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14.11.09 / Bis zu zwei Millionen »BeFreite« / Ingo von Münch erinnert an das Schicksal deutscher Frauen 1945 und prangert den Umgang damit an

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-09 vom 14. November 2009

Bis zu zwei Millionen »BeFreite«
Ingo von Münch erinnert an das Schicksal deutscher Frauen 1945 und prangert den Umgang damit an

Der Umgang mit dem Thema Vergewaltigung durch Soldaten der Roten Armee ist bei vielen betroffenen Opfern aus Ost- und Mitteldeutschland von Scham bestimmt. Erst in den neunziger Jahren erschienen mehrere Bücher, die dieses Teilkapitel der „Befreiung“ von 1945 auch mit ausfürhlichen Berichten der Überlebenden schilderten. Von den heute noch lebenden weiblichen Zeitzeugen waren viele damals noch zu jung, um selbst Opfer der sowjetischen Soldaten zu werden, doch zusammen mit ihren männlichen Altersgenossen wurden sie Augenzeugen der Vergewaltigung ihrer älteren Schwestern, Mütter, Tanten und Großmütter und haben deren vielfache Traumatisierung oft selbst als Schock erlebt.

Ohnehin schützte ein jugendliches Alter nicht vor den Übergriffen der Soldaten, wie Ingo von Münch in „,Frau, komm!‘ Die Massenvergewaltigungen deutscher Frauen und Mädchen 1944/45“ ausführt. Zwischen 1,2 und zwei Millionen deutsche Mädchen und Frauen, so die Schätzungen, sind in den Monaten vor und nach dem 8. Mai 1945 vergewaltigt worden, viele von ihnen mehrfach. Der emeritierte Professor für Staats- und Völkerrecht, der von 1987 bis 1991 Zweiter Bürgermeister sowie Wissenschafts- und Kultursenator der Freien und Hansestadt Hamburg war, bringt sich in die seiner Meinung nach viel zu leise Debatte über diese deutschen Opfer ein. So beklagt er, dass das Thema Massenvergewaltigungen deutscher Frauen seit Kriegsende viel zu zurückhaltend behandelt worden sei, da bestimmte Kreise Sorge gehabt hätten, die geschilderten Ereignisse würden die Deutschen „viktimisieren“. „,Viktimisieren‘ bedeutet, jemanden zum Verbrechensopfer zu erklären – aber waren denn die (häufig besonders brutal) vergewaltigten Frauen und Mädchen keine Opfer von Verbrechen?“, fragt der Rechtsgelehrte und Politiker von Münch spitz.

„Ich hatte … ein ungutes Gefühl, dass du die Alliierten zu negativ zeichnest, schließlich waren die Deutschen dagegen Bestien“, zitiert der Autor eine Verlags-Lektorin. „Bitte überprüf das noch mal. Irgendwas Positives (statt Versautes, Brutales etc.) würde das Ganze unparteiischer, glaubwürdiger machen“, soll diese 2003 an einen anderen Autoren geschrieben haben.

Gegen derartige Ansichten schreibt von Münch mit seinem Buch an. Er trägt die bisher erlangten Erkenntnisse über die Massenvergewaltigungen an deutschen Frauen – und übrigens auch an polnischen, ukrainischen sowie russischen Zwangsarbeiterinnen – durch sowjetische Soldaten zusammen. Hierbei entkräftet er gleich zu Beginn die Behauptung, die Soldaten der Roten Armee hätten nur Vergeltung für zuvor von deutschen Soldaten begangene Verbrechen an sowjetischen Frauen geübt. Abgesehen davon, dass eine derartige Vergeltung moralisch und auch rechtlich untragbar wäre, so sei auch das Argument an sich falsch, da es nie Massenvergewaltigungen durch deutsche Soldaten gegeben habe. Deutsche Offiziere hätten derartiges nachweislich nie zugelassen, da es der Disziplin innerhalb der Truppe geschadet hätte. Auch sei die Mentalität, Moral und Stimmung der Deutschen eine ganz andere gewesen. Beispielsweise hätte auch in der Zeit der schnellen Siege der intensiv mit Alkohol gefeierte Rausch der Sieger gefehlt. Zwar sei es zu Vergewaltigungen durch deutsche Soldaten gekommen, doch seien diese nachweisbar zumeist geahndet worden. (In schweren Fällen und bei Offizieren übrigens auch mit der Todesstrafe.)

Zeitzeugenberichte dominieren die Ausführungen von Ingo von Münch. Er hat zahlreiche Erinnerungen von Opfern und Augenzeugen zusammengetragen, welche die Grausamkeit und absolute Skrupellosigkeit der Täter verdeutlichen. Dass diese nicht nur von Deutschen wahrgenommen wurden, verdeutlicht er mit Zitaten russischer Autoren wie Alexander Solschenizyn und Lew Kopelew. Weder Mädchen noch Greisinnen, Schwangere oder stillende Mutter konnten auf Erbarmen hoffen. Die Berichte über Rotarmisten, die geduldig Schlange stehen und warten, dass sie als 15. oder 20. auch „ran“ dürfen, sind in ihrer Dramatik fast noch erschütternder als die Schilderung alkoholisierter Horden. Einige Opfer wurden nach dem Missbrauch ermordet oder verbluteten. Andere wurden schwanger. Etwa 20 Prozent der vergewaltigten Berlinerinnen sollen von den Sowjets geschwängert worden sein, 90 Prozent hätten abgetrieben, andere Selbstmord begangen. Trotzdem sollen fast 300000 durch Vergewaltigung gezeugte Russenkinder in Deutschland geboren worden sein. Auf durch die Vergewaltigungen verbreiteten Krankheiten geht von Münch nicht ein, doch es ist davon auszugehen, dass auch sie manche Frau das Leben gekostet haben.

Doch an so etwas dachten offenbar viele nicht: „Wir befinden uns weit in Ostpreußen, wo wir die Preußen ausräuchern, dass die Federn nur so fliegen. Unsere Jungens haben bereits alle deutschen Frauen ausprobiert“, soll ein Russe in seinem Feldpostbrief in die Heimat geschrieben haben. Die Tatsache, dass sich die Täter nur selten in dieser Weise schriftlich – und somit wissenschaftlich vergleichsweise leicht nachweisbar – mit ihren Taten brüsteten, macht das Unrecht von der Täterseite her schwerer belegbar und verstehbar, aber natürlich nicht kleiner. Rebecca Bellano

Ingo von Münch: „,Frau, komm!‘ Die Massenvergewaltigungen deutscher Frauen und Mädchen 1944/45“, Ares Verlag, Graz 2009, gebunden, 210 Seiten, 19,90 Euro


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