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24.10.09 / Russki-Deutsch (39): Tscheka

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-09 vom 24. Oktober 2009

Russki-Deutsch (39):
Tscheka
von Wolf Oschlies

Marcel Reich-Ranicki, der gefürchtete Literaturkritiker, wurde früher von seinen Gegnern einmal als „Tschekist“ verleumdet. Das fiel umgehend auf die Urheber zurück, denn ein „Tschekist“ ist ein politischer Auftragsmörder von der „Tscheka“, abgekürzt für den umständlichen Namen, der übersetzt „Außerordentliche Kommission für den Kampf gegen Konterrevolution, Sabotage und Spekulation“ lautete. Der polnische Kommunist Felix Dzierzynski (1877–1926) schuf sie Ende 1917, damit sie den von Lenin befohlenen „roten Terror“ ausübte. Im März 1918 gab es erst 600 „Tschekisten“, Anfang 1921 bereits 280000. Der Name ihrer Organisation hatte eine gewisse Symbolkraft, da „tscheka“ auf russisch auch Keil, Pflock heißt. 1922 wurde sie in „Staatliche Politverwaltung“ (GPU) umbenannt, blieb aber Vorläuferin und Muster der späteren Geheimdienste (NKWD, MWD, KGB). Alle diese gingen gegen reale oder vermeintliche Gegner vor; und zwar in berüchtigter Brutalität. „Tschekisten“ besaßen unbeschränkte Vollmachten und waren niemandem rechenschaftspflichtig: Häscher und Henker, „Schwert und Schild der Partei“.

So verstand sich auch das DDR- Ministerium für Staatssicherheit (MfS), bei dem die Tscheka Pate gestanden hatte. Deren Gründer Dzierzynski war bis 1989 ideologisches Leitbild und Namens-patron des „Wachregiments des MfS“. „Mit tschekistischem Gruß“ war die offizielle Formel in MfS-Korrespondenzen. Ein westdeutscher Rundfunkjournalist, lange vor der Wende bekannt durch akribische Bücher über Aufbau und Wirkungsweise der „Stasi“, erzählte einmal, er sei bei einem DDR-Aufenthalt angesprochen worden: „Sagen Sie mal, was geht Sie eigentlich die Tscheka der DDR an?“ Da er offiziell akkreditiert war, konnte er Kontra geben: „Solange Sie Ihre Guillaums auf mich hetzen, muss ich der Tscheka der DDR auf die Finger schauen.“ Was ja hieß, immer auch deren sowjetische Lehrmeister im Auge zu haben, denn zu allen Zeiten gab es eine enge Zusammenarbeit mit den „sowjetischen Freunden“. Der KGB unterhielt bis 1989 eigene Dienststellen in der DDR. Und wo sind die ehemaligen „Tschekisten“? Die Potsdamer Stasi-Hochschule hat sie einst alle zu Juristen diplomiert, und das werden sie noch sein.


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