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14.11.09 / Mutige Aufklärerin / Ex-Chefanklägerin Carla del Ponte bleibt das Gesicht des Tribunals

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-09 vom 14. November 2009

Mutige Aufklärerin
Ex-Chefanklägerin Carla del Ponte bleibt das Gesicht des Tribunals

Noch heute bin ich eher eine Schlangenjägerin als eine Rechtsgelehrte“, sagt die im Tessin geborene Juristin Carla del Ponte (62), bis 2007 Chefanklägerin des Haager UN-Tribunals, im Rückblick auf ihre Jugend. Die Schweizerin kultiviert ihren Ruf als einsame Kämpferin – so in ihrem Buch „Die Jagd – Ich und die Kriegsverbrecher“.

Wo immer sie energisch die Auslieferung international gesuchter Kriegsverbrecher betrieb, sei sie in der europäischen Politik auf „Gummiwände“ gestoßen, schreibt sie. Den Völkermord in Ruanda brachte sie 1999 bis 2003 zur Anklage, zeitgleich machte sie sich vor allem am Internationalen Strafgerichtshof für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien einen Namen (1999–2007). Seither gilt del Ponte als bekannteste Verfechterin von Menschenrechten gegen Kriegsverantwortliche in den Vereinten Nationen.

Für ihren Einsatz hat die viersprachige del Ponte, die vor ihrer Berufung nach Den Haag als Staatsanwältin im Tessin furchtlos gegen die organisierte Kriminalität vorging, hohe internationale Auszeichnungen erhalten. Kritiker werfen ihr dagegen viele Ankündigungen bei wenig konkreten Erfolgen vor. Einseitig verfolge sie die Interessen von EU und USA bei der juristischen Bewältigung der Jugoslawienkriege, so ein weiterer Vorwurf.

Ihre größte Niederlage bereitete ihr Slobodan Milosevic, einst serbischer Präsident und Schlüsselfigur der Jugoslawienkriege. Nach vier Jahren Prozess starb er am 11. März 2006 in Haft, offiziell an einem Herzinfarkt. Möglicherweise gelang ihm jedoch der Freitod mittels später im Blut nachgewiesener Medikamente.

Eine bittere Niederlage für del Ponte. Sie hatte 2002 Milosevics Verurteilung zur Messlatte für die Gesamtabrechnung mit Kriegsverbrechen in Jugoslawien erklärt. Mit dem Sozialistenführer starb für Tausende Hinterbliebene der Bürgerkriegs-Massaker die Hoffnung, den mutmaßlichen Hauptverantwortlichen verurteilt zu sehen. Auch konnten Ratko Mladic und Radovan Karadzic trotz internationaler Haftbefehle lange nicht gefasst werden – ein „schwarzer Fleck“ in der Bilanz ihrer Arbeit, so del Ponte. Erst seit Juli 2008 ist Karadzic in Haft. Del Ponte attackierte daher die Politik Nachkriegs-Serbiens und drängte auf „Kooperationspflicht“. Brüssel schob Serbiens angestrebte EU-Mitgliedschaft auf ihr Drängen hin auf die lange Bank. Sie brachte das Internationale Straftribunal zur Feststellung, Serbien habe seine Pflicht als Staat verletzt, auch wenn dem Land keine direkte Beteiligung beispielsweise am Massaker von Srebrenica, bei dem rund 8000 Muslime ermordet wurden, nachgewiesen werden konnte.

Bei Ausscheiden aus dem Amt glaubte die Karriere-Juristin nicht mehr an weitere Verhaftungen – es sei ihr nicht gelungen, der Schuld ein individuelles Gesicht zu geben, so Kritiker. Derzeit arbeitet sie als Schweizer Botschafterin in Argentinien.     SV


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