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31.10.09 / Naiver Schelm oder trauriger Clown? / Filmlegende Heinz Rühmann hatte sein erstes Engagement am Theater in Breslau – Erinnerung an einen großen Mimen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-09 vom 31. Oktober 2009

Naiver Schelm oder trauriger Clown?
Filmlegende Heinz Rühmann hatte sein erstes Engagement am Theater in Breslau – Erinnerung an einen großen Mimen

Wenn er mit einschläfernder Stimme davon singt, wie stürmisch und leidenschaftlich er doch sei, schmilzt auch heute noch manches Herz dahin. Dass man nicht besonders groß sein muss, um im Film die Herzen der Frauen zu brechen, hat Heinz Rühmann auch bewiesen. Sein Publikum gewinnt er mit seinem verschmitzten Lächeln im Ufa-Klassiker „Die Drei von der Tankstelle“ und als braver Soldat Schwejk. Für viele ist seine Paraderolle aber die des Schlingels Pfeiffer in der „Feuerzangen-bowle“.

Geboren wird Heinrich Wilhelm Rühmann am 7. März 1902 in Essen, wo sein Vater am Hauptbahnhof ein Hotel betreibt. Als die Gäste während des Ersten Weltkriegs ausbleiben, gibt die Familie das Unternehmen auf. Rühmanns Eltern lassen sich scheiden, der Vater begeht 1916 Selbstmord. Der junge Heinz ist zu diesem Zeitpunkt 14 Jahre alt. Die Familie zieht nach München. Der Legende nach soll Rühmann als Dreijähriger Szenen aus Illustrierten nachgestellt haben. Während der Schulzeit wird das Theater zu einer Obsession. Der Primaner bringt Stunden damit zu, vor dem Spiegel zu posieren, und hat selbst doch erst einige Märchenvorstellungen gesehen. Theaterlehrer Friedrich Basil lässt sich nach mehrfachem Vorsprechen erweichen und nimmt den jungen Mann als Schüler an. Der bekommt unter diesen Umständen das Einverständnis seiner Mutter, die Schule zu verlassen und hat seine Profession gefunden.

Schon nach einem halben Jahr holt ihn der Direktor des Breslauer Theaters, Richard Gorter, an sein Haus. Die ersten Lacher, die der kleingewachsene Heinz auf der Bühne erntet, kommen leider an Stellen, an denen keine vorgesehen sind. Nach einem Jahr läuft sein Vertrag angesichts der mangelnden Begabung fürs dramatische Fach aus. Nach Stationen in Hannover, wo Theo Lingen ihm das Stepptanzen beibringt, Bremen und Braunschweig gelingt es dem Nachwuchsschauspieler aber, sich in der deutschen Theaterlandschaft zu etablieren. Engagements in München und in Berlin, wo er mit Marlene Dietrich auf der Bühne steht, folgen. Angetan hat es ihm aber nicht der blonde Vamp aus dem Norden, sondern die Münchner Kollegin Maria Bernheim. 1924 heiratet Heinz Rühmann die Schauspielerin, die für ihre Liebe den Beruf erstmal an den Nagel hängt – Rühmann ist eben konservativ. 1927 ist das Jahr, in dem der frisch gebackene Ehemann seinen ersten Spielfilm dreht. Als er gemeinsam mit seiner Mutter den Stummfilm „Das deutsche Mutterherz“ anschaut, ist sie so entsetzt von den gespielten Bosheiten ihres Sohnes, dass sie ernsthaft krank wird.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wird jeder Künstler in Deutschland mit der Frage konfrontiert, wie er sich dem Regime gegenüber verhält. Viele kooperieren, andere wandern aus. Heinz Rühmann zieht sich auf die Rolle des unpolitischen Künstlers zurück. Aus Karrieregründen lässt er sich im November 1938, nur zwei Wochen nach der Reichspogromnacht, von seiner jüdischen Ehefrau Maria scheiden. Es wird eine Scheinehe mit dem schwedischen Schauspieler Rolf von Nauckhoff arrangiert, die Rühmann einen Sportwagen kostet und es Maria ermöglicht, bis 1943 in Berlin wohnen zu bleiben. Danach muss sie nach Stockholm emigrieren.

