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24.10.09 / Bewährung im Krieg / Die BK in Ostpreußen 1938 bis 1945 – Teil 3 und Schluss

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-09 vom 24. Oktober 2009

Bewährung im Krieg
Die BK in Ostpreußen 1938 bis 1945 – Teil 3 und Schluss

Bis Ende 1937 waren über 150 Pfarrer der Bekennenden Kirche (BK) in Ostpreußen verhaftet worden. 1938 kehrten viele dieser Pfarrer und Mitglieder des Bruderrates überraschend aus den Gefängnissen zurück. Neue Verhaftungen blieben aus, so dass sich das Leben in den Kirchengemeinden schnell normalisierte. Doch die Ruhe war trügerisch – es war die Ruhe vor dem Sturm.

Aus Polen drangen im März 1939 beunruhigende Nachrichten über eine Mobilmachung über die Grenze. Das klang bedrohlich, aber nur die wenigsten hielten einen großen Krieg für wahrscheinlich. So versuchten die Menschen sich zu beruhigen. Man hoffte auch allseits auf eine Abschwächung der Konflikte zwischen Anhängern der Bekennenden Kirche (BK) sowie den regimetreuen Deutschen Christen (DC) und den offiziellen Kirchenbehörden.

Mit voller Schärfe ging das Hitler-Regime jedoch gegen Martin Niemöller vor, den Kopf des Pfarrer-Notbundes, Mitglied des altpreußischen Bruderrates und prominenter Vertreter der Bekennenden Kirche Ostpreußens. Nach seiner Verhaftung am 1. Juli 1937 planten die Regierenden, Niemöller vor der Öffentlichkeit des In- und Auslandes als Staatsfeind zu kriminalisieren. Damit hoffte man auch die gesamte Bewegung der Bekennenden Kirche zu diskreditieren. Doch das Gegenteil geschah. Niemöllers Verhaftung löste eine Welle der Solidarität in  und außerhalb Deutschlands aus. Seine eigene Gemeinde in Berlin-Dahlem versammelte sich jeden Abend in der St.-Annen-Kirche zu einem Fürbittgottesdienst für alle Gefangenen der Bekennenden Kirche. Fast einen Monat brauchte dann das Sondergericht in Berlin-Moabit, um Niemöller am 2. März 1938 zu sieben Monaten Haft zu verurteilen. Diese Strafe hatte er jedoch durch seine Untersuchungshaft bereits verbüßt. Das hinderte die Gestapo jedoch nicht, ihn am Gerichtsausgang erneut als „persönlichen Gefangenen Adolf Hitlers“ zu verhaften und in das Konzentrationslager Sachsenhausen zu bringen. Seine geplante Hinrichtung wendete der britische Lordbischof George Kennedy Allen Bell (wohl nach einer Intervention Dietrich Bonhoeffers) ab, indem er die Presse über den Fall Niemöller informierte. Ab 1941 wurde Niemöller dann mit über 1000 anderen Geistlichen aller Konfessionen im KZ Dachau unter den unmenschlichsten Bedingungen inhaftiert. Kurz vor Kriegsende 1945 verhinderten dann deutsche Streitkräfte unter Hauptmann Wichard von Alvensleben in Südtirol seine schon beschlossene Hinrichtung und befreiten ihn zusammen mit 138 weiteren prominenten „Sonderhäftlingen“ aus den Händen der SS.

Zu Kriegsbeginn am 1. September 1939 sei die evangelische Kirche „sofort in die schwere Kriegsnot hineingezogen“ worden, berichtet Walther Hubatsch in seiner großen „Geschichte der evangelischen Kirche in Ostpreußen“. Zahlreiche Pfarrer wurden zum Wehrdienst eingezogen oder hilfsdienstverpflichtet. Die kirchlichen Gebäude unterlagen den Luftschutzvorschriften. Die Knappheit an Kohle und anderem Brennmaterial führte im ersten Kriegswinter dazu, dass im Februar 1940 alle Dienstgeschäfte des kirchlichen Konsistoriums eingestellt werden mussten. Der Oberpräsident genehmigte einzig für die Konfirmationsfeiern im März eine Beheizung der Räume. Ab März 1941 verfügte die Staatspolizei, dass kirchliche Veranstaltungen nur noch in kirchlichen Räumen und nicht mehr in Schulen stattfinden durften – eine weitere Behinderung der kirchlichen Arbeit. Im Dezember des gleichen Jahres mussten alle Kirchengemeinden Ostpreußens ihre bronzenen Kirchenglocken abgeben. Wie schon einmal im 18. Jahrhundert wurde der Himmelfahrtstag – um den Ausfall von Arbeitsstunden zu vermeiden – als Feiertag abgeschafft. Nach einer mutigen Intervention des württembergischen Bischofs Theophil Wurm blieb immerhin der Karfreitag in protestantischen Gebieten arbeitsfrei.

Bischof Wurm hatte im Juli 1940 als erster deutscher Bischof in einem Brief an Reichsinnenminister Wilhelm Frick massiv gegen das Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten protestiert. 1943 wagte er es sogar, öffentlich gegen die Verfolgung der Juden zu protestieren. So näherte er sich immer mehr dem radikaleren Flügel der Bekennenden Kirche an. Auch zur Widerstandsgruppe des „Kreisauer Kreises” hielt er Kontakt. Erfolglos blieb er allerdings 1942 mit seinem Vorhaben, ein „Einigungswerk“ unter den weitgehend zerstrittenen Lagern der verschiedenen konfessionellen, regimetreuen oder -kritischen Gruppierungen innerhalb der evangelischen Kirche zu verwirklichen.

