familien-Arbeit beteiligt hat, teilte mir dies telefonisch mit. (Irrtümer bitte diesmal ausgeschlossen!) Wer sich für dieses Kunstwerk interessiert, wende sich bitte an Frau Elfriede Baumgartner, Bondelstr. 25 in 78086 Brigachtal, Telefon: 077721 / 22306.

Eure Ruth Geede

Foto: Aufgenommen aus einem DFS 230 Lastensegler: Ist das Neuhausen?


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