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31.10.09 / Die Hoffnung stirbt zuletzt / Die neue Regierung hofft inständig auf einen Wirtschaftsaufschwung – Andernfalls größte Probleme

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-09 vom 31. Oktober 2009

Die Hoffnung stirbt zuletzt
Die neue Regierung hofft inständig auf einen Wirtschaftsaufschwung – Andernfalls größte Probleme

Der Koalitionsvertrag ist unterschrieben, das Kabinett vereidigt: Deutschland weiß nun in etwa, wer es in den nächsten vier Jahren in welche Richtung zieht. Allerdings zeichnet der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag keine große Vision. Das Motto scheint zu sein: Im Grunde mehr oder weniger weiter so, Bürger und Wirtschaft um 24 Milliarden entlasten und auf den Aufschwung hoffen.

Auch die großen Überraschungen sind ausgeblieben. Sie sind schnell aufgezählt: Wolfgang Schäuble wird Finanzminister, er soll trotz weiterer Rekord-Verschuldung Solidität ausstrahlen; außerdem hat er das Vertrauen der Kanzlerin. Dagegen muss Schäuble nach den Verwirrungen wegen der vorübergehend geplanten Haushaltstricks („Schattenhaushalt“) Vertrauen in der Bevölkerung in die Haushaltspolitik des Bundes erst wieder „ansparen“.

Der weltläufige und polyglotte Karl-Theodor zu Guttenberg erhält ein „klassisches“ Ministerium, das Verteidigungsressort. Als strategischer Kopf, im Rang Unteroffizier der Reserve, kann Guttenberg damit Außenminister Guido Westerwelle gelegentlich schon unter Druck setzen. Aber das Verteidigungsministerium ist auch ein Schleudersitz, viele sind schon gescheitert auf diesem Sessel – besonders prominent in dieser Rolle Franz Josef Strauß 1962.

Der 38 Jahre alte zu Guttenberg bleibt auch nicht der Benjamin im Bundeskabinett: Der erst 36 Jahre alte FDP-Mann Philipp Rösler aus Niedersachsen, einst von einem Bundeswehroffizier aus einem Waisenhaus in Vietnam adoptiert, wird Gesundheitsminister. Dieses Amt hat – wie auch das Finanzministerium – das Potenzial, den Inhaber binnen Kurzem unbeliebt zu machen: im Volk, bei den Interessengruppen und auch in der eigenen Partei.

Da trifft es sich gut, dass im Koalitionsvertrag wenig Konkretes zur Gesundheitsreform festgelegt wurde. Zunächst sollen die erwarteten Milliarden-Defizite vom Bund querfinanziert werden, damit die Beiträge nicht steigen. Dann sollen die Arbeitsgeberbeiträge stabil bleiben, spätere Beitragserhöhungen bleiben an den Arbeitnehmern hängen. Der Gesundheitsfonds soll einerseits bestehen bleiben – Beobachter fragen sich, warum die CDU ausgerechnet dieses bürokratische Monster mit Zähnen und Klauen verteidigt hat –, andererseits aber partiell entmachtet und regionalisiert werden, nicht zuletzt kam hier die CSU zum Zuge.

Überhaupt: die Bayern. Sie saßen in jeder Koalitionsrunde voll gleichberechtigt mit am Tisch, haben statt der ihnen arithmetisch zustehenden zwei gleich drei Ministerämter (Guttenberg Verteidigung, Aigner Agrar und Ramsauer Verkehr) nebst vier Staatssekretären geholt, haben alle konkreten Wahlversprechen eingelöst (Steuersenkungen, Hilfen für die Milchbauern, härtere Jugendstrafen, ja sogar das Betreuungsgeld für selbst erziehende Eltern) und können zufrieden sein. Allerdings hätten viele Christsoziale zu Guttenberg lieber im mächtigeren Finanz- oder eventuell auch im Innenministerium gesehen.

Als weitere Überraschungen oder gar ironische Volten kann man die Besetzungen des Umweltministeriums mit dem BDI- und RWE-nahen Norbert Röttgen und des Entwicklungshilferessorts mit dem bisherigen FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sehen – war es doch die FDP, die dieses Ministerium am liebsten abgeschafft hätte. Der pfälzische Weinkenner Rainer Brüderle als neuer Bundeswirtschaftsminister wird schwerlich mehr Dynamik ausstrahlen können als Guttenberg. Die linksliberale Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (schon der Name ein Schreckgespenst aller Zeitungsmacher) hatte in selber Funktion bereits unter Helmut Kohl die Konservativen zur Weißglut getrieben. Im Streit über die akustische Wohnraumüberwachung trat sie 1996 zurück. Man darf gespannt sein, wann es zwischen ihr und den Innenpolitkern der Union den ersten zünftigen Krach gibt, trotz der sehr reibungslosen Koalitionsverhandlungen in diesem Bereich. Die „stille Effizienz“, Ex-Kanzleramtsminister Thomas de Maiziere, wechselt ins Innenministerium und wird dort seine Arbeit voraussichtlich ebenso still erledigen wie zuvor bei der Kanzlerin. Franz Josef Jung, im Verteidigungsministerium zuletzt überfordert, darf sein Glück im wesentlich sensibleren Arbeits- und Sozialressort versuchen. Ob das gut geht?

Immerhin stehen spätestens 2011, wenn die Wahl im 18-Millionen-Land Nord-rhein-Westfalen überstanden ist, massive Einsparungen an. Aller Logik nach muss der größte Haushaltsposten, das Soziale, dann am meisten bluten. Dort ist einfach am meisten zu holen, auch die Programmatik der Regierungsparteien und der Sachverständigenrat weisen in diese Richtung.

Die Koalitionäre hoffen inständig, dass die Konjunktur sich an ihre „Anordnung“ hält und bis dahin die Wirtschaft wieder brummt.  Anton Heinrich

Foto: Vertauschte Rollen: Ausgerechnet die Liberalen, denen bislang solide Staatsfinanzen über alles zu gehen schienen, haben eine riskante Haushaltspolitik nach dem „Prinzip Hoffnung“ durchgesetzt.


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