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24.10.09 / Suche nach einem Heilmittel / Berühmte Liebespaare: Alois Alzheimer und Cecilie Geisenheimer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-09 vom 24. Oktober 2009

Suche nach einem Heilmittel
Berühmte Liebespaare: Alois Alzheimer und Cecilie Geisenheimer

Alzheimer lässt grüßen.“ Es gibt keine unverantwortlichere und dümmere Redensart als diese. Jeder, der sie leichtfertig hinausposaunt, sollte sich im Klaren sein, wovon er spricht, nämlich von einer der schwersten, unaufhaltsam fortschreitenden Krankheiten, die den – meist älteren − Menschen ins Abseits sozialer Gemeinschaft führt. Die Krankheit, nach dem Neurologen Alois Alzheimer (1864–1915) benannt, ist medizinwissenschaftlich eine von vielen Formen der Demenz. In einem alten Lexikonartikel wird sie so geschildert: „Verblödung, erworbene Geistesschwäche. Der Zustand kann vorübergehend oder ständig auftreten und leichter bis sehr schwerer Natur sein. Wenn sie nicht als ,Dementia senilis‘ (Altersblödsinn) ein altersbedingter Abbau der geistigen Leistungen im höheren Lebensalter meist durch Verkalkung der Gehirngefäße ist, so wird die Demenz als Symptom und Endergebnis einer Hirnschädigung oder Geisteskrankheit gewertet.“ Nicht unbedingt mit Demenz zu tun haben kleinere alltägliche „Vergesslichkeiten“, die jeder kennt: „Mir fällt der Name nicht ein“, „Habe ich die Tablette genommen?“ „Wo liegt der Schlüssel?“

1912 wurde der bereits weithin berühmte Hirnpathologe Alois Alzheimer zum Professor für Psychiatrie an die Schlesische Fried-rich-Wilhelm-Universität in Breslau berufen. Aber davor lag ein langer Aufstiegsweg und die Begegnung mit seiner einzigen großen Liebe.

Die wichtigste Zeit seines Arbeitslebens verbrachte Alzheimer in Frankfurt am Main. 1888, nach Abschluss des Studiums, war ihm die Assistenzarztstelle in der „Städtischen Heilanstalt für Irre und Epileptiker“ angeboten worden, die ehemals der „Struwwelpeter“-Autor Heinrich Hoffmann geleitet hatte.

Im Jahr 1894 erreichte ihn dort ein Notruf seines Kollegen Wilhelm Erb: Alzheimer möge unverzüglich nach Argentinien kommen. Ein Patient Erbs, der Frankfurter Diamantenhändler Otto Geisenheimer sei schwer erkrankt, offensichtlich handele es sich um „progressive Paralyse“. Alzheimer folgte der Bitte und bestätigte die Diagnose „Gehirnerweichung“. Helfen konnte er nicht; Geisenheimer starb. Nicht zum ersten Mal verzweifelte Alzheimer an seinem Beruf. Gab es denn in Gottes weiter Schöpfung kein Mittel gegen die mörderische Krankheit? Es musste sich finden lassen!

Von diesem Gedanken verfolgt, trat Alzheimer der Witwe Cecilie Geisenheimer gegenüber, um ihr den Tod ihres Mannes mitzuteilen. Sein Herzschlag stockte. Vor ihm stand die Frau, die er lieben würde. Er wusste es mit der Sicherheit, mit der er eindeutige Diagnosen stellte. Cecilie setzte sich: „Ich habe es kommen sehen. Er hat furchtbar gelitten und ich habe zuviel erahnt.“ Ihre Blicke trafen sich, ruhten ineinander. In diesen Minuten wurde ein Bündnis geschlossen, das Kummer, Ängste für die Dauer ihres Daseins überwand. Gemeinsam kehrten sie nach Frankfurt zurück. Sie hatten den Entschluss zur Heirat gefaßt. „Du weißt, ich bin Jüdin. Ich werde zum evangelischen Glauben übertreten“, erklärte Cecilie bündig. „Das musst du nicht“, wehrte Alzheimer ab. Unbeirrt erwiderte Cecilie: „Ich mache keine halben Sachen. Unsere Kinder sollen mit festem Familienband aufwachsen.“ Im Februar 1895 wurden sie kirchlich getraut. Sie bezogen ein Haus in der Liebigstraße, nahe der „Städtischen Heilanstalt“, in der Alzheimer um das Leben eines jeden Patienten rang.

„Heilen!“ − Alzheimer konnte das Wort nicht mehr hören. Angesichts der kranken Menschen packte ihn blanke Verzweiflung, griff mit Krallen nach ihm. Jede freie Minute saß er im häuslichen Arbeitszimmer, las und sann: „Helfen! Helfen können. Das Mittel!“

Wie jeden Tag holte ihn Cecilie zum Abendessen. Erschüttert blickte sie auf Alzheimer. Den Kopf hielt er über ein Buch gesenkt, die Schultern zuckten. Wortlos drückte Cecilie ihm ein Taschentuch in die Hand: „Alois, eines Tages wird sich die Krankheit wenigstens verzögern lassen. Solche Mittel wird es geben.“ Er stöhnte: „Verzögern! Das heißt doch nur, das Elendsleben verlängern. Ich will gesundmachen, heilen!“ Sie strich ihm über das Haar: „Später, vielleicht viel später, wird ein Kollege, ein ganzes Wissenschaftskollegium, Heilmöglichkeiten finden. Das wünsche ich dir und allen Kranken. Später, Alois – vielleicht!“ Bis heute fand der Wunsch keine Erfüllung.    Esther Knorr-Anders

Foto: Alois Alzheimer: Suchte vergeblich nach einem Heilmittel.


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