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31.10.09 / Gelehrter und Patriot / Forscher und Freiheitskämpfer – Friedrich Gottlieb Welcker

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-09 vom 31. Oktober 2009

Gelehrter und Patriot
Forscher und Freiheitskämpfer – Friedrich Gottlieb Welcker

Im hessischen Grünberg erinnert eine Steintafel an der „Alten Kaplanei“ an den am 4. November 1784 geborenen „großen Gelehrten und treuen Patrioten“ Friedrich Gottlieb Welcker. Nicht nur in seiner Vaterstadt ist das Andenken an den geistvollen Altertumsforscher erhalten geblieben, der, in der Beschaulichkeit eines Landpfarrhauses aufgewachsen, über die Theologie und Philologie zum angesehenen Archäologen wurde.

Gerade 19 Jahre alt, erhielt Friedrich Gottlieb Welcker am 23. Dezember 1803 das Doktordiplom und zugleich die akademische Lehrbefugnis. Ernst Moritz Arndt, Johann Gottlieb Fichte und Friedrich Ludwig Jahn waren die geistigen Väter, die in Welcker einen Verbündeten fanden in der Verteidigung des Deutschtums gegen die damaligen Machtansprüche Frankreichs und den höfischen Partikularismus. An den Universitäten rumorte es; Unruhequellen waren die damals verbotenen studentischen Verbindungen. Dem jungen Welcker gelang es, die Unruhen in Gießen zu kanalisieren, so wie er einige Jahre später für die Reformierung des Universitätslebens Beispielhaftes geleistet hat.

Eine Begegnung mit dem großen Gelehrten und Staatsmann Wilhelm von Humboldt führte bald zu einer innigen Verbindung zum Hause Humboldt. Das alte Griechenland und die Ideen der Korrelation von Staat und Individuum waren sicherlich Gesprächsthemen, die zu Harmonie und gegenseitiger Wertschätzung führten. Das Leben mit und um Wilhelm von Humboldt bewirkte aber auch in Welcker, dass ihm sein „Vaterländchen“, wie er Hessen-Darmstadt nannte, für immer zu eng wurde und er sich dem großen Deutschland unter dem Primat Preußens zugehörig und verpflichtet fühlte. 1807 wurde er Lehrer und Erzieher der Humboldtschen Kinder.

Als Welcker, 23-jährig, von Rom nach Gießen zurückkam, war Archäologie so selbstverständlich wie Philologie das Feld seiner Forschung und Lehre. Am 16. Oktober 1809 wurde er zum ordentlichen Professor „der griechischen Literatur und Archäologie“ ernannt, eine Fachbezeichnung, wie sie damals zum ersten Male an einer deutschen Universität verwandt wurde.

In dieser Zeit belastete ihn der „Jammer des Vaterlandes“ immer schwerer. Anfang 1814 meldete sich Welcker mit über 100 seiner Studenten zum hessischen Freiwilligen Jägercorps und wird zum Oberleutnant gewählt.

Nach den Befreiungskriegen trifft er in Kiel den Historiker Fried­rich Dahlmann, der die Deutschen aufrief, „der überlebten Diktatur des fürstlichen Absolutismus ein Ende zu bereiten und sich nach dem Muster Englands eine demokratische Verfassung zu erkämpfen“. Welckers Abhandlung „Über die Zukunft Deutschlands“ ging in die gleiche Richtung und erschien 1816 in „Kieler Blätter“. Welcker: „Ein gehörig bestimmtes, weise ausgebildetes Wahlrecht würde die Wohlfahrt Deutschlands dauernder begründen als erbkaiserliche Macht.“ In der Bildung zwischenstaatlicher Gemeinschaften sieht er eine zwangsläufige Beschränkung nationaler Freiheit. Welcker: „Wir müssen von unserer Freiheit viel aufgeben, wenn es der Bildung Europas bedarf … es darf nie über das Notwendige, nie ohne Zweck und Maß sein.“