Dieser Kurzüberblick über einige Geschehnisse der Kriegszeit macht deutlich, wie schwierig die kirchliche Arbeit nun geworden war. Die Nationalsozialisten planten die Vernichtung der christlichen Kirchen, wie nach Kriegs­ende aufgefundene Dokumente zeigten, und begannen, diesen Plan auszuführen. Ostpreußen galt im Vergleich zu anderen Provinzen als „verhältnismäßig geordnet“, so der zuständige Oberkirchenrat. Dazu trugen Pfarrkonvente bei, die im Jahre 1940 in Königsberg, Allenstein und Insterburg jeweils fünfmal tagten. In Tilsit konnten sogar sieben derartige Zusammentreffen stattfinden. Als ein kirchlicher Höhepunkt in dieser Zeit gilt der Ostpreußische Gemeindetag, der im Juli 1941 in Königsberg unter Beteiligung von 110 Personen wiederholt wurde. Beim letzten ostpreußischen Gemeindetag (in Heydekrug), veranstaltet von Generalsuperintendent Otto Obereigner (Memelland), drangen dann 1942 verstärkt negative Nachrichten von den Fronten in die Heimat durch. Oberkonsistorialrat Bender vom Oberkirchenrat sprach zu Recht von der „Stunde der Prüfung“.

Vom Wirken der Bekennenden Kirche in der Kriegszeit liegen nur verhältniswenig wenige sichere Nachrichten vor. Die bekenntnistreuen Pfarrer, die noch arbeiten konnten, hinterließen kaum Aufzeichnungen, weil konspiratives Material jederzeit zum eigenen Todesurteil hätte führen können. Auch die beiden großen Werke über die Geschichte der Kirche in Ostpreußen von Walter Linck und Walther Hubatsch sind für diese Zeit wenig aussagekräftig. Sie wurden erst über 25 Jahre nach Krieg und Vertreibung herausgebracht und liefern nur relativ allgemeine Informationen.

Anders ist die Quellenlage bei den bekannten Lebenserinnerungen von Hans Graf von Lehndorff, der in Insterburg, einem Zentrum der Bekennenden Kirche, als Arzt wirkte und mehr oder minder zufällig in deren Arbeit hineingezogen wurde. Er schildert in seinen unterhaltsam und spannend zu lesenden Erinnerungen „Die Insterburger Jahre, mein Weg in die Bekennende Kirche“ seine erste Begegnung wie folgt: „Und so saß ich am nächsten Mittwoch pünktlich um 8 Uhr abends in dem alten baufälligen Gemeindehaus zwischen 30 oder 40 älteren Männern und wartete ohne sonderliche Spannung auf das, was der Schulrat (Tarnow) über Abraham erzählen würde. Aber siehe da, es sprach an diesem Abend nicht der Schulrat …, sondern der Mann der mich eingeladen hatte …“ Dieser Mann, der promovierte Studienrat Andreas Pfalzgraf, redete an diesem Abend so faszinierend über den Vater des Glaubens Abraham, wie Graf Lehndorf es noch nie gehört hatte. „Wie konnte es geschehen, dass ich 31 Jahre alt werden und in dieses schäbige Gemeindehaus kommen musste, um zu erfahren, dass es noch etwas anderes gibt als meine kleine Existenz, nämlich eine Welt, die nach allen Seiten offen steht, in der man leben und atmen kann …“, fragt sich der Arzt, der dann zu einem engagierten Mitarbeiter auf allen Ebenen der BK wird. Sein Vetter Heinrich Graf Lehndorff-Steinort besuchte ihn zweimal in Insterburg, gehörte später zum engeren Verschwörerkreis um Claus Schenk  Graf von Stauffenberg und starb nach dem 20. Juli 1944 am Galgen.

Die Bilanz nach zwölf Jahren nationalsozialistischer Herrschaft in Ostpreußen, blickt man allein auf die Kirche, kann man im wahrsten Sinne des Wortes als verheerend bezeichnen: 479 Pfarrer waren zum Kriegsdienst eingezogen worden; davon fielen 79. 38 Geistliche kamen im Dienst oder auf der Flucht um. 17 Pfarrer blieben zunächst in Ostpreußen; als einer der letzten wurde der Löbenichtsche Pfarrer Hugo Linck 1948 aus Königsberg ausgewiesen, der dann das oben erwähnte Werk über den Kirchenkampf verfasste.

Wo viel Dunkelheit ist, strahlt das wenige Licht manchmal besonders hell und hoffnungsgebend. Das gilt für faszinierende Personen dieser Zeit wie Pfalzgraf, Graf Lehndorff oder Pfarrer und Priester, die als Märtyrer starben wie Dietrich Bonhoeffer. Inmitten der unsäglichen Finsternis der beiden letzten Kriegsjahre versuchten sie, Hoffnung und Trost zu verbreiten. Ihr Wirken, Leben und Sterben in Ehren zu halten, ist Ziel einer neuen Reihe in den folgenden Ausgaben dieser Zeitung. Hinrich E. Bues


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