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31.10.09 / Erste kulturelle Blütezeit in Berlin / Ausstellungen widmen sich der Kunst der Renaissance mit Werken von Lucas Cranach und seiner Werkstatt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-09 vom 31. Oktober 2009

Erste kulturelle Blütezeit in Berlin
Ausstellungen widmen sich der Kunst der Renaissance mit Werken von Lucas Cranach und seiner Werkstatt

Erstmals nimmt sich eine Ausstellung der Kunst der Renaissance in Berlin an. Eine stattliche Anzahl von Werken des Malers Lucas Cranach und seiner Werkstatt macht diese erste kulturelle Blütezeit deutlich.

Pablo Picasso, der Meister der Moderne, sagte einmal in einem Interview, dass er Lucas Cranach d. Ä. (1472–1553) für den größten deutschen Künstler halte. Nur ein Jahr jünger als Albrecht Dürer war Cranach der andere große Künstler der Renaissance, der Maler, Graphiker und Unternehmer, geboren 1472 als Sohn eines Malers im fränkischen Kronach. Erste Erfolge feierte er in Wien. Doch bis heute weiß man nicht genau, wo und von wem er ausgebildet wurde.

Eine kleine Brauerei in seiner Vaterstadt hat es sich nicht nehmen lassen, ein Bier nach dem großen Meister zu benennen. Viele Ausstellungen widmeten sich in der Vergangenheit diesem Künstler, Museen von Rang rühmen sich, seine Werke zu besitzen. Schon früh erkannte man „seinen ungebändigten Ausdruckswillen, in dem Form und Farbe einander zu großartiger Wirkung steigern“, wie Kunsthistoriker betonen.

Eine große Auswahl von Cranach-Gemälden ist ab diesen Sonnabend in der Ausstellung „Cranach und die Kunst der Renaissance unter den Hohenzollern“ im Schloss Charlottenburg zu sehen. Normalerweise befindet sich der umfangreiche Bestand, über den die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) verfügt, im Jagdschloss Grunewald. Das wird jedoch zur Zeit saniert, so dass man nach Charlottenburg ausweichen musste. Diese bedeutenden Gemälde Cranachs und seiner Werkstatt hatten einst die Hohenzollern für die Stiftskirche und das Berliner Schloss in Auftrag gegeben. Ein großer Teil gelangte später aus dem Berliner Schloss in das Jagdschloss Joachims II. (1505–1571) im Grunewald. Nach mehrjähriger Forschungsarbeit stehen sie nun im Mittelpunkt dieser Ausstellung. Mit über 200 Exponaten gibt die Schau erstmals Einblicke in diese frühe, dynamische Phase der brandenburgisch-preußischen Geschichte und Kunst. „Dabei wird der Bogen von der Regierungsübernahme der Hohenzollern 1417 bis zum folgenreichen Übertritt des Herrscherhauses zum Calvinismus am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges gespannt“, so die Ausstellungsmacher.

Es war eine spannungsreiche Zeit, in der Cranach lebte. Kaiser und Kirche stritten um die Macht, Martin Luther legte sich mit der Kirche an. Cranachs größter Auftraggeber war der katholische Kardinal, Erzbischof von Mainz und Magdeburg, Kurfürst und Reichserzkanzler Albrecht von Brandenburg, der mächtigste Kirchenfürst des Abendlandes. Er ließ Cranach die neue Stiftskirche in Halle ausgestalten, der dort den größten Gemäldezyklus der deutschen Kunstgeschichte fertigte.

Einerseits war es die hohe Qualität seiner Arbeit, andererseits aber auch seine Geschäftstüchtigkeit, die noch heute imponiert. Es gelang Cranach nämlich, die unterschiedlichsten Auftraggeber zu gewinnen. Einmal das altgläubige, katholische Publikum, andererseits die Protestanten, zu deren Chefpropagandisten er sich entwickelte. Porträts von Martin Luther und dessen Frau Katharina Bora, von Friedrich dem Weisen oder Philipp Melanchthon prägen bis heute unsere Vorstellung von diesen Persönlichkeiten. Mit seinen Aktdarstellungen schuf Cranach ein zeitloses Ideal weiblicher Schönheit. In seiner Werkstatt entstanden aber auch zahlreiche Madonnenbilder, von denen einige bis heute als Gnadenbilder verehrt werden.

Cranach war vor allem aber auch ein erfolgreicher Unternehmer. Er besaß zum Beispiel eine Apotheke mit Weinausschank. 1537 wurde er Bürgermeister der Stadt Wittenberg. Von 1505 bis zu seinem Lebensende war er Hofmaler bei Friedrich dem Weisen und bei dessen Nachfolgern am kurfürstlichen Hof. Darüber hinaus unterhielt Cranach eine Malerwerkstatt mit mehreren Lehrlingen und Gesellen. Auch betrieb er eine Buchdruckerei und einen Verlag. 1526 bestellte Herzog Albrecht bei ihm „neue gute, leswürdige Bücher“ für seine Bibliothek und 200 Postillen zur Verteilung an die Pfarrer der noch jungen Landeskirche – eine Wagenladung von immerhin zwölf Zentnern Gewicht, die Richtung Königsberg ging.

