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07.11.09 / Ein doppeltes Spiel / Russland und China haben vorerst kein Interesse, den Iran in der Atomfrage unter Druck zu setzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-09 vom 07. November 2009

Ein doppeltes Spiel
Russland und China haben vorerst kein Interesse, den Iran in der Atomfrage unter Druck zu setzen

Das Atomprogramm des Iran schreitet weiter voran, doch die Reaktion der internationalen Gemeinschaft bleibt mehr als verhalten. Zu unterschiedlich sind die Interessen der Beteiligten.

Ende Oktober berieten die Vertreter der USA, Russlands, Chinas, Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands in einer Telefonkonferenz über das Vorgehen in Sachen Iran. Teheran hat zwar vier Kontrolleuren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) Einlass in die Atomanlage nahe der iranischen Stadt Ghom gewährt, doch beruhigt dies die fünf UN-Vetomächte und Deutschland keineswegs. Nicht nur sie sind äußerst skeptisch, ob die iranischen Beteuerungen zutreffen, die Urananreicherung im eigenen Land diene nur der Energiegewinnung. Vor allem in Israel ist man überzeugt, dass der Iran die Atombombe will.

Der Tenor des Telefongespräches war, dass „Einigkeit“ über das weitere Handeln nötig sei. Doch schon diese überaus knappe Bilanz der Beratungen verdeutlicht, wie weit man von genau dieser Einigkeit entfernt ist. Zu den wenigen echten Konsenspunkten der Verhandlungspartner gehört offenbar, dass ihnen die Führung des Iran suspekt ist. Der Staat wird seit der islamischen Revolution von 1979 von einem Obersten Rechtsgelehrten aus dem schiitischen Klerus geführt. Staatsoberhaupt Ali Chamenei ist zudem Oberkommandierender der Streitkräfte. Im Westen ist zwar Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad präsenter, doch seine Worte und Taten sind keineswegs dazu angetan, Vertrauen in die Absichten des Landes zu gewinnen. Die gewaltsam bekämpften Demonstranten nach den Präsidentschaftswahlen im Sommer verdeutlichen den autoritären Führungsstil der Machthaber.

Mit dem rabiaten Führungsstil in Teheran hat China keine Probleme, und auch das iranische Streben nach eigenen Kernkraftwerken stößt dort auf Zustimmung. So wird vermutet, dass die Atomanlage in Ghom mit chinesischer Hilfe entstanden ist. Offiziell jedoch debattiert Peking mit den anderen UN-Vetomächten darüber, wie man den Iran davon abhalten könne, eigene Atomanlagen zu bauen.

Auch Russland spielt ein doppeltes Spiel. Zwar ist es dafür, Druck auf den Iran auszuüben, gleichzeitig solle man aber mehr Geduld mit dem Land haben. Nachdem die Mullahs Moskau mehrfach brüskiert haben, ist auch die Langmut des Kreml nicht mehr grenzenlos. Gleichzeitig ist der Iran jedoch ein guter Geschäftspartner − vor allem im Waffengeschäft −, den Russland in Zeiten der Wirtschaftskrise nicht vergraulen will. Auch hier gibt es Gerüchte. So hatte das verschwundene Frachtschiff „Arctic Sea“ neben Holz angeblich auch russische S-300-Raketen für den Iran geladen, die der israelische Mossad rechtzeitig an sich genommen habe.

Sollte das stimmen, triebe Mos-kau mehr als nur ein doppeltes Spiel zum Nutzen der eigenen Rüstungsindustrie. Denn gerade Flugabwehrraketen untergraben Überlegungen der internationalen Gemeinschaft, das Atom-Programm des Iran notfalls durch Luftangriff zu stoppen. Und auch wenn ein Angriff mit Uno-Mandat vorerst so gut wie ausgeschlossen ist − schließlich können sich die Vetomächte nicht einmal auf Sanktionen einigen −, darf Russland nicht diese letzte Option durch Lieferung von S-300-Raketen noch mehr erschweren. Allerdings ist Israel momentan auch das einzige Land, in dem über militärische Attacken zur Verhinderung einer iranischen Atombewaffnung nachgedacht wird. Die USA geben sich seit dem Amtsantritt von US-Präsident Barack Obama milde gegenüber Teheran.

Sogar in den USA selbst ist dieser neue „Schmusekurs“ umstritten. Hatte US-Präsident George W. Bush noch Militärschläge angedroht, mag sein Nachfolger Barack Obama noch nicht einmal über Sanktionen reden. Dabei haben Republikaner und Demokraten bereits Pläne erarbeitet. Dem US-Senat liegt ein Gesetzentwurf über den Stopp ausländischer Benzinexporte in den Iran vor. Da das Land 40 Prozent seines Benzinbedarfes importieren muss, wäre dies ein schwerer Schlag für das Land, das politisch bereits instabil ist, wie die Demonstrationen im Sommer gezeigt haben.

Zudem wäre es möglich, ausländische Investitionen in den Iran zu reduzieren, internationale Flüge zu stoppen, iranische Ölexporte einzuschränken und Auslandsvermögen einzufrieren. Doch all das würde auch die Interessen der sechs Verhandlungspartner treffen. Gerade Russland und China machen blühende Geschäfte mit dem Iran, und selbst in Deutschland sind iranische Investoren willkommen, beispielsweise um angeschlagene Unternehmen zu stützen. Und so bot man dem Iran jetzt den Kompromiss, dass die Islamische Republik 1,2 Tonnen niedrig angereichertes Uran nach Russland bringt, wo es auf knapp 20 Prozent angereichert und in Frankreich zu Brennelementen weiterverarbeitet werden solle. Russland und Frankreich sagt dieser Vorschlag zu, schließlich eröffnet er ganz legale Verdienstmöglichkeiten, die zudem im Sinne des Weltfriedens sind.

Iran hingegen verlangt Änderungen am Kompromiss, bedeutet er doch, so wie er jetzt ist, das Aus der eigenen Atompläne. Doch da der Druck der untereinander uneinigen Verhandlungspartner äußerst sanft ist, besteht für Teheran keine Notwendigkeit zum Einlenken.

Selbst ein Angriff Israels ist unwahrscheinlich, benötigt Tel Aviv doch Überflugrechte des Irak und Saudi-Arabiens. Aber der Irak wird sich hüten, dadurch die sunnitisch-schiitischen Konflikte im Land zu schüren. Und auch wenn dem wahabitisch-sunnitischen Saudi-Arabien der schiitische Iran als neue Atommacht widerstrebt, so bedeutet das für Riad noch lange nicht, ausgerechnet den Israelis den Weg für einen Angriff auf das muslimische Land zu öffnen. Rebecca Bellano

Foto: Ersatzanlage: Für den Fall, dass Israel die seit Jahren bekannte Atomanlage Natans zerstören sollte, haben die Iraner nahe der Stadt Ghom bereits eine zweite gebaut, wie Teheran im September bekanntgab.


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