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07.11.09 / Ein bisschen wie Oskar Lafontaine / 1914 noch Parteivorsitzender, stand der ostpreußische SPD-Linke Hugo Haase wenig später an der Spitze einer linken Abspaltung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-09 vom 07. November 2009

Ein bisschen wie Oskar Lafontaine
1914 noch Parteivorsitzender, stand der ostpreußische SPD-Linke Hugo Haase wenig später an der Spitze einer linken Abspaltung

Schon vor gut 90 Jahren musste sich die SPD mit einer linken Abspaltung herumschlagen. Eine Schlüsselfigur war dabei der ostpreußische SPD-Linke Hugo Haase, der 1914 noch einer der mächtigsten Männer in der SPD war.

Dem am 29. September 1863 im ostpreußischen Allenstein geborenen Sohn eines jüdischen Schuhmachers und Kleinhändlers gelang der gesellschaftliche Aufstieg. Nach dem Abitur in Rastenburg und einem Jurastudium an der Albertina mit anschließendem Referendariat ließ er sich 1888 als Anwalt in Königsberg nieder. Nachdem Haase als Student über marxistische Schriften die Idee des Sozialismus kennengelernt hatte, war er als Referendar der SPD beigetreten. Haase war damit der erste sozialdemokratische Rechtsanwalt Ostpreußens. Angesichts dieses „Monopols“ gehörten nicht nur (Land-)Arbeiter, sondern auch sehr prominente Sozialdemokraten wie der spätere preußische Ministerpräsidenten Otto Braun und Karl Liebknecht zu seinen Mandanten. 1894 wurde Haase auch Königsbergs erster sozialdemokratischer Stadtverordneter. 1897 wurde er in den Reichstag gewählt.

Nach dem Tode Paul Singers 1911 brauchte die SPD einen (formal gleichberechtigten) neuen Mitvorsitzenden an der Seite des unumstrittenen August Bebel. In einer Kampfabstimmung setzte sich der (linke) Haase gegen den (rechten) Friedrich Ebert durch.

Nach dem Tode von Partei- und Fraktionschef Bebel gelang Ebert in dessen Nachfolge dann doch noch der Aufstieg in das Führungstandem der SPD. Wie die Partei erhielt nun auch deren Reichstagsfraktion eine Doppelspitze, bestehend aus dem (linken) Haase und dem (rechten) Philipp Scheidemann.

Als einziger Sozialdemokrat war Haase also sowohl in der Partei als auch in der Fraktion Mitglied der Doppelspitze. Damit war er der womöglich mächtigste deutsche Sozialdemokrat, als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach.

Über die Frage, wie die SPD sich im Ersten Weltkrieg verhalten solle, kam es zum Bruch zwischen Haase und seiner Partei. Aus einer pazifistisch-internationalistischen Gesinnung heraus lehnte Haase die Bewilligung der Kriegskredite ab. Eine Mehrheit in seiner Fraktion war allerdings dafür und akzeptierte den von der Reichsregierung angebotenen „Burgfrieden“. Nur aus Parteidisziplin stimmte Haase für die Kriegskredite und begründete im Reichstag das Abstimmungsverhalten seiner Fraktion damit, dass die Sozialdemokraten „das Vaterland in der Stunde der Gefahr nicht im Stich“ ließen.

Haases Parteidisziplin hatte jedoch ihre Grenzen. 1916 stimmte er im Reichstag gegen die Annahme des von der Reichsregierung vorgelegten Notetats – gegen einen Mehrheitsbeschluss seiner Fraktion. Der Ausschluss aus der Fraktion und der Verlust des Parteivorsitzes waren die Folge. Zusammen mit gleichgesinnten oppositionellen Sozialdemokraten gründete er daraufhin die Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft (SAG). Als diese von Haase geleitete SAG 1917 mit Vertretern der Spartakusgruppe, aus der später die KPD hervorgehen sollte, eine Tagung durchführt, werden Haase und die anderen SAG-Mitglieder aus der SPD ausgeschlossen und gründen im April 1917 in Gotha die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD).

Die Hungersnot im Reich und das Ausbleiben des von der Reichsführung in Aussicht gestellten Sieges führten zu einem Linksruck in Deutschland, der auch darin zum Ausdruck kam, dass das Kaiserreich der Novemberrevolution keinen nennenswerten Widerstand mehr entgegenzusetzen wusste. Die beiden Arbeiterparteien USPD und SPD bilden nun mit dem „Rat der Volksbeauftragten“ eine paritätisch besetzte, sechsköpfige Revolutionsregierung mit Haase und Ebert an der Spitze.

Die SPD steht in dieser revolutionären Umbruchssituation vor der Grundsatzfrage, ob sie mit der links von ihr stehenden Abspaltung USPD eine sozialistische Republik mit Rätesystem oder mit den rechts von ihr stehenden bürgerlichen Parteien eine bürgerliche Republik mit parlamentarischem System aufbaut. Die Partei Eberts, der die Monarchie gerne erhalten hätte und die Revolution erklärtermaßen „hasste wie die Pest“, entschied sich für die zweite Möglichkeit.

Damit war aber auch das Ende der USPD eingeleitet. Entrüstet über den Ebert-Groener-Pakt, Eberts so genannten „Pakt mit den alten Mächten“, traten Haase und die beiden anderen USPD-Mitglieder aus dem Rat der Volksbeauftragten am 29. Dezember 1918 aus. Hin und hergerissen zwischen der rechts von ihr stehenden SPD, welche mit bürgerlichen Parteien die Weimarer Republik aufbaute, und der am 1. Januar 1919 gegründeten KPD, welche diese sich abzeichnende bürgerliche Republik auch mit Waffengewalt bekämpfte, verlor die USPD nach beiden Seiten an Anhängern und an Orientierung.

Vor 90 Jahren erlitt die USPD dann noch einen weiteren Schlag: Sie verlor mit ihrem Vorsitzenden Hugo Haase eine wichtige Integrationsfigur. Der USPD-Politiker überlebte ein auf ihn am 8. Ok­tober 1919 verübtes Revolverattentat des mutmaßlich geistesgestörten Lederarbeiters Johann Voß nur um 30 Tage. Am 7. November 1919 erlag er seinen Schussverletzungen.            Manuel Ruoff

Foto: Auf gleicher Augenhöhe: So wie vorher schon in der SPD bildete Hugo Haase auch in der ersten Regierung der Novemberrevolution das linke Pendant zum späteren Reichspräsidenten Friedrich Ebert.


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