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31.10.09 / Scheu vor der »Ekelliste« / Trotz Skandalen will Berlin schwarze Schafe in der Gastronomie nicht an den Pranger stellen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-09 vom 31. Oktober 2009

Scheu vor der »Ekelliste«
Trotz Skandalen will Berlin schwarze Schafe in der Gastronomie nicht an den Pranger stellen

Berlin ist auch die Hauptstadt des Döner Kebab. Nirgendwo sonst in Deutschland werden so viele mit Fleisch und Salat gefüllte Fladenbrote an den Mann gebracht wie hier. Indes hat jetzt wieder ein Bericht zur Lebensmittelhygiene Zweifel an der Qualität genährt. Wie genießbar sind Berlins Döner?

Viele Leute haben ein schlechtes Gewissen, nachdem sie „Fastfood“ verzehrt haben. Ein Bulettenbrötchen in einem Schnellrestaurant oder eine Portion Pommes in der Bude an der Ecke – das ist nicht gerade gesunde Ernährung und sollte nicht täglich auf dem Speiseplan stehen.

Wenn Marco S. sich auf dem Nachhauseweg einen Kebab bestellt, hat er schon bislang ein mulmiges Gefühl. Der neueste Ekelreport über Geflügelfleisch-Döner hat Käufer des türkischen Gerichts wie ihn nun noch weiter verunsichert. Student S. kauft jetzt nur noch bei einem Händler seines Vertrauens.

Das jüngste Papier des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hat es nämlich in sich. Für den Bericht zur „Lebensmittelsicherheit 2008“ wurden in sechs Bundesländern über 300 Kontrollen in Betrieben durchgeführt, die Geflügelfleischprodukte herstellen, darunter auch viele Hersteller von Dönerspießen.

Bei fast jedem zweiten Produzenten von Geflügelfleischdöner (49 Prozent) fanden sich kleinere Mängel. Bei 22 Prozent konnten Verstöße gegen die Regeln zur Desinfektion aufgedeckt werden, 16 Prozent hatten unzureichend ausgebildetes Personal. Fünf Prozent waren nicht einmal sorgfältig genug bei der Schädlingsbekämpfung. Bei parallel untersuchten herkömmlichen Imbissbuden fanden sich ebenfalls viele Mängel.

Etwa eineinhalb Tausend Dönerbuden gibt es in Berlin. Es heißt, das seien mehr als in Istanbul. Damit hat sich der Spieß vom orientalischen Exoten zu einem Standard-Imbiss in der deutschen Hauptstadt gemausert. Entsprechend ernst nehmen die Berliner Berichte über teils erschreckende Qualitätsprobleme. Die Budenbetreiber müssen stets mit einer Kontrolle durch das Gesundheitsamt rechnen. 2007 wurden in Berlin von 25447 Gastronomiebetrieben – wie etwa Dönerbuden – 17819 kontrolliert, und zwar im Durchschnitt zweimal.

Viel zu wenig, finden Kritiker. Mehr sei nicht drin, entgegnen die zuständigen Beamten. Das Personal reiche nicht aus für mehr. Der Staat könne ja schließlich nicht alles kontrollieren. Die Käufer müssten selbst auch ein wenig die Augen und die Nase offen halten: Sieht der Laden sauber aus? Wäscht sich das Personal die Hände? Sind Schürze und Hemd gereinigt? Wird der Salat gekühlt? Hängt jeden Tag ein neuer, frischer Spieß am Haken?

Die Ursachen für mangelnde Hygiene sind vielfältig. Gemunkelt wird auch über ein „Mentalitätsproblem“, über das offen zu sprechen die politische Korrektheit untersagt. Außerdem besteht ständiger Kostendruck, denn der Wettbewerb ist hart im Dönergeschäft. Je mehr Buden, desto heftiger der Preiskampf. Anfang des Jahrzehnts ging es besonders hoch her. Damals fiel der Preis pro Portion mancherorts unter die Zwei-Euro-Marke.

Mittlerweile hat sich die Lage an der Preisfront etwas beruhigt. Vor einem Jahr prognostizierte die linksalternative „taz“ für das Jahr 2009 sogar einen deftigen Anstieg auf drei Euro pro Durchschnittsdöner, weil Energiekosten und gestiegene Einkaufspreise die Produktionskosten in die Höhe treiben würden. In anderen Städten wie München oder Köln seien schließlich Preise von 3,50 Euro normal.

Ganz so ist es nicht gekommen. Eine stichprobenartige Marktanalyse in zehn Buden zwischen dem Schlesischen Tor und dem Potsdamer Platz ergab einen Durchschnittspreis von rund 2,70 Euro. Drei Euro – dieser Preis wird nur in „Touristengebieten“ wie der Friedrichstraße erreicht. Im tiefsten Kreuzberg (Wrangelstraße) dagegen gibt es das geraspelte Rinder- oder Geflügelfleisch schon für zwei Euro. Spätestens bei diesem Preis sollten sich die Kunden fragen, ob der Verkäufer noch genügend Spielraum für Reinigung und Qualitätsvorsorge hat, raten Marktbeobachter. Es war schließlich in Berlin, wo vor zwei Jahren der Döner-König Remzi Kaplan mit bedenklichem Fleisch erwischt wurde. Er hatte Ware umetikettiert und war dafür 2008 mit einer Geldstrafe von 40000 Euro bestraft worden.

Vor einem halben Jahr gab es schon einmal große Aufregung in Berlin rund um das Thema „Fastfood“. Das Bezirksamt Pankow zeichnete vorbildliche Restaurants aus. Für sehr viel mehr Aufmerksamkeit sorgte die gleichzeitige Veröffentlichung besonders unappetitlicher Prüflinge.

Diese „Pankower Ekelliste“ kann seitdem jeder im Internet einsehen, neuerdings auch mit Fotos. 22 Betriebe werden auf der aktuellen Liste angeprangert, darunter drei Dönerbuden mit teilweise haarsträubenden Befunden (Ungeziefer, verschimmelte Ware). Die anderen Berliner Bezirke haben sich bislang geweigert, das Pankower Modell zu übernehmen. So bleibt die Veröffentlichung der Prüfungsergebnisse ein Privileg, von dem nur Kunden in Pankow profitieren. Markus Schleusener

Foto: Mängel bei fast jedem zweiten Hersteller von Geflügeldöner: Nur der Bezirk Pankow veröffentlicht die Namen unhygienischer  Imbissbuden und Restaurants.


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