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07.11.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-09 vom 07. November 2009

Guido ganz groß / Worüber Westerwelle staunt, worüber die Polen lachen, und wie Lafontaine die deutsche Einheit verhindert hätte
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Na? Und was halten Sie von der neuen Regierung? Sie haben keinen Schimmer, was Sie denken sollen? Dann bin ich ja nicht der Einzige. Beim Thema Schattenhaushalt haben die Schwarz-Gelben ja gerade noch die Kurve gekriegt. Aber ansonsten weiß man nicht, ob man sich darüber freuen darf, dass es noch nichts Ernstes zum Ärgern gab, oder sich eher darüber ärgern soll, dass man keinen Grund zum Freuen findet.

Angela Merkel wird immer mehr sie selbst, und die CDU-Chefin haben wir ja schon seit Jahren im Verdacht, nichts anderes im Schilde zu führen als den bloßen Machterhalt. Das wäre nicht allzu wild, wenn um sie lauter verbissene Überzeugungstäter herumtobten, die nur ein gewitzter Dompteur daran hindern kann, alles in Schutt und Asche zu legen.

Mit Guido Westerwelle jedoch hat sich einer auf den Platz neben der Kanzlerin gesetzt, dem links oder rechts ebenso egal zu sein scheinen – Hauptsache oben. Sonst hätte er sich ja ein anderes Ressort gesucht, denn in Sachen Außenpolitik ist der Chefliberale in seiner gesamten politischen Laufbahn noch nie in Erscheinung getreten. Also ist das doch gar nichts für ihn. Doch der junge Guido durchlebte seine politische Pubertät in einer FDP, in der dem damaligen Außenminister Genscher kultische Verehrung entgegengebracht wurde. Da muss in dem seinerzeitigen Juli-Vorsitzenden Westerwelle der Entschluss gereift sein: Sowas Schickes will ich auch mal werden, wenn ich groß bin!

Nach den Erfahrungen mit Joschka Fischer ist man ja schon beruhigt, wenn uns ein neuer Außenminister nicht gleich überall blamiert. Dazu hatte Westerwelle bislang noch nicht allzu viele Gelegenheiten, was natürlich nicht heißt, dass er die ersten Möglichkeiten nicht genutzt hätte.  Dass er ihnen den Skalp von      Erika Steinbach angeboten hat, haben die Polen natürlich mit einem freundlichen Lächeln quittiert. Als er wieder weg war, dürften die Polen, bekanntlich glühende Patrioten, nicht mehr nur gelächelt, sondern schallend gelacht haben: Ein Außenminister, der im Ausland die eigenen Landsleute ins Feuer schmeißt und meint, damit Ansehen zu gewinnen! Mit dem werden wir noch einigen Spaß haben.

In Brüssel war der Neuling dann ganz von den Socken, für wie bedeutend Deutschland in der EU gehalten wird. Diese jähe Eingebung kann man auf zweierlei Weise bewerten. Erstens: Der Mann ist eine ehrliche Haut. Er war aufrichtig, wenn er von der „Gleichberechtigung der Völker im europäischen Haus“ oder so quasselte. Die Idee, dass es einen Unterschied macht, ob Deutschland oder Dänemark den Mund aufmacht, die ist ihm wirklich nicht gekommen. Was uns zur zweiten möglichen Bewertung führt, die da lautet: Du grüne Neune! Der muss ja wirklich fast alles noch lernen. Jeder erwachsene Staatsbürger weiß, dass es Gleichberechtigung in der internationalen Politik immer nur formell gibt. Einer hat immer den längeren Hebel in der Hand, und der deutsche ist in der EU nunmal der längste.

Es verspricht Vorteile, der Favorit Berlins zu sein und andere in dieser Rolle auszustechen. Anlässlich von 20 Jahren Mauerfall versuchen England und Frankreich daher, einander nach Kräften bei den Deutschen anzuschwärzen, was wir mit gelassener Heiterkeit zur Kenntnis nehmen.

Erst rückten die Briten mit Geheimprotokollen heraus, die belegen sollten, das Frankreichs Präsident Mitterrand mindestens ebenso fanatisch gegen die deutsche Einheit gearbeitet habe wie ihre manische Maggie. Nun keilten die Pariser zurück und enthüllten, dass die durchgeknallte  Thatcher doch viel schlimmer gewesen sei als Mitterrand und dass sie obendrein nicht die geringste Freude über die Befreiung der osteuropäischen Völker gezeigt habe. (Haben Sie das gehört, lieber Vaclav Klaus? Wäre doch ein schönes Thema für einen Kaminplausch mit Ihrem neuen Brieffreund, dem britischen Konservativen-Chef David Cameron.)