Als Auftragsarbeit für die Hohenzollern schufen Cranach und seine Werkstatt zahlreiche Altartafeln, mythologische Gemälde und Porträts für das Berliner Schloss und das benachbarte Domstift. Sie bilden den Grundstock der Kunstsammlungen in den preußischen Schlössern und wurden jüngst gemäldetechnologisch und kunsthistorisch untersucht. Die neu gewonnenen Erkenntnisse werden in der Ausstellung zusammen mit den vielfältigen Bezügen der Gemälde zu ihrem höfischen Umfeld präsentiert.

Der Schwerpunkt der Untersuchung lag vor allem auf dem Erkennen von Herstellungsmerkmalen, der Holzartenbestimmung, dem Herausarbeiten der Besonderheiten in der Maltechnik und dem direkten Vergleich mit Werken anderer Künstler der Zeit. Bei einem Porträt des brandenburgischen Kurfürsten Joachim I. (1484–1535), das Cranach 1529 schuf, und dem in derselben Zeit geschaffenen Bildnis von Martin Luther konnte nachgewiesen werden, dass Cranach seine Porträtstudien auf Papier als Grundlage für die Gemälde nutzte. Er übertrug im Durchdrück-verfahren die Umrisse im Maßstab 1:1 auf das Holz, ähnlich den heutigen Blaupausen. Mittels modernster Technik konnte man jetzt erkennen, wo die Vorlage abrutschte oder das An- und Absetzen des Durchdrückstiftes sehen.

Der Besucher der Ausstellung kann mit Hilfe von Infrarotaufnahmen diese Technik nun nachvollziehen.

Mit zusätzlichen Exponaten wie Skulpturen, Archivalien, Druckgraphik, Kunstgewerbe und Büchern wird der kulturgeschichtliche Zusammenhang deutlich gemacht. So wird erkennbar, wie die Hohenzollern schon früh Politik und Religion, Kunst und Wissenschaft miteinander verknüpften.

Parallel dazu wird in der Marienkirche eine Ausstellung mit dem Titel „Kirche, Hof und Stadtkultur“ gezeigt. Der Schwerpunkt liegt hier auf den politischen, religiösen, künstlerischen und gesellschaftlichen Wechselbeziehungen zwischen dem Hof und der städtischen Gesellschaft.

Den Kern der Ausstellung bildet ein außerordentlich reicher Bestand an Kunstwerken aus den mittelalterlichen Stadtkirchen Berlin-Cöllns, die der Repräsentation der bürgerlichen Eliten der Stadt dienten.

„Ein weiterer Schwerpunkt widmet sich der Stellung der Kirchen im Gefüge der städtischen Strukturen und der Landesherrschaft. Leitthema ist hier die besondere Rolle der Kurfürsten als oberste Bischöfe des Landes, die sie nach Einführung der Reformation im Kirchenregiment ausübten“, so die Ausstellungsmacher.

Beide Ausstellungen sind zweifellos ein Höhepunkt im Ausstellungsjahr. Einmal mehr zeigen sie das hohe Niveau der Berliner Kunst im 16. und 17. Jahrhundert und spiegeln die geistigen Entwicklungen und theologischen Debatten dieser Zeit.     Silke Osman

Die Ausstellung „Cranach und die Kunst der Renaissance unter den Hohenzollern“ ist im Schloss Charlottenburg – Neuer Flügel  vom 31. Oktober 2009 bis 24. Januar 2010 zu sehen. Geöffnet: Mittwoch bis Montag von 10 bis 17 Uhr, Eintritt: 8 / 6 Euro.

Die Ausstellung „Kirche, Hof und Stadtkultur“ ist in der St. Marienkirche, Berlin Mitte, zu sehen. Geöffnet: Montag bis Sonnabend von 10 bis 18 Uhr, Sonntag von 12 bis 18 Uhr (Änderungen bei Sondergottesdiensten und Konzerten vorbehalten), Eintritt frei.

Zu den Ausstellungen erscheint ein Begleitband „Cranach und die Kunst der Renaissance unter den Hohenzollern − Kirche, Hof und Stadtkultur“ im Deutschen Kunstverlag, etwa 272 Seiten mit zirka 327 Farbabbildungen, in der Ausstellung 29,90 Euro, im Buchhandel 34,90 Euro.

Foto: Lucas Cranach d. Ä.: Kurfürst Joachim II. (Öl, um 1555)


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