© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-09 vom 17. Oktober 2009
Rätselhafte Raterei
Was „raten“ zu bedeuten hat,
begreift man früh im Leben:
Mit Pech geht’s schief, mit Glück geht’s glatt −
es heißt „nix wissen“ eben.
Geraten wird beim Spracherwerb
zunächst auch mit den Formen,
und auf Gedeih und auf Verderb
ersinnt man eigne Normen.
Man bildet „ratet“ ungeniert
und „ratete“, „geratet“,
grad wie man „watet“ produziert
und „watete“, „gewatet“.
Letztendlich kriegt man’s in den Kopf:
Es läuft nicht so wie „waten“,
vielmehr entstammt’s demselben Topf
wie „braten“, „briet“, „gebraten“.
Seit ein paar Jahren aber kann
man oft „geratet“ lesen −
da fängt man leicht zu zweifeln an:
Ist’s früher falsch gewesen?
Doch noch ein Wort fällt auf dabei
und lässt Gewissheit schwinden:
Wer „ratet“, treibt nicht Raterei −
nein, „Rating“ ist zu finden!
Und ausgeübt wird sowas nur
von elitären Leuten
in einer „Rating-Agentur“ −
wie soll man das wohl deuten?
Dann funkt’s: Des Rätsels Lösung sind
die vielen Kummerfalten
von jenen, die das „Rating“ blind
für guten Rat gehalten!
Pannonicus
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