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24.10.09 / Mein Freund, der Hund / Junge flieht in Wildnis

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-09 vom 24. Oktober 2009

Mein Freund, der Hund
Junge flieht in Wildnis

„Je mehr ich von den Menschen sehe, umso lieber habe ich meinen Hund“, so lakonisch äußerte sich einst Preußenkönig Friedrich der Große über die Gesellschaft. Ähnlich geht es dem Helden aus David Wroblewskis Roman „Die Geschichte des Edgar Sawtelle“. Edgar, von Geburt an stumm, wächst auf einer abgelegenen Farm in Wisconsin auf. Seine Eltern Gar und Trudy betreiben eine Hundezucht, weshalb Edgar schon als Kind eine tiefe Bindung zu den Tieren aufbaut. Mit Hilfe eines Lexikons gibt er den neu geborenen Welpen Namen. Die Hündin Almondine, seine treueste Gefährtin, versteht sogar die Gebärden des sensiblen 14-Jährigen.

Die Familienidylle gerät ins Wanken, als Onkel Claude plötzlich aus dem Koreakrieg zurück-kehrt. Vor 20 Jahren hatte er seinem Bruder Gar die Anteile an Haus und Hof verkauft und sich dann nicht mehr blicken lassen. Nun will er gegen Kost und Logie auf der Farm arbeiten, die auch ihm einst gehörte. Es kommt zu Erbstreitigkeiten zwischen den ungleichen Brüdern. An einem kalten Wintermorgen findet Edgar seinen Vater in der Scheune − mit dem Gesicht nach unten im Stroh liegend. Von Anfang an verdächtigt der Junge Claude als Mörder. Doch ihm fehlen die Beweise. Als seine Mutter kurz darauf ein Verhältnis mit dem verhassten Onkel beginnt, flieht Edgar in die Wildnis. Seine einzigen Begleiter sind drei junge Hunde, mit denen er ums Überleben kämpft und einen Plan ausheckt. Wird Edgar es schaffen, seinen Onkel zu überführen?

In seinem Debütroman hat David Wroblewski viel Autobiographisches verarbeitet. Auch seine Eltern besaßen eine Hundefarm im Mittleren Westen. Hieraus entstand die Motivation zum Buch, an dem der hauptberufliche Softwareentwickler zehn Jahre arbeitete: „Ich hatte gehofft, einen Roman zu finden, der das, was wir über hündisches Verhalten, Wahrnehmungsvermögen und Abstammung wissen, mit dem verbindet, was ich selbst in meinen Erfahrungen mit Hunden lernen konnte. Als ich aber nach einer solchen Geschichte suchte, musste ich fast 100 Jahre zurückgehen, bis zu Jack Londons ,Der Ruf der Wildnis‘ und sogar noch weiter bis zu Rudyard Kiplings ,Dschungelbuch‘.“ Neben London und Kipling gehört Shakespeares ,Hamlet‘ zu den literarischen Vorbildern des spannenden Abenteuerromans. Unübersehbar sind die Parallelen vom Brudermord und Vaterverlust über den Geist Gars, der den Sohn heimsucht, bis hin zum Verhältnis von Trudy und Claude alias Gertrude und Claudius. Die Rolle der Ophelia spielt in dieser Tragödie die Hündin Almondine.

Manchmal übertreibt Wroblewski es jedoch mit seinen ständigen Anspielungen auf die Klassiker, die kaum Raum für Interpretationen lassen und den symbolisch aufgeladenen Landschafts- und Naturbeschreibungen: „Weit weg am fernen Rand der Welt antworteten Gewitterwolken mit ihrem Glühen auf den Ruf des Feuers, doch wenn sie herankamen, würden sie nichts anderes zu bieten haben als eine Inspektion der verkohlten, schwelenden Gebeine.“ Solche esoterisch anmutenden Stellen erfordern ebenso wie die ausführlichen Hundezüchtertipps und Gedankenmonologe der Tiere einen langen Leseatem. Durchhalten lohnt sich jedoch. Sophia E. Gerber

David Wroblewski: „Die Geschichte des Edgar Sawtelle“, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2009, geb., 700 Seiten, 22,95 Euro


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