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14.11.09 / Opel: Aussichten bleiben düster / Experten warnen: Autokrise noch lange nicht vorüber – Kritiker der Staatshilfen fühlen sich bestätigt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-09 vom 14. November 2009

Opel: Aussichten bleiben düster
Experten warnen: Autokrise noch lange nicht vorüber – Kritiker der Staatshilfen fühlen sich bestätigt

GM will Opel behalten, weil der US-Konzern sonst noch weniger Überlebenschancen hätte. Fachleute bleiben jedoch äußerst skeptisch. Das Grundproblem: Die Welt-Autoindustrie hat Überkapazitäten von rund 30 Prozent, aus globaler Perspektive ist der ganze GM-Konzern überflüssig.

Unterschiedlicher konnten die Reaktionen kaum ausfallen: Während die Entscheidung von General Motors (GM), Opel nun doch zu behalten, in Deutschland für Schock und Verärgerung sorgte, quittierten die Opelaner an anderen europäischen Standorten die für viele überraschende Wende mit Freude und Genugtuung. Namentlich in England und Spanien wurde die neue Linie aus Detroit ausdrücklich begrüßt.

Die Furcht war groß gewesen, dass die massive finanzielle Unterstützung, die Berlin dem Autobauer in Aussicht gestellt hatte, dazu führen würde, dass die unumgängliche Schrumpfkur des Unternehmens vor allem zu Lasten nichtdeutscher Produktionsstandorte gehen würde. Nun geben spanische Kommentatoren offen ihrer Hoffnung Ausdruck, dass das dortige Werk davon profitieren könnte, wenn beispielsweise das Opel-Werk in Eisenach sein Pforten schließe. Von der Solidarität, welche die deutschen Arbeiter monatelang mit ihren europäischen Kollegen zum Ausdruck brachten, ist in umgekehrter Richtung, da neben Antwerpen vor allem Eisenach und Bochum auf der Kippe stehen, wenig zu spüren.

Im Vorfeld der Deutschland-Reise von GM-Chef Fritz Henderson beruhigten sich indes auch die Gemüter in Deutschland wieder ein wenig. Vor allem die Arbeitnehmervertreter ahnten schnell, dass eine markige „Ohne uns“-Haltung zu ihrem Nachteil ausgehen könnte.

Bestätigt fühlen sich jene, die sich von Anfang an gegen die üppigen Staatszusagen ausgesprochen hatten. Der neue Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) weiß sich da ganz im Einklang mit  Vorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg. Der Christsoziale hatte aus Protest gegen die Milliardenzusagen an Magna offen mit Rücktrittsgedanken gespielt. Brüderle gab sich hinsichtlich von Forderungen seitens GM nach staatlicher Unterstützung für die Opel-Sanierung äußerst zugeknöpft.

Unterstützung bekommt Brüderle hierbei von dem Automobil-Experten Ferdinand Dudenhöffer.  Dieser hatte von Anfang an davor gewarnt, sich im Falle von Opel staatlicherseits zu sehr einbinden zu lassen. Kritiker wie Dudenhöffer verweisen, neben der schwierigen Lage von Opel, auf das negative Gesamtumfeld: Die Nachfrage auf dem globalen wie dem deutschen Automarkt liege sehr weit unter den Produktionskapazitäten der Autobauer. Während derzeit weltweit rund 90 Millionen Wagen pro Jahr vom Band laufen könnten, besteht groben Schätzungen zufolge nur für etwa 60 Millionen Nachfrage. Dementsprechend bezeichnet auch Daimler-Chef Dieter Zetsche die Lage (trotz einer gewisser Erholung gegenüber dem Tiefpunkt) als weiterhin düster. Und dies, so Zetsche, werde noch auf Jahre hinaus so bleiben.

Die jüngsten Zahlen von Opel widersprechen dem nur auf den ersten Blick: So konnte das Unternehmen nach Informationen der „Financial Times Deutschland“ eine Bargeld-Reserve von 1,75 Milliarden Euro aufbauen, seitdem seine Überschüsse nicht mehr wie früher an GM weitergeleitet werden. Damit wäre es für die Rüsselsheimer kein Problem, den Überbrückungskredit der Bundesregierung in Höhe von 900 Millionen Euro pünktlich bis Ende dieses Monat zurückzuzahlen. Nach Auffassung von Dudenhöffer sagen die schönen Zahlen aber nur wenig über die Aussichten von Opel. Die Gewinne seien  vor allem eine Folge der deutschen Abwrackprämie, welche zu einem künstlichen Boom geführt habe. Im kommenden Jahr werde es erst richtig ernst, 2010 werde aller Voraussicht nach noch weit kritischer als 2009.

Experten empfehlen, auf die versprochene größere Eigenständigkeit Opels von GM ein besonderes Augenmerk zu richten. An der Konzernmutter lässt Dudenhöffer kein gutes Haar und spricht den Amerikanern sogar ab, überhaupt „geordnete Strukturen“ zu haben – ein vernichtendes Urteil, das indes verständlich macht, warum sich GM letztlich nicht von Opel trennen wollte: Ohne die deutsch-europäische Tochter ist dem einst größten Automobilhersteller der Welt der Untergang noch sicherer als mit ihr.

Mit Blick auf die vergangenen zwölf Monate zweifeln Beobachter indes daran, ob die Amerikaner zu einer langfristigen Strategie überhaupt imstande sind. Oder war die angebliche Verkaufsabsicht nur ein übler Trick? Aufgeputscht von der stimulierende Perspektive einer Loslösung Opels vom GM-Konzern hat Berlin vor aller Welt preisgegeben, wie weit es zu gehen bereit ist, um die heimischen Standorte zu retten: sehr, sehr weit.

Dabei ist nicht verborgen geblieben, dass nicht allein soziale oder wirtschaftliche Erwägungen den Ausschlag geben, ob der deutsche Staat seine Taschen öffnet. Auch sentimentale Besonderheiten spielen eine Rolle: So löst die Krise eines schwäbischen Generika-Herstellers oder einer mecklenburgischen Werft über ihre Region hinaus kaum Schockwellen aus. Die Bundespolitik äußert hier bestenfalls ihr Bedauern und verweist auf die „veränderte Marktlage“ und den daher „unausweichlichen Strukturwandel“. Nur in gewissen Branchen, genannt seien etwa Autobau oder Kohleförderung, gelten drohende Zusammenbrüche sogleich als nationale Herausforderung. Das wird GM zu nutzen wissen.             Hans Heckel

Foto: Einseitige Solidarität? Deutsche Opel-Arbeiter auf der Straße für ihre europäischen Kollegen


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