Und was sagen wir zu diesen entzückenden Stänkereien? Nun ja, Mitterrand blieb wenigstens ansprechbar, im Unterschied zu der bösen Hexe auf der Insel. Andererseits sind uns missgünstige Nachbarn, die keinen Zweifel lassen über die Schwärze ihrer Seele, allemal lieber als solche, die heimlich gegen uns unterwegs sind.

Außerdem ist die Sache ja nun wirklich abgegessen, vorbei. Viel ist dieser Tage die Rede davon, welches Glück wir hatten, dass alles so glimpflich abging im Herbst 1989. Das auch deshalb, weil in Moskau und Washington vernünftige Männer saßen, weshalb die britischen und französischen Wühlereien ins Leere gingen.

Allerdings drohte Gefahr nicht nur von draußen, sondern auch von innen, was heute schamhaft übergangen wird. Was, wenn die Bundestagswahl nicht im Dezember 1990, sondern schon 1988 stattgefunden hätte, und der SPD-Kandidat Oskar Lafontaine wäre als Sieger hervorgegangen – ein entschiedener Feind der deutschen Einheit ohne Berührungsängste zum linken Rand?

Dann hätten wohl Egon Krenz und Lafontaine im Herbst 1989 die Köpfe zusammengesteckt um zu beraten, wie man diesen Gorbatschow wieder einfängt. Um sich außenpolitisch Rückenwind zu verschaffen, hätte Lafo gewiss auch Thatcher und Mitterrand eingespannt, damit sie auf gar keinen Fall nachgeben bei der Frage der Aufrechterhaltung der Teilung. Bei der EG (so hieß die EU damals noch) wäre Außenminister Joschka Fischer aufgetreten, um seinen Kollegen Angst vor dem „Vierten Reich“ einzujagen.

Ungarn, Polen, Tschechen etc. hätte der deutsche Chefdiplomat ins Gewissen geredet, dass sie mit ihren Revolutionen die heilige Nachkriegsordnung ins Wanken brächten, womit sie den deutschen Ewiggestrigen in die Hände spielten. Womit wir bei der Innenpolitik jenes Deutschlands wären, das es glücklicherweise nie gegeben hat: Da wäre wohl ein staatlich organisierter „Aufstand der Friedliebenden“ losgebrochen (worden) gegen die Vereinigungsbefürworter, die ja das „Vierte Reich“ wollen und daher die braune Pest sind, Parole: „Nie wieder Deutschland“. Den Spruch plakatierten die Grünen 1989 ja tatsächlich, übrigens mit einem Bild von Marlene Dietrich, als angebliches Zitat. Die alte Dame schoss daraufhin hoch wie vom Affen gebissen und haute den Grünen das Plakat um die Ohren: Das habe sie nie gesagt, das Plakat sei ein Angriff auf ihre Ehre. Da mussten sie es schweren Herzens wieder abhängen.

Und die Hunderttausende Flüchtlinge und Übersiedler aus der DDR? Was hätte denen geblüht? Die wären nach Anerkennung der DDR-Staatsbürgerschaft durch die rot-grüne Regierung Lafontaine/Fischer ja Ausländer gewesen. Man hätte sie wohl eine Weile in Auffanglagern versauern lassen, um sie später an der Grenze wieder abzugeben – mit dem Versprechen, dass ihnen da drüben nichts (na ja, fast nichts) geschehen würde.

Solche „Was wäre gewesen wenn“-Szenarien sind fast so schön wie gruselige Zukunftsvisionen. Man lehnt sich zurück und findet die sonst so bekrittelte Welt auf einmal ganz wunderbar. Andererseits wird klar, dass man sich nie allzu sicher fühlen sollte. Tat sich 1989 nicht der Himmel auf über Deutschland und Europa? Waren wir nicht fast taub vor Glück? Ja, und deshalb hatten wir auch keine Ahnung davon, wie knapp alles abging.

Die Grenze zwischen unnötigem Bangemachen und Leichtfertigkeit ist halt schwer zu ziehen, selbst beim Umgang mit der Schweinegrippe. Während bei den einheimischen Deutschen die Furcht grassiert, fühlten sich Angehörige einer anderen bei uns lebenden Bevölkerungsgruppe irrtümlich vollkommen sicher: Aus Berlin berichtet die „Gesellschaft Türkischer Mediziner“, dass zahlreiche Muslime dort glaubten, gegen die Grippe immun zu sein, weil sie ja kein Schweinefleisch essen.


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