Im Frühjahr 1819 wird Welcker Professor an der neugegründeten preußischen Friedrich-Wilhelms- Universität Bonn. Das Beginnen war schwungvoll und getragen von großen Hoffnungen. Da wurde am 5. Juli 1819 die Beschlagnahme „sämtlicher Papiere“ der „Professoren E. A. Arndt, Welcker senior und Welcker junior“ angeordnet, da sie der Teilnahme oder Mitwisserschaft an geheimen politischen Verbindungen und Umtrieben verdächtig seien. Die so genannte Demagogenverfolgung war in Preußen unerbittlicher als anderswo. Man nannte sie einen Kampf gegen einen „Haufen verwilderter Professoren und Studenten“. Verfolgt waren namentlich die Professoren Arndt und Welcker in Bonn sowie Schleiermacher und Jahn, der Turnvater, in Berlin. Welcker fordert ein Gerichtsverfahren. Wörtlich: „Wir könnten vor eine Militär-Kommission gestellt sein, um in 24 Stunden gerichtet zu werden … Wir würden in jenem Falle uns ergeben im Glauben, dass aus unseren Gebeinen ein Rächer aufstehen würde.“ Die Eingabe schließt sarkastisch: „Wen irgend sein schwerer Beruf verpflichtet, die königlichen Blitze zu leiten, oh, der möge wohl das schuldige Haupt zu finden verstehen.“ In dieser Zeit hielt Welcker Kontakt zum Freiherrn Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein und zu seinem engen Gesinnungsfreund Arndt. Über sechs Jahre dauerten die Qualen der Ungewissheit. Endlich wurde am 17. Oktober 1825 mitgeteilt, dass die „Polizeiliche Aufklärung“ abgeschlossen sei.

In all den trüben Jahren war Welcker seinen Verpflichtungen als Forscher und Oberbibliothekar verantwortungsbewusst und mit großem Fleiß nachgekommen. Unter den zahlreichen Werken nahm die „Griechische Götterlehre“ absoluten Vorrang ein. 1863 wurde das 2000 Seiten umfassende, monumentale Werk des fast 80-Jährigen von der Wissenschaft begeistert aufgenommen. Ohne eigentlich krank zu sein, verzehrten sich seine Kräfte. Am 17. Dezember 1868, 9 Uhr abends, starb er in Ruhe und Frieden.

Auf dem alten Friedhof zu Bonn erinnert die Nachbildung einer griechischen Stele mit dem von Robert Cauer aus Marmor geschaffenen Kopfrelief des Verstorbenen an den geistvollen Gelehrten, den aufrechten deutschen Patrioten und den gütigen, liebenswürdigen Menschen Fried­rich Gottlieb Welcker. 

Zehn Jahre nach dem Tode Welckers wurde ein Denkmal für König Friedrich Wilhelm III. von Kaiser Wilhelm I. auf dem Heumarkt in Köln eingeweiht. Zu dem Ensemble der dargestellten Persönlichkeiten gehören auch Ernst Moritz Arndt und Friedrich Gottlieb Welcker, „als der hervorragende Archäologe der Zeit“. Das Denkmal kündet so auch von den großen Verdiensten unvergessener Persönlichkeiten, die sich der besonderen Gnade des Königs, auf dem Sockel „hoch zu Roß“, nicht immer erfreuen konnten. So gesehen, zeugt dieses Monument auch von einer Art Wiedergutmachung des Hauses Hohenzollern gegen­über Friedrich Gottlieb Welcker und manchen seiner Zeitgenossen, die jahrelang Schmähungen und Verfolgungen zu erdulden hatten, weil sie selbstlos und unerschrocken eintraten für die Einigung und Demokratisierung Deutschlands.  Karl Betz

Der Verfasser des Beitrags ist Autor einer 191-seitigen Monographie zu diesem Thema, die bei der Buchhandlung Reinhard, Marktgasse 10, 35305 Grünberg, Telefon (06401) 7855, Fax 3107733, für 12 Euro einschließlich Versandkosten bestellt werden kann.

Foto: Friedrich Gottlieb Welcker (1784–1868): Stich von Adolf Hohneck (1812–1879) aus dem Jahre 1840


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