Zu den Verstrickungen mit den Nationalsozialisten gehören auch Auftritte in den Propagandafilmen „Wunschkonzert“ (1940) und „Fronttheater“ (1942). Im Juli 1939 heiratet er mit Hertha Feiler eine Frau, die nach nationalsozialistischer Terminologie Vierteljüdin ist. Bis ins hohe Alter verfolgen ihn Vorwürfe, zwar keine plumpe Nazi-Propaganda gedreht zu haben, aber dem Regime mit Unterhaltungsfilmen und mangelnder Distanzierung gedient zu haben.

Kriegsende und Nachkriegszeit waren für den Staatsschauspieler  nicht leicht. Seine Tätigkeit für die Ufa steht einer Tätigkeit als Schauspieler entgegen.

Erst im Sommer 1946 kann Rühmann mit einer kleinen Theatertruppe auf Tournee gehen. Er gründet die Filmgesellschaft Comedia und geht mit ihr 1953 in Konkurs; Rühmann haftet mit eineinhalb Millionen D-Mark. Jahrelang bekommt er kaum Rollenangebote. Der Gerichtsvollzieher steht jede Woche zweimal vor der Tür. Der arbeitslose Filmschauspieler kehrt gezwungenermaßen zur Bühne zurück, spielt in Stücken von Samuel Beckett und Arthur Miller.

In den folgenden Jahrzehnten folgen Produktionen unterschiedlicher Qualität. Rühmann selbst gesteht: „Die mäßigen Filme waren gegen den Hunger – die guten für den Aufstrich.“ Zwei der besseren waren Helmut Käutners „Hauptmann von Köpenick“ (1956) und Axel von Ambessers „Soldat Schwejk“ (1960). Rühmanns Rollen bleiben schelmisch, kleinbürgerlich und deutsch.

Vielleicht kommt er im Ausland deshalb nicht an und vielleicht liebt ihn das deutsche Publikum gerade deshalb so innig. In den Jahren von 1962 bis 1990 bekommt er insgesamt 14 Bambis. Die Bundesrepublik Deutschland verleiht ihm das Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband.

Der hoch dekorierte Schauspieler schlittert in den 1970er Jahren nach dem Tod seiner Frau Hertha in eine weitere schwere Krise. Längst nicht mehr der unbeschwerte Lausbub seiner frühen Filme, will er nie wieder vor die Kamera treten.

Seine letzten Auftritte sind melancholisch, er entdeckt leisere Töne. Nach einem Resümee seines Lebens gefragt, antwortet er: „Ich möchte allenfalls sagen: Ich bin doch nicht das geworden, was ich eigentlich gern geworden wäre, nämlich ein großer Clown.“

Dieser Traum wird ihm dann doch noch erfüllt. 1977 tritt Rühmann als Clown im Münchner Zirkus Krone auf. 1980 hat er einen Auftritt mit dem weltberühmten Clown Oleg Popov. In der TV-Show „Wetten, dass…?“ verabschiedet er sich am 15. Januar 1994 von seinem Publikum. Minutenlange stehende Ovationen der Zuschauer rühren ihn zu Tränen.

Eine Goldene Schallplatte, die der Schauspieler im gleichen Jahr für eine Neuaufnahme seines Schlaflieds „La-Le-Lu, nur der Mann im Mond schaut zu“ bekommen soll, kann er nicht entgegennehmen. Heinz Rühmann stirbt am 3. Oktober 1994 und wird 500 Meter von seiner Villa entfernt im kleinen Aufkirchen beigesetzt.      André Weikard

Foto: Bombenerfolg: Heinz Rühmann als Schuster Voigt in der Rolle des Hauptmanns  von Köpenick


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